Wanderer überquert eine Brücke

Ein Quantensprung für die Nachhaltigkeitsberichterstattung: Warum die  Corporate Sustainability Reporting Directive der EU  wegweisend ist

Zehntausende Unternehmen führen momentan Veränderungsprozesse durch, um die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) umzusetzen oder sich auf diese vorzubereiten. Fünf Denkanstöße.


Überblick

  • Die EU hat mit der CSRD deutlich die Anforderungen an das Berichtswesen erweitert.
  • Rund 49.000 statt bisher rund 12.000 Unternehmen werden umfangreich über Umwelt-, Sozial- und Governanceaspekte Rechenschaft ablegen müssen – für große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeitern ist die CSRD bereits seit dem Geschäftsjahr 2024 anzuwenden (bzw. für Angaben nach Artikel 8 der EU-Taxonomie-Verordnung gilt bereits eine schrittweisen Einführung seit dem Geschäftsjahr 2021).
  • Zukünftig betroffene Unternehmen müssen frühzeitig interne Kompetenzen und Prozesse deutlich ausbauen, ihr Datenmanagement professionalisieren und sich auf die deutlich umfassendere Nachhaltigkeitsberichterstattung vorbereiten.

Die Europäische Kommission hat einen Quantensprung für die Nachhaltigkeitsberichterstattung initiiert: Dieses wird auf ein ähnliches Niveau wie das der Finanzberichterstattung angehoben und damit für Investoren, (Industrie-)Kunden und Mitbewerber vergleichbar. Schon mit den Lageberichten zum Geschäftsjahr 2024 beziehen alle bisher unter die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) fallenden Unternehmen in viel größerem Umfang als bisher Stellung zu Nachhaltigkeitsaspekten. Egal ob es um ökologische oder soziale Aspekte oder um Methoden der Unternehmensführung geht: Die Konsequenzen des unternehmerischen Handelns für Umwelt und Gesellschaft müssen gemäß CSRD viel umfangreicher als bisher dargestellt werden.

Nichtfinanzielle Aussagen und Kennzahlen gewinnen stark an Bedeutung und nähern sich damit den Finanzkennzahlen an – nicht mehr nur weil das Aktivisten, manche Kunden oder immer mehr Investoren einfordern, sondern auch weil die Mitgliedstaaten die Umsetzung der CSRD in nationale Gesetze verabschiedet haben bzw. verabschieden werden, die genau das vorschreiben. Die dabei kommunizierten Daten müssen ähnlichen Qualitätsstandards standhalten wie die Kennzahlen der Finanzberichterstattung und unterliegen zudem einer externen Prüfung - zunächst mit begrenzter Sicherheit („limited assurance“). Zudem müssen die Daten – wie in der Finanzberichterstattung - gemäß einem verpflichtenden und vergleichbaren Reporting-Standard veröffentlicht werden. Im Falle des Nachhaltigkeitsberichterstattung sind das die European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Damit wird EU-weit die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen vergleichbar und es entsteht die Basis für fundiertere Stakeholder-Entscheidungen, wie z.B. Investitions- oder Kaufentscheidungen.

Die neuen Pflichten zur nichtfinanziellen Berichterstattung greifen zeitlich gestaffelt für unterschiedliche Unternehmensgrößen:

  • Ab dem Geschäftsjahr 2024 ist die CSRD gültig für große Unternehmen von öffentlichem Interesses mit mehr als 500 Mitarbeitern,
  • Ab dem Geschäftsjahr 2025 zusätzlich für alle anderen großen Unternehmen. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die zwei von den drei folgenden Schwellenwerten überschreiten: mehr als 250 Mitarbeiter, 50 Mio. € Umsatz, 25 Mio. € Bilanzsumme,
  • Ab dem Geschäftsjahr 2026 zudem kapitalmarktorientierte KMUs, kleine und nicht-komplexe Institute und firmeneigene Versicherungsgesellschaften (sofern diese nicht Gebrauch machen von einem Aufschub bis 2028),
  • Ab dem Geschäftsjahr 2028 außerdem Unternehmen aus Drittstaaten, die einen Umsatz von mehr als 150 Mio. € in der EU generieren und die in der EU entweder eine Zweigniederlassung mit einem Umsatz von mehr als 40 Mio. € haben oder mindestens ein in der EU niedergelassenes Tochterunternehmen haben, das entweder als groß oder als kapitalmarktorientiertes KMU klassifiziert ist.

Vielen Unternehmen sind die praktischen Folgen unklar

Viele Unternehmen, die in den kommenden Jahren gemäß der CSRD berichten, sind sich noch unsicher, welche Kompetenzen und Prozesse sie aufbauen sollten und wie sich die Anforderungen an die Berichterstattung im gesamten Unternehmen verändern werden.

Die folgenden fünf Denkanstöße zu Einzelaspekten sollen praktische Auswirkungen zeigen und interne Diskussionen anregen. Sie beschreiben die Verknüpfung finanzieller und nichtfinanzieller Informationen, neue erforderliche Inside-out-Perspektiven, den Einbezug der Wertschöpfungskette, die Berichterstattung mit Blick auf die Mitbewerber sowie die organisatorische Neuausrichtung, um die CSRD-Anforderungen zu erfüllen.

  1. Verknüpfung finanzieller und nichtfinanzieller Informationen
    Seit Jahrzehnten dominieren finanzielle Kennzahlen die Berichterstattung der Unternehmen, allen voran vergangenheitsorientierter Umsatz und Gewinn. Gemäß der CSRD in Verbindung mit den ESRS muss eine Vielzahl neuer, nichtfinanzieller Kennzahlen erfasst werden: Unter anderem geht es um weitreichende Themen wie Umwelt, Beschäftigte, Menschenrechte und Korruption. Dabei ist nicht nur die unmittelbare Auswirkung der Unternehmenstätigkeit von Interesse, sondern etwa auch die CO2-Emissionen der Beschäftigten auf dem Weg zur Arbeit, sofern diese wesentlich sind. Ebenfalls zu beachten sind die neuen Angabepflichten im Zusammenhang mit der EU-Taxonomie-Verordnung. Zukünftig werden unternehmerische Aktivitäten sowie die damit verbundenen Umsatzerlöse, Investitionen (CapEx) und Betriebsaufwendungen (OpEx) nach ihrem Beitrag zu einem oder mehreren der folgenden sechs Umweltziele aufgeschlüsselt (soweit zutreffend): Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung oder Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Die Delegierten Rechtsakte der Taxonomie-Verordnung geben für taxonomi-fähige Aktivitäten umweltbezogene Kriterien und auch gewisse soziale Mindestkriterien vor, die erfüllt sein müssen, damit eine Aktivität als taxonomiekonform und damit im Sinne der EU als „nachhaltig“ bezeichnet werden darf. Unternehmen müssen gemäss der Regulierung ihre unternehmerischen Aktivitäten auf Taxonomiefähigkeit und Taxonomiekonformität prüfen und darüber berichterstatten. Im Kern beschreibt die EU-Taxonomie-Verordnung die Details zu dieser Prüfung und Berichterstattung; für deren Anwendung braucht es Expertise und entsprechende Berichterstattungsprozesse in den Unternehmen.
  2. Inside-out-Auswirkungen bewerten
    Viele Unternehmen haben in der Vergangenheit gute Expertise für Scanning und Bewertung möglicher externer Risiken auf das Betriebsgeschehen aufgebaut – eine Outside-in-Perspektive. Die Berichterstattung über diese Risiken beschränkt sich dabei auf einen kurzfristigen Zeitraum. Die CSRD erweitert diese kurzfristige Sichtweise auf längere Zeithorizonte und erwartet zusätzliches Wissen darüber, welche positiven und negativen Auswirkungen das Unternehmen seinerseits auf die Umwelt und Gesellschaft hat (Inside-out-Perspektive). Das Konzept der „doppelten Wesentlichkeit“ ist ein Kernelement der ESRS: potentiell relevante Nachhaltigkeitsthemen (die in ESRS 1.AR 16 aufgelistet sind), wie z.B. Klimawandel, Biodiversität und Ökosysteme, Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit oder Korruption, werden aus der Perspektive zweier Kriterien bewertet. Die finanzielle Wesentlichkeit bewertet zum einen Risiken und Opportunitäten, die mit den Nachhaltigkeitsthemen verbunden sind und die innerhalb von kurz-, mittel- oder langfristigen Zeithorizonten einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung, die Finanzlage, die finanzielle Leistungsfähigkeit, die Cashflows, den Zugang zu Finanzmitteln oder die Kapitalkosten des Unternehmens haben (oder wenn ein solcher Einfluss nach vernünftigem Ermessen zu erwarten ist). Die Wesentlichkeit der Auswirkungen bewertet zum anderen tatsächliche oder potentielle, positive und negative Auswirkungen des Unternehmens auf Mensch und Umwelt in Bezug auf die potentiell relevanten Nachhaltigkeitsthemen, auch innerhalb kurz-, mittel- oder langfristiger Zeithorizonte. Über ein Nachhaltigkeitsthema muss berichterstattet werden, wenn dieses aus der Perspektive der finanziellen Wesentlichkeit oder aus Sicht der Wesentlichkeit der Auswirkungen oder hinsichtlich beider Perspektiven materiell ist. Durch diese Anforderungen der ESRS steigt die Zahl der Berichtsthemen, der Umfang des Lageberichts und die Komplexität der Erfassungs- und Berichterstattungsprozesse erheblich. Dadurch entstehen neue und deutlich komplexere Aufgaben für die Berichterstattung in den Unternehmen.
  3. Die Wertschöpfungskette einbeziehen
    Unternehmen müssen die Anforderungen der CSRD nicht nur für die eigenen Geschäftstätigkeiten bedenken, sondern auch auf ihre gesamte Wertschöpfungskette, also auf die Lieferkette und (Industrie-)Kunden, beziehen. Während der doppelten Wesentlichkeitsanalyse müssen Unternehmen materielle Nachhaltigkeitsthemen in ihrer gesamten Wertschöpfungskette ermitteln und wenn diese wesentlich sind, darüber berichten. Während einige der Unternehmen beispielsweise zu Menschenrechtsthemen in der Lieferkette bereits Prozesse und Managementsysteme aufgebaut haben, ist ein solches Denken im Bereich der CO2-Emissionen immer noch neu. Die Umsetzung der CSRD erfordert also die Zusammenarbeit mit der Lieferkette und (Industrie-)Kunden, um z.B. Daten von Lieferanten zu erhalten, die für eine Berichterstattung gemäß ESRS (z.B. Daten für die Treibhausgasbilanz) vonnöten sind.
  4. Berichten mit Blick auf die Mitbewerber
    Die von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) erarbeiteten ESRS konkretisieren die Berichterstattung und machen diese unternehmens- und branchenübergreifend vergleichbar. Damit wird die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen im Vergleich zu ihren Mitbewerbern deutlich transparenter. Die EU erhöht mit den ESRS und der damit verbundenen externen Prüfung der Berichte ihre Anforderungen an die Datenqualität. So werden die nachhaltigkeitsbezogenen Daten viel stärker als früher nachvollziehbar sein müssen. Intern heißt das auch, dass mehr Schulungsbedarf entsteht und Kontrollschleifen nötig sein werden.
  5. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Organisationsmatrix verankern
    Die verpflichtende Verortung der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Lagebericht führt dazu, dass Nachhaltigkeit stärker in die bestehenden Prozesse der Finanzberichterstattung integriert wird – aus einem immer noch häufig qualitativen Kommunikationsthema wird ein stärker quantitatives Finanzthema. Dabei wird auch die interne Zusammenarbeit komplexer: Über Aktivitäten im Governance-Kontext und zu prozessualen Aspekten der Berichterstattung muss stärker Rechenschaft abgelegt werden. Konzepte, Chancen und Risiken, ergriffene Maßnahmen und Ergebnisse dieser Prozesse müssen transparenter werden – die Koordination zahlreicher Informationsstränge wird nötig.

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Neben mehr Aufwand bietet die Nachhaltigkeitsberichterstattung auch Chancen

All diese Aspekte bedeuten für viele Unternehmen eine Zeitenwende. Aber die Anstrengungen für einen CSRD-Bericht können auch für andere Zwecke genutzt werden. Viele Stakeholder erwarten ohnehin eine belastbarere Kommunikation zu Nachhaltigkeitsthemen als bisher. Wenn dann Transparenz und Reputation steigen, erfüllt die neue Berichterstattung nicht nur gesetzliche Vorschriften, sondern ist auch ein aktives Argument in vielen anderen Bereichen – vom Arbeitgebermarketing über die Finanzkommunikation bis hin zum Umgang mit den Menschen im lokalen Umfeld vor Ort. Darüber hinaus ermöglichen die Analysen den Unternehmen selber wertsteigernde Nachhaltigkeitsfelder entlang der gesamenten Wertschöpfungskette zu identifizieren und mögliche Risiken zu minimieren. Durch die Integration dieser Erkenntnisse in die strategische Ausrichtung lassen sich weitreichende Wertschöpfungspotenziale identifizieren und ausschöpfen.

Fazit

Die EU hat dafür gesorgt, dass Unternehmen künftig viel mehr als bisher zu Nachhaltigkeitsthemen Stellung beziehen. Im Lagebericht werden nichtfinanzielle Aspekte zum ökologischen und sozialen Handeln sowie zur Unternehmensführung deutlich wichtiger werden.

Viele Unternehmen können bisher kaum praktisch abschätzen, was diese Veränderungen für sie bedeuten. Häufig fehlt es noch an Kompetenzen in der Unternehmensberichterstattung.

Fünf Denkanstöße helfen, interne Diskussionen zu starten und Vorbereitungen einzuleiten: zur Verknüpfung von finanzieller und nichtfinanzieller Information, zur Bewertung von Inside-Out Auswirkungen, zum Einbeziehen der Wertschöpfungskette, zur Vergleichbarkeit mit Mitbewerbern sowie zur Organisationsgestaltung.

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