Ein Bauer, der einen Samen in einem kleinen Behälter in einer Gärtnerei pflanzt

ESG Risikomanagement und wie sich Synergien als ESG-Chancen nutzen lassen

Unternehmen müssen immer mehr ESG-Regularien erfüllen und CFOs neue Nachhaltigkeitsaspekte in ihr Tagesgeschäft integrieren. Wer das Thema richtig anpackt, kann nicht nur erhebliche Synergien heben, sondern auch das Risikomanagement stärken.


Überblick

  • ESG erhöht die Anforderungen, schafft Transparenz und setzt Rahmenbedingungen bei gleichzeitig steigenden Kosten. Die Anforderungen werden immer wichtiger.
  • Die Erfassung der Daten und die Umsetzung der Anforderungen sind aufwendig. Doch es gibt Interdependenzen und Potenzial für ein aktives Risikomanagement.
  • Das Nutzen von Synergien in den Themen, Methoden und der Operationalisierung sorgt für eine kosteneffizientere Einhaltung der Vorschriften.

Noch vor einigen Jahren schien es undenkbar: die Pleite eines Unternehmens als direkte Folge von Auswirkungen der Klimakatastrophe. Doch 2019 suchte der größte Energieversorger Kaliforniens genau mit dieser Begründung Gläubigerschutz nach Chapter 11 des Insolvenzrechts. In den Vorjahren waren wegen verheerender Flächenbrände im Norden des US-Bundesstaates milliardenschwere Verbindlichkeiten angewachsen. Ausgedehnte Dürreperioden und lang anhaltende Hitzewellen hatten die Wälder ausgetrocknet. Umstürzende Bäume trafen Hochspannungsleitungen des Konzerns, der ausgelöste Funkenflug fand in den ausgedörrten Wäldern reichlich Futter für Feuer. Mögliche Folgen klimabezogener Risiken und Effekte waren nicht im Risikomanagement berücksichtigt. Für die entstandenen Verluste wurde der Konzern im Rahmen von Prozessen zumindest mit verantwortlich gemacht.

An ESG-Standards kommen Unternehmen schon lange nicht mehr vorbei

Nicht nur Klima- und Emissionsfragen rücken für das Risikomanagement von Unternehmen in den Fokus, auch soziale Standards und Fragen der Governance können erheblichen Einfluss haben, wie das traurige Beispiel des Einsturzes der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch im Jahr 2013 gezeigt hat, bei dem Hunderte Menschen, die dort arbeiteten, ihr Leben verloren. Vielen Verbrauchern wurden die weit verzweigten Lieferketten und die damit oft schwer zu prüfenden Arbeitsbedingungen erst durch die Katastrophe bewusst.

Ohnehin rücken die Standards rund um ökologische, soziale und Governance-Fragen (ESG-Standards) wegen der ständig zunehmenden Regulierung seit Jahren immer stärker in den Fokus von Unternehmen. Inzwischen ist eine Fülle von Vorschriften zu beachten und im Reporting zu berücksichtigen. In den kommenden Jahren werden die Berichtspflichten noch erheblich zunehmen.

Die EU-Taxonomie, das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) sind Beispiele für Regularien, die schon laufen. Die SEC Climate Disclosure, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und Green Claims gehören zu den Regeln, die in den kommenden Monaten eingeführt werden.

Aus Risikoperspektive zeigen sich erhebliche thematische und methodische Synergien

Schon heute erfordern auch anstehende ESG-Regularien erhebliche Aufmerksamkeit für die Risikoeinschätzung, die Ergreifung von Chancen und die Berichterstattung. Die Anforderungen steigen kontinuierlich, häufig mit disparaten Ansätzen im Rahmen unterschiedlicher Arbeitsabläufe. Für die Implementierung, die Datenbeschaffung, die regelmäßige Evaluierung und die Ausführung sind erhebliche Ressourcen erforderlich. Außerdem fehlen Erfahrungswerte. Das gilt für das Personal ebenso wie für die Informationstechnologie, das Accounting und zahlreiche operative Einheiten.

Die gute Nachricht: Thematisch und methodisch eröffnen sich deutliche Synergien zwischen diesen Reporting-Anforderungen und dem Risikomanagement. Zahlreiche Schnittstellen in der Datenbeschaffung und ­verwertung, bei den Methoden und Prozessen lassen sich auch aus der Risikoperspektive nutzen. Risikomanagement, Reporting und andere Bereiche, für die ESG-Vorschriften eine wichtige Rolle spielen, können auf eine gemeinsame Erhebungs- und Datenbasis zugreifen. ESG eröffnet für das Risikomanagement viele Möglichkeiten, zu einem aktiveren Forecasting und Steuerungsinstrument überzugehen, und stellt eine Aufwertung des klassischen Risikomanagements dar.

Ob CSRD, LkSG, CSDDD oder CBAM – überall wird gefordert, die Risiken zu erheben und zu bewerten. Entsprechend kommen diese Erhebungen auch als Datenbasis und Kommunikationskanal für das Risikomanagement infrage. ESG-Regularien eröffnen damit eine entscheidende Chance für ein zukunftsorientiertes Risikomanagement.

ESG-Standards als wesentliches Steuerungsinstrument für das Risikomanagement

Für das Risikomanagement bedeutet das, das Ressort pragmatisch auszurichten, Risikosynergien zu identifizieren und ESG-Kennzahlen als wesentliches Steuerungsinstrument für eine pflichtgemäße Berichterstattung zu nutzen. Sowohl die Methoden als auch die Operationalisierung bieten Potenzial für eine kosteneffizientere Einhaltung der Vorschriften. Das beginnt bei den organisatorischen Strukturen und der Frage, welche Fachbereiche welche Themen aus der CSRD, dem LkSG, der CSDDD oder dem CBAM inwieweit abdecken können und wie effektiv die Schnittstellen aufgebaut sind. Dabei können Aufwände für die Beschaffung und Verarbeitung der Daten durch Berücksichtigung wertvoller Interdependenzen minimiert und die Gesamtaussage für das Unternehmen maximiert werden.

Synergien beschränken sich aber nicht auf thematische Fragen wie Überschneidungen bei der Datensammlung oder Überlappungen unterschiedlicher Regularien auf nationaler und multilateraler Ebene. Ebenso wichtig sind methodologische Synergien, sei es bei der Bewertung der Wesentlichkeit, der Transparenz der Wertschöpfungskette, Präventionsmaßnahmen oder dem Reporting.

Nehmen wir ein Beispiel aus Social. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) behandelt das Thema Zwangsarbeit umfassend im Rahmen der European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Diese Standards erfordern die Offenlegung von wesentlichen Risiken und potenziellen negativen Auswirkungen, die mit Zwangsarbeit verbunden sein könnten, sowohl innerhalb des Unternehmens als auch in seiner Wertschöpfungskette.

Zu den spezifischen Offenlegungspflichten gehört die Identifikation von Bereichen im Unternehmen und geografischen Regionen mit erhöhtem Risiko für Zwangsarbeit. Unternehmen müssen darstellen, wie solche wesentlichen Risiken in der Geschäftsstrategie und im Geschäftsmodell berücksichtigt werden und welche Maßnahmen ergriffen werden, um Zwangsarbeit zu verhindern. Die Prävention von Zwangsarbeit ist ein Beispiel für thematische Überschneidungen zwischen verschiedenen ESG-Regularien. Themenbezogene Parallelen auf detaillierter Ebene zwischen den ESRS, der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) können dabei identifiziert werden.

Des Weiteren wurde von der „Platform on Sustainable Finance“, die von der EU-Kommission etabliert wurde, ein Bericht veröffentlicht, der eine Erweiterung der EU-Taxonomie beschreibt, die in Zukunft ergänzend zu den Umweltzielen auch soziale Ziele umfassen soll („Social Taxonomie“). In diesem Bericht werden verschiedene Sub-Ziele definiert, die unter anderem auf Zwangsarbeit eingehen und vorsehen, „sofortige und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um Zwangsarbeit und Ausbeutung von Arbeitskräften zu beenden, mit besonderem Bezug auf Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund“ (S. 36, Final Report on Social Taxonomy, 02.2022).

Zukunftsorientierte Nutzung im Risikokontext geht deutlich über Steuerungsgrößen hinaus

Risikomanager, die Synergien zwischen den diversen internationalen Vereinbarungen, die für ihr Unternehmen relevant sind, identifizieren, nutzen und bei der Implementierung von Anfang an berücksichtigen, können entsprechend Zeit-, Aufwand- und Kostenvorteile für ihr Unternehmen erzielen.

Die Vorteile gehen aber deutlich über diese direkten Synergien und die Nutzung von ESG-Kennziffern als Steuerungsgrößen hinaus. Die gründliche Auswertung der ESG-Informationen kann die regulatorische Resilienz verbessern, den Kapitalaufwand und Investitionen optimieren, das Performance-Management stärken und zu Anpassungen im Geschäftsmodell führen.

Vom Reporting zur umfassenden Risikoprognose

Aufgabe der Risikomanager ist es auch, den Blick vom oft kurzfristig ausgerichteten Reporting von ESG-Risiken strategisch und langfristig in die Zukunft zu richten. Im Rahmen dieses Paradigmenwechsels werden ESG-Anforderungen Teil des grundsätzlichen Managements von Risiken mit dem Schwerpunkt Risikoprognose.

Gleich mehrere Vorfälle, die bisher als sogenannte „Schwarze Schwäne“ galten – unvorhergesehene, seltene Ereignisse mit erheblichem Einfluss wie die Corona-Pandemie oder ein Krieg auf europäischen Boden –, haben in den vergangenen Jahren deutlich gemacht, dass Risiken regelmäßig neu und auf Szenarien basierend bewertet werden müssen. Das Risikomanagement muss sich darauf einstellen und entsprechend befähigt und vorbereitet werden. Zudem sollte es die Risikobewertungen auf datenbasierte Annahmen und Analysen stützen. ESG-Regularien können einen wichtigen Ansatz liefern, um die Risikoeinschätzung innovativ und dynamisch zu halten. Überraschungen wie die Insolvenz des Energieversorgers in Kalifornien werden so zwar nicht ausgeschlossen, sie können jedoch besser gesteuert werden.

Weitere Informationen aus der ESG Risk Circle Community
 

ESG Risk Conferences Summary

Hier finden Sie die Zusammenfassung und Ergebnisse der ESG Risk Conferences 2023, welche wir an insgesamt sechs Standorten in Deutschland, Österreich und Schweiz mit mehr als 300 Teilnehmern durchführen konnten. 

         

ESG Risk Circle Survey 2024

Hier finden Sie die neuesten ESG-Trends in unserem Survey aus der ESG Risk Circle Community. Der Survey beleuchtet die vielfältigen Ansätze und die fortschreitende Dynamik in der ESG-Praxis und bietet wertvolle Erkenntnisse für Ihre Unternehmensstrategie.

 

Fluss und grüner Wald im Naturpark Tuchola, Luftaufnahme


Auch wenn viele Unternehmen die ESG-Regularien als Herausforderung wahrnehmen, sind die Synergieeffekte und die Möglichkeiten für das Risikomanagement eine große Chance, die Performance zu stärken und sich strategisch übergreifend auszurichten. Eine zentrale Rolle spielt es dabei, die bestehenden Synergien zu erkennen und sie im Unternehmen pragmatisch zu integrieren.

Fazit

Vorgaben zu nachhaltigeren Geschäftspraktiken, sozialen Standards und Governance beeinflussen zunehmend die Strategie und die Unternehmensführung. Insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit ESG-relevanten Daten, Analysen und Berichterstattungen wird gesetzlich gefordert. Damit werden ESG-Standards zu einer wichtigen Stellschraube für die Beurteilung und das Management von Risiken, für das Performance-Management und für das strategische Forecasting.

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