Ein Giessereiarbeiter mit Schutzanzug brennt Metall in einem Ofen der Metallindustrie

Warum der Erwerb sanierter Unternehmen steuerliche Fallstricke birgt

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Steuerfreien Erträgen können Verlustuntergänge gegenüberstehen. Ein Beispiel.

Überblick

  • Der Erwerb sanierungsreifer Unternehmen birgt steuerliche Fallstricke, insbesondere wenn Sanierungsmaßnahmen kurz vor dem Kauf stattfanden.
  • Steuerfreie Sanierungserträge können durch Verlustverrechnungspotenziale gemindert werden, was eine genaue Prüfung der Verwendungsreihenfolge nach § 3a Abs. 3 EStG erfordert.
  • Ein schädlicher Beteiligungserwerb gemäß § 8c KStG kann dazu führen, dass bis zum Erwerbszeitpunkt nicht genutzte Verluste vollständig nicht mehr abziehbar sind.

Der Erwerb sanierungsreifer Unternehmen nimmt zu. Besondere Vorsicht ist jedoch geboten, wenn kurz vor einem Unternehmenskauf Sanierungsmaßnahmen stattfanden – vor allem wenn das erworbene Unternehmen zunächst weiterhin rote Zahlen schreibt. Zwar gibt es mit § 3a EStG seit 2018 eine gesetzliche Grundlage für die Steuerfreiheit von Sanierungserträgen, womit ein steuerlicher Anreiz für den Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen geschaffen wurde, für Erwerber sanierter Unternehmen ist dies aber potenziell mit Fallstricken verbunden. Das nachfolgende Beispiel skizziert die Problematik des Untergangs von Verlustverrechnungspotenzialen beim Erwerb kürzlich sanierter Unternehmen.

Fallbeispiel

Die Tochtergesellschaft (T-GmbH) war seit einigen Jahren defizitär. Die Mutter (M-GmbH) plante deren Veräußerung. Dafür wurde die T-GmbH in der ersten Jahreshälfte 01 – neben anderen umfangreichen Maßnahmen – durch einen Schuldenerlass der M-GmbH saniert. Dadurch entstand bei der T-GmbH ein Buchgewinn, der als steuerfreier Sanierungsertrag gem. § 3a EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG zu berücksichtigen war. Die T-GmbH wies jedoch auch nach dem Schuldenerlass durch die M-GmbH ein negatives Kapital auf und erzielte weiterhin negative Einkünfte. Die M-GmbH fand in der zweiten Jahreshälfte 01 einen Käufer und veräußerte 100 Prozent ihrer Anteile an der T-GmbH zu einem Preis von 1 Euro.

Grafik: Unterjaehriger Erwerb der T-GmbH durch den Kaeufer im Sanierungsjahr

Verwendung des Sanierungsertrags

Um eine doppelte Begünstigung des Steuerpflichtigen – in diesem Fall die T-GmbH – zu vermeiden, sieht § 3a Abs. 1 Satz 2 EStG zunächst eine Minderung des Sanierungsertrags im Sanierungsjahr und im Folgejahr eine gewinnmindernde Ausübung steuerlicher Wahlrechte vor. Darüber hinaus wird gem. § 3a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1–13 EStG die Verrechnung des steuerfreien Sanierungsertrags (abzüglich der nicht abziehbaren Sanierungskosten) mit verschiedenen Verlustpositionen des sanierten Unternehmens in einer vorgegebenen Reihenfolge angeordnet. In unserem Beispiel werden nacheinander die folgenden – für die T-GmbH relevanten – Positionen durch den steuerfreien Sanierungsertrag verbraucht:

  • der Verlust des Sanierungsjahrs
  • die zum Ende des Vorjahres gesondert festgestellten Verluste nach § 10d Abs. 4 EStG
  • die Verlustrückträge aus dem Folgejahr und dem zweiten Folgejahr (ungeachtet der Höchstbetragsbegrenzung auf 1 Million Euro, allerdings nur, soweit der Höchstbetrag durch den verbleibenden Sanierungsertrag nicht überschritten wird)

Der nach allen Abzügen des § 3a Abs. 3 Satz 2 und 3 EStG noch bestehende Restbetrag wird als verbleibender Sanierungsertrag bezeichnet und bleibt endgültig steuerfrei.

Verlustuntergang

Durch den Anteilseignerwechsel bei der T-GmbH ist auch § 8c KStG zu beachten. Im Beispielfall liegt unterjährig ein schädlicher Beteiligungserwerb gem. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG vor (vollständiger Anteilseignerwechsel). Bis zum Erwerbszeitpunkt nicht genutzte Verluste der T-GmbH sind damit vollständig nicht mehr abziehbar. Im hier dargestellten Sachverhalt waren darüber hinaus die Vorschriften des § 8c Abs. 1a KStG sowie des § 8d KStG nicht erfüllt.

Zusammenspiel der Vorschriften

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Konkurrenz des Verlustuntergangs bzw. -abzugs zwischen den beiden Vorschriften. Nach § 8c KStG findet eine anteilseigner- und stichtagsbezogene Betrachtung statt. Dagegen gibt § 3a EStG eine unternehmens- und jahresbezogene Betrachtung vor. § 8c Abs. 2 KStG führt hierzu jedoch explizit aus, dass die Verlustverrechnung des § 3a Abs. 3 EStG erst nach § 8c Abs. 1 KStG anzuwenden ist. Demnach gehen die bis zum Erwerbszeitpunkt aufgelaufenen Verluste der T-GmbH endgültig unter. Für die Verrechnung mit dem steuerfreien Sanierungsertrag stehen nur noch die nach dem Erwerbszeitpunkt entstehenden Verluste des Sanierungsjahres und der beiden Folgejahre zur Verfügung.

Grafik: Verlustuntergang und Verlustverrechnung bei der T-GmbH

Vorbehaltsklausel

Bei defizitären Unternehmen wird in vielen Fällen auch nach dem Erwerbszeitpunkt über einen gewissen Zeitraum hinweg mit negativen Ergebnissen zu rechnen sein. Wenn solche Verluste dann unerwartet nicht zur Verfügung stehen, kann es beim Erwerber zu einer bösen Überraschung kommen. In den meisten Fällen wird das Risiko bzgl. des Untergangs von Verlustverrechnungspotenzialen beim Erwerber liegen. Die künftigen Ertragsaussichten fließen in den Kaufpreis ein. Sollte die Höhe eines steuerfreien Sanierungsertrags im Rahmen der Verkaufsverhandlungen unbekannt sein, empfiehlt sich ggf. die Aufnahme einer entsprechenden Vorbehaltsklausel über eine mögliche rückwirkende Anpassung des Kaufpreises.

Alternative

In manchen Fallkonstellationen mag sich auch eine übertragende Sanierung empfehlen. Der Geschäftsbetrieb wird hierfür von der alten in eine neu zu gründende Gesellschaft überführt. Die Schulden verbleiben in der Altgesellschaft. Die Altgesellschaft wird liquidiert. In diesem Fall entstehen keine Sanierungserträge. Die in der neu gegründeten Gesellschaft entstehenden Verluste blieben jedoch für eine zukünftige Gewinnverrechnung nutzbar.

Grafik: Beantragte Regelinsolvenzen

Autor:innen: Nadja Pelzer, Florian Behne

Fazit

Der skizzierte Beispielfall und die damit verbundenen Überlegungen verdeutlichen: Die Berücksichtigung steuerfreier Sanierungserträge sowie die Prüfung der Verlustverrechnung nach der Verwendungsreihenfolge des § 3a Abs. 3 EStG ist beim Erwerb sanierter Unternehmen unerlässlich. Dies betrifft vor allem Fälle eines Erwerbs im Sanierungsjahr und wenn der Erwerber weiterhin mit negativen Einkünften beim erworbenen Unternehmen rechnen muss.

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