Ein Steuerpflichtiger ist nach § 153 Abs. 1 AO grundsätzlich verpflichtet, eine unrichtige oder unvollständige Steuererklärung dem Finanzamt unverzüglich anzuzeigen und sie richtigzustellen. Diese Pflicht wird nun erweitert. § 153 Abs. 4 AO bestimmt, dass die Anzeige- und Berichtigungspflicht auch dann besteht, wenn es im Rahmen einer Außenprüfung zu einer Korrektur der Besteuerungsgrundlagen kommt und der in Rede stehende Sachverhalt auch für andere Steuererklärungen, insbesondere in den Folgeveranlagungszeiträumen, relevant ist. Dies kann neben Korrekturen bei Abschreibungen und Rückstellungen auch weitere komplexe steuerliche Sachverhalte betreffen, etwa die Verrechnungspreisgestaltung von Dauersachverhalten, umsatzsteuerliche Vorgänge oder steuerliche Bewertungen. Die Anzeige- und die sich anschließende Berichtigungspflicht setzen konkret dann ein, wenn sich der Inhalt der Prüfungsfeststellung in einem Steuerbescheid niedergeschlagen hat und dieser unanfechtbar geworden ist. Sie lässt sich also nur mit einem Einspruch hinauszögern bzw. – im Falle einer Abhilfe – abwenden.
Gilt auch für nicht geprüfte Steuerzeiträume
Die Erweiterung der Norm erfolgt im Rahmen des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes (PStTG) vom 20. Dezember 2022, auch als DAC7-Umsetzungsgesetz bezeichnet. Ziel ist vor allem eine Beschleunigung der Außenprüfung. Bei sämtlichen Unternehmen ist die Anpassung der steuerlichen Auswirkungen für die Folgejahre basierend auf den Vorprüfungen zukünftig durch den Steuerpflichtigen selbst vorzunehmen. Diese Aufgabe wurde bislang durch die Außenprüfung durchgeführt und nahm viel Zeit in Anspruch. Zweck ist es, dass Feststellungen auch für nicht geprüfte Steuerzeiträume umgesetzt werden. Anzuwenden ist die Regelung auf Steuern, die nach dem 31. Dezember 2024 entstehen. Allerdings greift die neue Norm auch für Steuern, die schon vorher entstehen, wenn für diese nach dem 31. Dezember 2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.
Aktives Handeln erforderlich
Die Pflicht nach § 153 AO, das Finanzamt über Fehler in Steuererklärungen zu informieren und diese zu korrigieren, gilt nicht nur für Einzelpersonen oder Unternehmen, sondern auch für Rechtsnachfolger – also für diejenigen, die rechtlich an die Stelle eines anderen treten – sowie für Personen, die gesetzlich zur Vertretung verpflichtet sind. Man muss keine spezielle Form einhalten, um solche Fehler zu melden oder zu korrigieren. Wenn man eine korrigierte Steuererklärung einreicht, gilt das als stillschweigende Erfüllung dieser Pflicht. Beharrt man jedoch auf einer Meinung, die zwar vertretbar ist, aber nicht mit den Ergebnissen der Steuerprüfung übereinstimmt, und ändert man die Erklärung deshalb nicht, zählt das nicht als stillschweigende Meldung oder Korrektur.
Verhältnis von Abs. 1 zu Abs. 4
Das Verhältnis von § 153 Abs. 1 AO zu § 153 Abs. 4 AO ist auslegungsbedürftig. Ersterer sieht eine Anzeige- und Berichtigungspflicht in Fällen vor, in denen ein Steuerpflichtiger nach Abgabe einer Erklärung eine Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit erkennt, die zu einer Steuerverkürzung führt. Anzeige und Berichtigung müssen hier unverzüglich erfolgen. Abs. 4 stellt dagegen auf die (subjektive) Wertung dieser Tatsachen bzw. rechtlichen Schlussfolgerungen des Betriebsprüfers ab. Er stellt somit keine lex specialis zu Abs. 1 dar, sodass beide Regelungen gleichrangig nebeneinanderstehen.
Vorsatz oder Leichtfertigkeit
Steuerstrafrechtliche Konsequenzen können sich aus einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung gemäß § 378 AO ergeben. Die Möglichkeit, wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung belangt zu werden, ist jedoch begrenzt, wenn man bereits von einem Fehler weiß und diesen umgehend korrigiert hat, wie es § 153 Abs. 1 AO vorschreibt. Dieser Paragraf verlangt, dass man Fehler in der Steuererklärung sofort meldet und berichtigt, sobald man davon erfährt und bevor die Frist abläuft, in der das Finanzamt die Steuer festsetzen kann. Neu hinzugekommen ist dagegen das Problem, dass § 153 Abs. 4 AO nicht mehr nur an „echte” Fehler anknüpft, sondern die Berichtigungspflicht unmittelbar an die tatsächliche und rechtliche Auffassung der Betriebsprüfung knüpft. Ob diese richtig oder falsch ist, spielt für das Entstehen der Berichtigungspflicht keine Rolle. Streitvermeidende Einigungen nach Abschluss einer Außenprüfung sind in der Folge einem bisher nicht bestehenden strafrechtlichen Risiko ausgesetzt. Hier ist künftig größte Vorsicht geboten.
Verrechnungspreise und Umsatzsteuer
Insbesondere im Bereich der Verrechnungspreise und der Umsatzsteuer ergeben sich durch die neue Fortschreibungs- und Berichtigungspflicht des § 153 Abs. 4 AO einige spezielle Fragestellungen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Betriebsprüfer zuletzt in Einzelfällen die Bußgeld- und Strafsachenstelle eingeschaltet haben, wenn Kompromissansätze, auf die sich Steuerpflichtige in Betriebsprüfungen „um des lieben Friedens willen“ eingelassen hatten, in Folgejahren nicht fortgeführt wurden. Die Begründung lautet in diesen Fällen: Verstoß gegen die Berichtigungspflicht des § 153 Abs. 1 AO. Hinzu kommt die in der Gesetzesbegründung erwähnte Fortschreibung für Folgezeiträume. Insbesondere die Tatbestandsmerkmale der „Unanfechtbarkeit“ und der zur „Änderung der Besteuerungsgrundlagen führenden Sachverhalte“ sind für Verrechnungspreisfälle wie auch für die Umsatzsteuer von erheblicher Bedeutung.
Co-Autor: Dr. Nevada Melan