Abgeltungsteuer doch verfassungswidrig?

Laut Pressemitteilung vom 31.03.2022 hält das Niedersächsische FG den auf private Kapitaleinkünfte anzuwendenden Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent für nicht vereinbar mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG an und legt die betroffenen Vorschriften dem BVerfG zur Prüfung vor. 

Seit der Einführung der Abgeltungsteuer ab dem 01.01.2009 werden private Einkünfte aus Kapitalvermögen, also z.B. Zinsen, Dividenden, mit einem abgeltenden Steuersatz in Höhe von 25 Prozent zzgl. Soli und ggf. Kirchensteuer versteuert (§ 32d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43 Abs. 5 EStG).

Laut einer Pressemitteilung vom 31.03.2022 nimmt das Niedersächsische FG mit Beschluss vom 18.03.2022 (7 K 120/21) Stellung zur Abgeltungsteuer in den in 2013, 2015 und 2016 geltenden Fassungen. Für die Finanzrichter verstoßen die Vorschriften zur Abgeltungsteuer gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Gebot der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten und einer gleichmäßigen Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Die Abgeltungsteuer führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen Beziehern privater Kapitaleinkünfte und den übrigen Steuerpflichtigen, die einem Steuersatz von bis zu 45 Prozent nach § 32a EStG unterliegen.

Der Verstoß sei laut FG nicht (mehr) gerechtfertigt. Die bei der Einführung der Norm angeführten Rechtfertigungsgründe (u.a. Verwirklichung eines effektiven Steuervollzugs) genügen nach seiner Auffassung den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Insbesondere sei die Erforderlichkeit der Regelung zwischenzeitlich entfallen, da sich seit 2009 die Möglichkeiten der Finanzverwaltung, im Ausland befindliches Vermögen zu ermitteln, stark verbessert hätten. Weitere Rechtfertigungsgründe seien nicht ersichtlich.

Der BFH hatte sich bereits 2014 in einer Reihe von Entscheidungen zu verschiedenen, auch verfassungsrechtlichen Fragen der Abgeltungsteuer geäußert (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 29.04.2014, VIII R 9/13, VIII R 44/13, VIII R 35/13 sowie vom 14.05.2014, VIII R 31/11). Anders als nunmehr das Niedersächsische FG sah der BFH dort die Privilegierung der Einkünfte aus Kapitalvermögen gegenüber anderen progressiv besteuerten Einkunftsarten als verfassungsgemäß an.

Der vollständige Vorlagebeschluss des Niedersächsischen FG soll am 27.04.2022 veröffentlicht werden. Es bleibt abzuwarten, wie sich das BVerfG zur Auffassung des FG zur Verfassungswidrigkeit der Abgeltungsteuer positionieren wird.

 

Weitere Publikationen von EY
Nutzen Sie unser neues Email Preference Center, um sich für den Erhalt des eNewsletter Tax und anderen Medien zu registrieren oder diese anderen Kolleg:innen zu empfehlen. 

Sind Sie schon registriert? Dann können Sie hier Ihre Präferenzen anpassen.