Der BFH äußert sich erneut zur Voraussetzung der finanziellen Eingliederung bei ertragsteuerlichen Organschaften. Sieht die Satzung der Organgesellschaft generell für Gesellschafterbeschlüsse eine qualifizierte Mehrheit vor, muss der Organträger laut BFH auch über eine solche qualifizierte Stimmrechtsmehrheit verfügen.
Voraussetzung für eine körperschaftsteuerliche Organschaft i.S.d. § 14 Satz 1 Nr. 1 KStG ist u.a. die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger, mithin die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft, ab dem Beginn desjenigen Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft, für welches die Organschaft erstmals greifen soll.
Im zugrundeliegenden Sachverhalt hielt der Organträger (GmbH) 79,8 Prozent der Stimmrechte an der Organgesellschaft (GmbH). Der Gesellschaftsvertrag der Organgesellschaft sah für sämtliche Gesellschafterbeschlüsse allerdings eine qualifizierte Mehrheit von 91 Prozent vor. Das Finanzamt verneinte daher eine finanzielle Eingliederung und damit auch die Organschaft. Diese Einschätzung wurde durch die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Dem folgte nun auch der BFH (BFH-Urteil vom 09.08.2023, I R 50/20).
Für die finanzielle Eingliederung ist auf die Mehrheit der Stimmrechte abzustellen, wofür laut BFH prinzipiell die gesellschaftsrechtlichen Regelungen maßgeblich sind. In diesem Zusammenhang weist der BFH darauf hin, dass die Stimmrechtsmehrheit grundsätzlich nicht durch schuldrechtliche Vereinbarungen über Stimmrechte (etwa Stimmbindungsverträge und Stimmrechtsvollmachten) beeinflusst wird, sofern mit diesen kein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen verbunden ist.
Grundsätzlich reicht nach den gesellschaftsrechtlichen Regelungen (§ 133 Abs. 1 AktG, § 47 Abs. 1 GmbHG) eine einfache Mehrheit für die erforderliche „Stimmrechtsmehrheit“ aus. Sieht die Satzung jedoch davon abweichend eine höhere (qualifizierte) Mehrheit vor, muss der Organträger laut BFH über diese Mehrheit auch tatsächlich verfügen, da er nur so seinen Geschäftsleitungswillen in der Organgesellschaft durchsetzen könne. Dies gilt für den BFH jedenfalls explizit für solche Fälle, in denen (wie im vorliegenden Fall) laut Gesellschaftsvertrag generell eine qualifizierte Mehrheit für Gesellschafterbeschlüsse vorgesehen ist. Der BFH lässt die Frage offen, ob für die finanzielle Eingliederung auch dann eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist, wenn diese nur für einen Teil der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bestimmt ist. Unbeantwortet blieb auch die Frage, ob in diesem Fall wegen der besonderen Organschaftsrelevanz dann allein auf die Regelungen zu den die Ergebnisabführung betreffenden Beschlüssen oder stattdessen auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen ist. Jedenfalls dürften laut BFH satzungsmäßige qualifizierte Mehrheitserfordernisse für außerordentliche Beschlüsse (wie bspw. Satzungsänderungen oder Umwandlungen) grundsätzlich keine Rolle spielen.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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