Die Frage der Anerkennung einer grenzüberschreitenden Verlustverrechnung zwischen Gesellschaften unter Übertragung der vom EuGH erstmals in dem Urteil Marks & Spencer aufgestellten Grundsätze auf die deutschen Organschaftsregeln bleibt vorerst ungeklärt. Laut BFH setze dies zumindest voraus, dass die von der Tochtergesellschaft erwirtschafteten Verluste von der Muttergesellschaft nach Maßgabe des nationalen Rechts tatsächlich getragen worden sind.
Im konkreten Fall war strittig, ob die Verluste der französischen Tochterkapitalgesellschaft, die im Streitjahr 2012 ihren aktiven Betrieb einstellte und aufgelöst wurde, bei der deutschen Muttergesellschaft (GmbH) zu berücksichtigen sind. Das Schleswig-Holsteinische FG verneinte die Verlustberücksichtigung wegen dem fehlenden Inlandsbezug der Tochterkapitalgesellschaft und mangels Bestehens einer verbindlichen schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen Tochter- und Muttergesellschaft, die jedenfalls eine Verpflichtung zur Verlustübernahme der Tochtergesellschaft beinhalten müsse (Urteil vom 13.03.2019, 1 K 218/15).
Dies bestätigt der BFH mit Urteil vom 09.08.2023 (I R 26/19). Dabei führt der BFH aus, dass für die grenzüberschreitende Verlustverrechnung zumindest die tatsächliche Verlusttragung durch die inländische Muttergesellschaft nach Maßgabe der §§ 14 ff. KStG erforderlich ist. Dabei reiche eine Verlustübernahme (erst) zum Zeitpunkt der Finalität der Verluste im Streitjahr nicht aus. Offen gelassen hat der BFH die Frage, ob die finalen Verluste der ausländischen Tochterkapitalgesellschaft über eine unionsrechtskonforme Auslegung der §§ 14 ff. KStG unter Verzicht auf das Erfordernis eines Gewinnabführungsvertrags im Inland abzugsfähig sein könnten. Aus dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Marks & Spencer (EuGH-Urteil vom 13.12.2005, C-446/03) lasse sich jedenfalls nicht entnehmen, dass die Verlustverrechnung ohne eine zumindest faktisch gelebte Organschaft möglich sein könnte. Auch ergebe sich eine voraussetzungslose Abzugsfähigkeit finaler Verluste über die Grenze weder aus nationalem Recht noch sei sie unionsrechtlich geboten.
Die Voraussetzung der tatsächlichen Verlusttragung nach Maßgabe der §§ 14 ff. KStG war im konkreten Fall nicht erfüllt. Daher musste der BFH dem EuGH nicht die Frage vorlegen, ob das Erfordernis des Gewinnabführungsvertrags in § 14 Abs. 1 KStG unionsrechtsmäßig ist und ob und inwieweit das zu ausländischen Betriebsstätten ergangene EuGH-Urteil vom 22.09.2022 (C-538/20) auf die hier einschlägige Konstellation einer ausländischen Tochtergesellschaft übertragbar ist.
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