BFH zur Personengesellschaft als umsatzsteuerliche Organgesellschaft

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13 April 2023
Bereich Umsatzsteuer

Personengesellschaften können laut EuGH auch dann Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein, wenn der Organträger nicht zu 100 Prozent an ihr beteiligt ist. Das heißt, es dürfen neben dem Organträger auch Personen Gesellschafter einer KG sein, die nicht finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sind. Mit diesem Paukenschlag widersprach der EuGH der Auffassung der Finanzverwaltung im Jahr 2021. Der BFH schließt sich nun in geänderter Rechtsprechung dieser Auffassung an. 

Bislang hatten der BFH und die Finanzverwaltung vorausgesetzt, dass eine Personengesellschaft nur dann Organgesellschaft sein könne, wenn der Organträger (mittelbar oder unmittelbar) sämtliche Anteile an ihr halte. Sobald also ein fremder Dritter an der Personengesellschaft beteiligt war, konnte diese Personengesellschaft nicht mehr Organgesellschaft sein. Wohingegen bei einer Körperschaft aber die mehrheitliche Beteiligung an den stimmberechtigenden Anteilen für die finanzielle Eingliederung genügt. Dieser einschränkenden Auslegung in Bezug auf Personengesellschaften hatte der EuGH einer Absage erteilt (Urteil vom 15.04.2021, C-868/19, vgl. Steuernachricht vom 15.04.2021).

Der BFH hat sich nun der EuGH-Rechtsprechung angeschlossen und geurteilt, dass eine Personenhandelsgesellschaft mit einer „kapitalistischen Struktur“ doch Organgesellschaft sein könne. Auch nach der nun geänderten Auffassung des BFH ist es unschädlich, wenn neben dem Organträger auch fremde dritte Personen, die nicht finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sind, an der Personenhandelsgesellschaft beteiligt sind (BFH, Urteil vom 16.03.2023, V R 14/21 (V R 45/19)). Das Urteil lässt aber die Frage zurück, ob der BFH weiterhin davon ausgeht, dass eine Personengesellschaft vollständig in den Organträger eingegliedert sein muss, wenn sie nicht kapitalistisch strukturiert ist. Zudem ist der Begriff einer kapitalistischen Struktur ein Stück weit unbestimmt.

Seine geänderte Rechtsprechung schränkt der BFH zudem verfahrensrechtlich ein. Organträger und Organgesellschaft könnten für einen gegebenen Veranlagungszeitraum nicht gegenläufig besteuert werden. Es sei somit nicht möglich, dass einerseits die Organgesellschaft auf ihrer Ebene aufgrund der geänderten Rechtsprechung als Teil des Organkreises behandelt werde, der Organträger aber andererseits aufgrund der bisherigen, nun überholten Rechtsprechung (noch) als Organträger ohne die Personengesellschaft als Organgesellschaft. Der Organträger, zu dessen Gunsten der Änderungsschutz nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO wirken würde, müsse diesen Schutz durch die Stellung eines Änderungsantrags entfallen lassen, um so die Besteuerung der Umsätze der Organgesellschaft bei sich als Organträger zu ermöglichen. Ob diese Einschränkung durch den Grundsatz von Treu und Glauben gedeckt ist, wie der BFH meint, ist zweifelhaft.

Ob die Finanzverwaltung bei einer unterstellten sich anschließenden Änderung ihrer Auffassung eine Nichtbeanstandungsregelung für die Vergangenheit ausspricht, mag nicht allzu unwahrscheinlich sein, bleibt aber abzuwarten. Wie schon bei Verkündung des EuGH-Urteils darauf hingewiesen, sollten jedenfalls Steuerpflichtige, die auch für die Vergangenheit einen Vorteil aus der geänderten Rechtsprechung haben können, bereits jetzt handeln, wenn für vergangene Veranlagungszeiträume droht, dass diese verfahrensrechtlich nicht mehr geändert werden können.

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

Direkt zum BFH-Urteil kommen Sie hier.

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