Die Folgen der Wegzugsbesteuerung greifen auch bei unentgeltlicher Übertragung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung (§ 17 EStG) auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person. Dafür bedarf es laut BFH keines Ausschlusses oder keiner Beschränkung des nationalen Besteuerungsrechts.
Im Privatvermögen gehaltene Beteiligungen in Höhe von mindestens 1 Prozent (mittelbar oder unmittelbar, § 17 EStG) unterliegen der Wegzugsbesteuerung des § 6 AStG. Neben dem Wegzug (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AStG n.F.) unterliegen auch die unentgeltliche Übertragung einer solchen wesentlichen Beteiligung an eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 AStG n.F.) sowie vorbehaltlich dieser beiden Tatbestände auch der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 AStG n.F.) der Wegzugsbesteuerung.
Für den BFH ist der Ersatztatbestand der unentgeltlichen Anteilsübertragung nicht dahingehend einschränkend auszulegen, dass durch die unentgeltliche Anteilsübertragung auf den beschränkt Steuerpflichtigen das Recht Deutschlands zur Besteuerung der in den unentgeltlich übertragenen Anteilen ruhenden stillen Reserven ausgeschlossen oder beschränkt werden müsste (BFH-Urteil vom 08.12.2021, I R 30/19).
Im konkreten Fall, der noch zu der vor der Änderung durch das ATAD-Umsetzungsgesetz geltenden Fassung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG erging, übertrug ein Vater einen i.S.d. § 17 EStG wesentlichen GmbH-Anteil teilentgeltlich an seinen in den USA ansässigen Sohn. Das Vermögen der GmbH bestand im Zeitpunkt der Übertragung überwiegend aus in Deutschland belegenem Grundvermögen, so dass nach dem einschlägigen DBA USA das Besteuerungsrecht an den stillen Reserven der GmbH weiterhin Deutschland zustand. Dennoch bejahte der BFH für den unentgeltlichen Teil der Anteilsübertragung den Ersatztatbestand der Wegzugsbesteuerung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG a.F. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei der in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG a.F. (jetzt § 6 Abs. 1 Nr. 3 AStG) normierte Ausschluss bzw. Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts nicht in die Norm des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG a.F. (jetzt § 6 Abs. 1 Nr. 2 AStG) hineinzulesen. Auch verneinte der BFH eine einschränkende Auslegung aus verfassungsrechtlicher Sicht, da laut BFH die abstrakte Gefahr einer Vermögensumschichtung und daher eines Herausfallens aus der DBA-Norm als Grund für den direkten Steuerzugriff bestand. Eine einschränkende Auslegung war für den BFH auch nicht aus unionsrechtlicher Sicht geboten. Eine Berufung auf die einschlägige Kapitalverkehrsfreiheit schied für den BFH aus, da der Bestandsschutz der sog. „Standstill-Klausel“ (Art. 64 Abs. 1 AEUV) greift.
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