Gebäude-AfA bei kürzerer tatsächlicher Nutzungsdauer

Das BMF äußert sich zur Inanspruchnahme der Gebäude-AfA nach der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer. Entgegen der Auffassung des BFH, der die Darlegung der kürzeren Nutzungsdauer nicht von der Vorlage eines Bausubstanzgutachtens abhängig machte, verlangt die Finanzverwaltung grundsätzlich die Vorlage eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten oder speziell akkreditierten bzw. zertifizierten Sachverständigen. Der Gutachtenzweck muss sich dabei ausdrücklich auf den Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer richten.

Bei der Absetzung für Abnutzung (AfA) für Gebäude ist grundsätzlich gem. § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG von typisierten Prozentsätzen in Abhängigkeit von u.a. Nutzungsart und Datum des Bauantrags auszugehen. Liegt eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer vor, kann diese ausnahmsweise anstelle des typisierten AfA-Satzes herangezogen werden (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG).

Der BFH entschied kürzlich, dass sich der Steuerpflichtige zum Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer eines Gebäudes für AfA-Zwecke grundsätzlich jeder geeigneten Darlegungsmethode bedienen darf (BFH-Urteil vom 28.07.2021, IX R 25/19). Als Reaktion darauf war im Rahmen des JStG 2022 zunächst geplant, § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zu streichen. Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum JStG 2022 wurde die Möglichkeit zum Ansatz einer kürzeren Nutzungsdauer für Gebäude dann jedoch letztlich nicht abgeschafft. Nun reagiert die Finanzverwaltung auf die BFH-Rechtsprechung und legt mit Schreiben vom 22.02.2023 fest, in welchem Rahmen sie eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer als nachgewiesen sieht. Grundsätzlich bedarf es einer konkreten Rechtfertigung, dass das Gebäude vor Ende des typisierten AfA-Zeitraums wirtschaftlich oder technisch verbraucht ist (Rn. 6 ff.).

Laut BMF rechtfertigt die alleinige Abbruch- oder Veräußerungsabsicht noch keine kürzere Nutzungsdauer. Vielmehr muss der Zeitpunkt der Nutzungsbeendigung des Gebäudes feststehen. Erforderlich sind daher z.B. konkrete Abbruchvorbereitungen oder eine Abbruchsverpflichtung des Steuerpflichtigen (Rn. 9). Für besondere Betriebsgebäude oder bestimmte Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, kann eine kürzere Nutzungsdauer ohne besondere Nachweispflicht angenommen werden (Rn. 10 ff.).

Weiter legt das Schreiben die für die Schätzung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer maßgeblichen Kriterien fest (Rn. 17 ff.). Hierzu gehören der technische Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können. Zur Nachweisführung des Steuerpflichtigen ist nach Auffassung des BMF ein Sachverständigengutachten vorzulegen, das sich ausdrücklich auf den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer richtet und zwingend die o.g. Kriterien berücksichtigt (Rn. 22 ff.). Dabei ist ein Bausubstanzgutachten nicht erforderlich. Die Finanzverwaltung stellt auch Anforderungen an die Person des Gutachters / Sachverständigen. Bei diesem muss es sich um einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen oder um Personen handeln, die von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken nach entsprechender Norm zertifiziert worden sind. Die Übernahme der Restnutzungsdauer aus einem Verkehrswertgutachten oder die Verwendung der Modelle bzw. Modellansätze der ImmoWertV reichen laut BMF nicht aus.

Das Schreiben ist ab dem Zeitpunkt seiner Bekanntgabe im BStBl. in allen offenen Fällen anzuwenden. Da BMF-Schreiben die Gerichte nicht binden, bleibt es betroffenen Steuerpflichtigen unbenommen, entsprechende Fälle ggf. in der Erwartung durchzuklagen, dass der BFH erneut nach den Grundsätzen seines Urteils vom 28.07.2021 (IX R 25/19) entscheidet.

Der Volltext des Schreibens steht Ihnen auf der Internetseite des BMF zur Verfügung.

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