In den vergangenen Monaten konnten Ausschüsse ihre Anpassungsvorschläge zur im Juli 2021 durch die Europäische Kommission vorgelegten Beschlussfassung des Verordnungsentwurfs für den europäischen CO2-Grenzausgleich (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) vorlegen. Die nun durch den Umweltausschuss des Europäischen Parlaments eingereichten Änderungen könnten dazu führen, dass der CBAM wie von der EU-Kommission geplant oder sogar beschleunigt umgesetzt und ausgeweitet werden soll.
Wichtige Punkte der vorgeschlagenen Kohlenstoffgesetzgebung für die Wirtschaft sind:
- Der EU-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, „CBAM“) wird bei der Einfuhr bestimmter energie- bzw. emissionsträchtiger Produkte in die EU einen Preis auf die bei der Herstellung entstandenen Emissionen erheben, um sicherzustellen, dass ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen in der EU nicht zur Abwanderung emissionsintensiver Industries führen („Carbon Leakage“).
- Ein schnelleres Auslaufen der kostenfreien Zuteilung von Emissionszertifikaten für die Produktion von Waren in der EU, wenn diese unter den CBAM fallen. Außerdem sollen u.a. die Emissionen des Luftverkehrs sowie Energieerzeugnisse zur Verwendung als Treib- oder Heizstoff dem EU-Emissionshandelssystem (ETS) unterfallen.
- Die Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe schreibt vor, dass Flugzeuge und Schiffe in großen Häfen und Flughäfen Zugang zu sauberem Strom haben müssen.
- Mit einer Überarbeitung der Richtlinie zur Energiebesteuerung wird vorgeschlagen, die Besteuerung von Energieerzeugnissen mit der Energie- und Klimapolitik der EU in Einklang zu bringen. Im Ergebnis werden Mindeststeuersätze erhöht, die Besteuerung von Volumen auf Energiegehalt umgestellt und zahlreiche Steuerbefreiungen bzw. Entlastungstatbestände sollen entfallen oder reduziert werden.
Neueste Informationen zum EU-Grenzausgleichsmechanismus (02.03.2022)
Der CBAM-Verordnungsvorschlag muss nun vom Europäischen Parlament (EP) und dem Rat verabschiedet werden. Gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren ist der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) des EP der zuständige Ausschuss für CBAM. Der ENVI hat die erste Lesung des Vorschlags durchgeführt und dem Europäischen Parlament im Dezember 2021 seine Empfehlung vorgelegt.
Andere betroffene Ausschüsse, wie der Ausschuss für internationalen Handel (INTA), der Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) und der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI), haben ebenfalls ihre Empfehlungen an das ENVI übermittelt, damit sie bei der Änderung des CBMA-Vorschlags im Januar 2022 berücksichtigt werden können.
Die Empfehlung des EP-Mitglieds und ENVI-Berichterstatters für den CBAM-Vorschlag, Mohammed Chahim, wird als eine wesentliche Änderung des ursprünglichen Entwurfs angesehen, die auf eine rasche Einführung mit größerer Reichweite abzielt. Auch die Empfehlungen anderer Ausschüsse gehen in dieselbe Richtung.
Die Zusammenfassung des CBAM-Vorschlags und der Empfehlungen des ENVI und anderer Ausschüsse lautet wie folgt:
- Beschleunigte Abschaffung der kostenlosen Zuteilung von EU-Emissionszertifikaten: Der ENVI schlägt vor, die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten im EU-Emissionshandel in den Sektoren, für die der CBAM eingeführt wird, bereits ab dem 01.01.2024 in einem mehrstufigen Verfahren zu reduzieren und bis zum 31.12.2028 vollständig einzustellen. Das Auslaufen soll sicherstellen, dass importierte Waren, für welche die CBAM-Regelung angewandt wird, im Vergleich zu in der EU hergestellten Waren derselben Klasse nicht ungerecht behandelt werden. Der Plan bedeutet, dass die EU-Hersteller von Waren, die unter das ETS fallen, noch schneller Kohlenstoffemissionen zurückführen müssten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wenn dem CBAM unterliegende aus Drittländern (außer den Ländern der Europäischen Freihandelsassoziation) in die EU eingeführt werden, sind höhere Einstandskosten zu berücksichtigen, da der Preis der CBAM-Zertifikate (die für das Inverkehrbringen von CBAM-betroffenen Waren auf dem EU-Markt erforderlich sein werden) anfällt. Mehr noch als in der Vergangenheit wird es sich als Wettbewerbsvorteil darstellen, wenn Waren weniger emissionsintensiv hergestellt werden.
- Ausdehnung des Produktportfolios: Die ursprüngliche Liste der Waren, die der CBAM-Regelung unterfassen sollte, umfasste eine große Anzahl von Waren aus den Bereichen Zement, Elektrizität, Düngemittel, Eisen und Stahl sowie Aluminium. Der ENVI schlägt vor, dass auch Waren in den Kategorien Polymere, organische Grundchemikalien und Wasserstoff dem CBAM unterfallen sollen. In den Diskussionen im EU-Parlament wurde auch die Aufnahme von Erdölprodukten diskutiert.
- Endgültige Produktabdeckung der CBAM: Letztendlich soll der CBAM alle Warenkategorien abdecken, die unter das EU-Emissionshandelssystem fallen. Diese Produkte umfassen eine breite Palette von Gütern wie Rohöl, raffinierte Erdölprodukte, Eisen- und Eisenerze, Öle/Fette, Stärke, Zucker, Malz, Textilfasern, Zellstoff, Papier und Pappe, Farbstoffe und Pigmente, pharmazeutische Grundstoffe, Keramik und viele mehr.
- Übergangszeit: Es wird klargestellt, dass sich die Übergangsphase über 24 Monate erstrecken soll, d.h. vom 01.01.2023 bis zum 31.12.2024. Das bedeutet, dass die Unternehmen von nun an möglicherweise weniger als 12 Monate Zeit haben, um sich auf die möglicherweise ab dem 01.01.2023 kommenden Berichtspflichten vorzubereiten.
- Umfasste Emissionen: Der CBAM bezieht sich auf "direkte Emissionen" im Zusammenhang mit den Produktionsprozessen von Waren, auf die der Hersteller direkten Einfluss hat, einschließlich der Emissionen aus der Erzeugung von Wärme und Kälte, die während der Produktionsprozesse verbraucht werden, sowie "indirekte Emissionen" im Zusammenhang mit den Treibhausgasemissionen aus der Erzeugung von Strom, der während der Produktionsprozesse von Waren verbraucht wird. Der ENVI empfiehlt jedoch auch die Einbeziehung nachgelagerter Produkte („downstream products“) in den Geltungsbereich von CBAM. Dementsprechend könnte der Anwendungsbereich von CBAM in den kommenden Jahren erweitert werden. Insbesondere wenn die EU den Rahmen für den EU-internen Emissionshandel anpasst, kann sich dies entsprechend auf die CBAM-Regeln auswirken.
- Rolle der Zollbehörden: Die Zollbehörden stellen sicher, dass jeder Importeur (Zollanmelder) zuvor bei der zentralen CBAM-Behörde registriert ist.
- Eine einzige, zentrale CBAM-Behörde: Es wird vorgeschlagen, anstelle eines dezentralisierten Systems mit 27 CBAM-Behörden in den EU-Mitgliedstaaten eine einzige CBAM-Behörde auf EU-Ebene einzuführen, um eine rasche, kohärente und kostengünstige Umsetzung zu gewährleisten. Eine solche Lösung würde auch das "Forum Shopping" zwischen den Mitgliedstaaten unmöglich machen.
- Anerkennung der Kohlenstoffbepreisung: Es wird vorgeschlagen, dass nur Systeme zur direkten Bepreisung von Emissionen als im Herstellungsland anfallende Kohlenstoffkosten anerkannt werden, die bei der Einfuhr von CBAM-Pflichtigen Waren aus Drittländern angerechnet werden. Indirekte Kosten für Energie- oder Mineralölsteuer sollen nicht anerkannt werden.
- Unterstützung für die am wenigsten entwickelten Länder: Eine direkte Befreiung der am wenigsten entwickelten Länder von der CBAM wird nicht in Betracht gezogen, da hierdurch der Anreiz zur Senkung von Emissionen unterminiert werden könnte. Aber eine der Empfehlungen sieht eine finanzielle Unterstützung für Dekarbonisierungsprojekte in den am wenigsten entwickelten Ländern vor.
- Ursprung der Waren: Der nichtpräferenzielle Ursprung von Waren ist ein Schlüsselfaktor bei der Bestimmung von Kohlenstoffemissionen auf der Basis von länderspezifischen Benchmark-Werten für Durchschnittsemissionen. In der Empfehlung des ENVI wird klargestellt, dass die nichtpräferenziellen Ursprungsregeln gemäß dem Zollkodex der Union gelten. Im Zusammenhang mit dem vorgeschlagenen Anwendungsbereich bedeutet dies, dass bei der Herstellung von Waren, an der mehr als ein Land oder Gebiet beteiligt ist, davon ausgegangen wird, dass sie ihren Ursprung in dem Land oder Gebiet haben, in dem sie ihrer letzten wesentlichen, wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung in einem dafür eingerichteten Unternehmen unterzogen wurden, die zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine wichtige Herstellungsstufe darstellt. Für einige Warenarten gibt es besondere Vorschriften.
Insgesamt unterstreicht die Empfehlung die politische Absicht, dass der CBAM wie von der EU-Kommission geplant oder sogar beschleunigt umgesetzt und ausgeweitet werden soll. Die Unternehmen hätten dann möglicherweise weniger als 12 Monate Zeit, um die Auswirkungen zu bewerten und die Maßnahmen umzusetzen, um die ab 2023 erwarteten Berichtspflichten einzuhalten. Das rasche Auslaufen der kostenlosen Zuteilung von ETS-Zertifikaten würde bedeuten, dass ab dem 01.01.2024 die Kohlenstoffkosten für Hersteller, die dem EU-EHS unterliegen und denen auch ein Schutz im Rahmen des CBAM angeboten wird, viel schneller als erwartet steigen könnten, da sie zusätzliche ETS-Zertifikate erwerben müssen. Andererseits wird auch die Einfuhr von CBAM-betroffenen Waren in den meisten Fällen teurer werden. Insgesamt wird der Marktpreis aller Waren, die unter das ETS oder CBAM fallen, sowie aller hieraus weiterverarbeiteten Produkten steigen, wenn die Unternehmen ihre Treibhausgasemissionen nicht reduzieren.
Die künftige Gesetzgebung zur Kohlenstoffbepreisung, Energiesteuern und weiteren damit zusammenhängenden Regelungen ist sicherlich noch im politischen Prozess. Eine Reihe von Interessengruppen verfolgen dabei divergente Ziele. Es werden harte Diskussionen auf politischer Ebene erwartet und im Detail werden einige Regelungen sicher anders aussehen als der Legislativvorschlag aus Juli 2021 bzw. die Empfehlungen des ENVI und anderer Ausschüsse. Nichtsdestotrotz ist die Zielrichtung der kommenden Regelungen recht klar und wichtige EU-Vertreter haben wiederholt den politischen Willen zur Umsetzung betont. Daher sollten EU-Hersteller, Händler, Importeure, ausländische Exporteure und alle anderen Parteien, die potenziell von den Maßnahmen zur Kohlenstoffbepreisung betroffen sind, trotz der Tatsache, dass einige Details noch unklar sind oder die vorgeschlagene Gesetzgebung im Detail noch Anpassungen erfahren wird, zügig eine umfassende Analyse der erwarteten Auswirkungen des CBAM, der Änderungen im EU-Emissionshandelssystem, der Energiebesteuerung und anderer relevanter Rechtsbereiche angehen. Insbesondere die EU-Hersteller von Gütern, die unter das Emissionshandelssystem fallen, müssen ihre Marktposition bewerten, da es nach den derzeitigen Plänen möglicherweise keine Ausfuhrerstattungen oder Rabatte geben wird, die den Bedarf an EU-Emissionshandelszertifikaten verringern.
Eine Vielzahl von Faktoren muss untersucht werden, um die Auswirkungen des CBAM und den sich hieraus ergebenden Handlungsbedarf zu ermitteln. Wichtig ist dabei auch eine Rangfolge der Prioritäten festzulegen und Abhängigkeiten zwischen den Maßnahmen zu bestimme, um zielgerichtet voranzugehen. Folgenden Maßnahmen kommt dabei eine Schlüsselstellung zu:
1. Analyse der erwarteten Auswirkungen des CBAM auf den Geschäftsbetrieb, dies umfasst insbesondere Prüfung des Warenportfolios welche Waren vom CBAM betroffen sein werden, Prüfung der Warenströme in Bezug auf Optimierungsmöglichkeiten durch Anwendung besonderer Zollverfahren, Prüfung von Anpassungsbedarfen bei der Einfuhrverzollung usw.
2. Quantifizierung des Risikos, d.h. Berechnung der erwarteten CBAM-Kosten für weitergehende strategische Analysen in Bezug auf Anpassungsbedarfe bei der Beschaffung von Waren, internationalen Lieferketten, Anpassung von Verträgen, Investitionen in Infrastruktur sowie Auswirkungen auf Unternehmensakquisitionen bzw. Verkäufe.
3. Analyse der Datenverfügbarkeit und -qualität, d.h. Bestimmung der Datenelemente, die zur Erfüllung der erwarteten CBAM-Compliance-Verpflichtungen benötigt werden. Analyse welche Datenelement bzw. welche Datenqualität im Unternehmen aktuell verfügbar sind. Ermittlung der fehlenden Datenelemente bzw. Schwächen bei der Datenqualität. Vorbereitung von Prozessen, um erforderliche Daten aus verschiedenen Quellen zukünftig effizient zusammenzuführen.
4. Überprüfung der globalen Wertschöpfungskette in Bezug auf die anfallenden 1, 2 und 3 Emissionen, um im Zusammenspiel mit einer Berechnung zukünftiger Kosten für CBAM, EU-ETS, Energiesteuern und dergleichen die Strategie für Investitionen in Produktionsanlagen zur Emissionsreduzierung, die Umstellung auf alternative Produkte und andere geeignete Maßnahmen festzulegen.
5. Überprüfung der Auswirkungen auf das Geschäftsmodell, d.h. Analyse der Auswirkungen der erwarteten Rechtsänderungen bei der Bepreisung von Emissionen auf das Geschäftsmodell und die hieran anknüpfenden Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und den Unternehmenswert.
Zusammenfassung
Der EU Green Deal und ähnliche Initiativen in einer Reihe von Ländern rund um den Globus nehmen allmählich Gestalt an und werden sich spürbar auf die Bemühungen um eine Reduzierung der Kohlenstoffemissionen auswirken. Die Auswirkungen sind nicht auf die EU beschränkt, sondern erstrecken sich auf die globale Beschaffungs- und Vertriebsorganisation von Unternehmen, die von den Vorschlägen der EU für CBAM und den EU-internen Emissionshandel bzw. der Energiebesteuerung betroffen sind. Die geplanten Maßnahmen bieten den Unternehmen die Gelegenheit, ihre Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) zu überprüfen. Unternehmen sollten sich proaktiv auf die Veränderungen einlassen und darauf vorbereiten, ihr Geschäftsmodell an den erwarteten Rahmen für die Bepreisung von Kohlenstoffemissionen anzupassen. Bei dem Wandels geht es jedoch keinesfalls nur darum, aus Klima- und Umweltschutzgesichtspunkten das Richtige zu tun. Die zu erwartenden Veränderungen können für emissions- und energieintensive Branchen und Unternehmen eine disruptive Wirkung haben. Die noch verfügbare Zeit kann entscheidend sein, um die Auswirkungen frühzeitig zu erkennen, Maßnahmen zu planen und hinreichend Zeit für die Umsetzung zu haben, bis der erwartete Anstieg der direkten und indirekten Kohlenstoffkosten eintritt.
Direkt zum EY Global Alert "European Parliament provides recommendations on EU Carbon Border Adjustment Mechanism" kommen Sie hier.
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