Bei im Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetzen wie dem Wachstumschancengesetz (WtChancenG) verfügen die Länder über einen guten Hebel, eigene Änderungswünsche in das Gesetz zu verhandeln. Zur Vorbereitung der für den 20.10.2023 vorgesehenen Bundesratsstellungnahme zum WtChancenG haben nun die Ausschüsse des Bundesrats zahlreiche potenzielle Forderungen zusammengetragen. Entgegenkommen signalisiert die Bundesregierung bereits bei Umsatzsteuersatz auf Gaslieferungen.
Da für das Gesetzgebungsverfahren des Wachstumschancengesetzes (WtChancenG) die Zustimmung des Bundesrats erforderlich ist, haben die Positionen der Bundesländer insoweit Gewicht. Wie der Bundestag verfügt auch der Bundesrat über Ausschüsse, die Beschlüsse, wie z.B. Stellungnahmen, in Form von sog. Beschlussempfehlungen vorbereiten. Hierzu formulieren sie in einer förmlichen Bundesratsstellungnahme, die für das WtChancenG am 20.10.2023 beschlossen werden soll, die für sie relevanten Forderungen. Die Regierungskoalition dürfte damit absehbar unter Druck geraten, zumindest eine Reihe der Länderpunkte im parlamentarischen Verfahren in das Gesetz aufzunehmen, um das Risiko einer Ablehnung durch den Bundesrat oder der Anrufung des Vermittlungsausschusses zu verringern. Die in dieser Woche veröffentlichte Beschlussempfehlung für die Bundesratsstellungnahme zum WtChancenG (zum Regierungsentwurf vgl. EY-Steuernachricht vom 30.08.2023) fällt außerordentlich umfangreich aus.
Darin formuliert der Finanzausschuss des Bundesrates u.a. folgende Forderungen:
- Ersetzen der Zinshöhenschranke (§ 4l EStG-E) durch eine neue Regelung für grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen (§ 1 Abs. 3d AStG-E) und Finanzierungsdienstleistungen (§ 1 Abs. 3e AStG-E) mit Wirkung ab 2023.
- Der sog. GWG Sammelposten (§ 6 Abs. 2a EStG), den die Bundesregierung auf Wirtschaftsgüter mit bis zu 5.000 Euro Anschaffung- oder Herstellungskosten erweitern will, soll komplett abgeschafft werden.
- Verzicht auf die Erleichterungen beim Verlustrück- und -vortrag nach § 10d EStG (u.a. keine temporäre Erhöhung der Mindestgewinnbesteuerung).
- Verzicht auf die Verbesserungen bei der Forschungszulage (u.a. keine Ausdehnung der Förderung auf den Sachaufwand und keine Verdreifachung der maximalen Bemessungsgrundlage).
Der Wirtschaftsausschuss schlägt u.a. vor:
- Umwandlung der derzeit bei der Zinsschranke geltenden Freigrenze i.H.v. 3 Millionen Euro in einen Freibetrag (§ 4h EStG).
- Während der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats die unbefristete Einführung der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens vorschlägt, will der Finanzausschuss diese „haushaltsverträglicher“ ausgestalten.
- Entfristung des bestehenden ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (aktuell bis zum 31.21.2023 befristet).
- Verlängerung des Spitzenausgleichs über den 31.12.2023 hinaus (§ 10 StromStG, § 55 EnergieStG).
- Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß.
- Verzicht auf die Einführung einer Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen (insbesondere §§ 138l bis 138n AO-E).
Der Forderung nach einer Verkürzung der temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes für die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz und von Wärme über ein Wärmenetz auf den 31.12.2023 (aktuell bis zum 31.21.2024 befristet) kommt die Bundesregierung proaktiv entgegen. In einer am 11.10.2023 für die Koalitionsfraktionen im Bundestag beschlossenen Formulierungshilfe schlägt sie dies für die Aufnahme in das WtChancenG vor.
Da die Mehrheitsverhältnisse im Plenum des Bundesrats von denen in den Ausschüssen abweichen, ist für die finale Bundesratsstellungnahme damit zu rechnen, dass eine Reihe der von den Ausschüssen eingebrachten Punkte wieder entfallen. Die betrifft erfahrungsgemäß insbesondere die von nicht federführenden Ausschüssen wie dem Wirtschaftsausschuss vorgebrachten Punkte. Im Anschluss an die Bundesratssitzung am 20.10.2023 werden die Koalitionsfraktionen im Bundestag in Abstimmung mit der Bundesregierung entscheiden, welchen der Forderungen sie nachkommen. Eine ggf. entsprechend angepasste Fassung des WtChancenG soll Mitte November 2023 vom Bundestag beschlossen und am 15.12.2023 dem Bundesrat abschließend vorgelegt werden. Sollten die Länder dann nicht zustimmen, droht ein Vermittlungsverfahren, das voraussichtlich erst Anfang 2024 durchgeführt werden könnte.
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