Der BFH äußert sich zu Mehrabführungen, die im Rahmen einer Umwandlung bei einer Organgesellschaft entstehen. Entgegen der Verwaltungsauffassung soll die Regelung zu vororganschaftlichen Mehrabführungen laut BFH hier nicht greifen, da die „vororganschaftliche“ Verursachung nur in zeitlicher, nicht auch in sachlicher Hinsicht zu verstehen sei. Vielmehr handele es sich um eine in organschaftlicher Zeit verursachte Mehrabführung.
Im Urteilsfall wurden zwei Gesellschaften, mit denen kein Organschaftsverhältnis bestand, auf ihre Alleingesellschafterin, eine Organgesellschaft, verschmolzen. Die übergehenden Wirtschaftsgüter wurden handelsbilanziell mit einem höheren Wert angesetzt als in der Steuerbilanz. Der dadurch entstehende Wertunterschied zwischen Handels- und Steuerbilanz führte im Verschmelzungsjahr somit zu einer Mehrabführung der übernehmenden Organgesellschaft an ihren Organträger. Streitig war, ob es sich bei dieser Mehrabführung um eine „in organschaftlicher Zeit“ oder „in vororganschaftlicher Zeit“ verursachte Mehrabführung handelt.
Nach der in Tz. Org.33 des UmwStE 2011 dargelegten Verwaltungsauffassung soll § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG auch auf eine umwandlungsbedingte Mehrabführung Anwendung finden und diese damit als in vororganschaftlicher Zeit verursachte Mehrabführung zu werten sein. Die überwiegende Literaturmeinung lehnt diese Verwaltungsauffassung jedoch ab, da das Organschaftsverhältnis im Zeitpunkt der Aktivierung der übergehenden Wirtschaftsgüter in der Handels- bzw. Steuerbilanz der Organgesellschaft bereits bestanden hat und bilanzielle Effekte der Umwandlung somit erstmals während der Organschaftszeit auftreten.
In seinem Urteil vom 21.02.2022 (I R 51/19) schließt sich der BFH, wie auch schon die Vorinstanz, der Literaturmeinung an und widerspricht der Verwaltungsauffassung. Der BFH stellt fest, dass es sich bei der streitgegenständlichen Mehrabführung um eine organschaftliche Mehrabführung handelt, da die Verschmelzung zeitlich erst während des Bestehens der Organschaft erfolgt ist. Denn eine vororganschaftliche Mehrabführung könne, ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift, nur dann vorliegen, wenn die Ursache der Mehrabführung zeitlich vor der Begründung des Organschaftsverhältnisses und damit vor Abschluss des Ergebnisabführungsvertrages liege. Der BFH führt dazu aus, dass das Tatbestandsmerkmal „vororganschaftlich“ in § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG nur in zeitlicher, nicht auch in sachlicher Hinsicht zu verstehen sei. Darüber hinaus lasse der Gesetzeswortlaut eine Auslegung, wonach „vororganschaftlich verursacht“ im Sinne von „außerhalb des konkreten Organschaftsverhältnisses verursacht" auszulegen ist, nicht zu. Im Übrigen sei auch eine außerorganschaftliche Verursachung nicht gegeben, weil die besagte Differenz erst im Zusammenhang mit dem Übernahmegewinn, damit erstmals bei der Organgesellschaft und gerade nicht außerhalb des Organschaftsverhältnisses, aufgetreten sei.
Umwandlungsbedingte Mehrabführungen stellen daher für den BFH „in organschaftlicher Zeit“ verursachte Mehrabführungen dar. Für diese war nach alter Rechtslage ein besonderer passiver Ausgleichsposten in der Steuerbilanz des Organträgers zu bilden. Für organschaftliche Mehr- und Minderabführungen, die nach dem 31.12.2021 erfolgen, gilt die sog. Einlagelösung. Diese besagt, dass organschaftliche Minderabführungen zu einer Einlage durch den Organträger in die Organgesellschaft und organschaftliche Mehrabführungen zu einer Einlagenrückgewähr der Organgesellschaft an den Organträger führen (§ 14 Abs. 4 KStG n.F.).
In seiner aktuellen Entscheidung führt der BFH im Übrigen nochmals aus, dass wegen fehlender gesetzlicher Vorgaben, was unter einer „in vororganschaftlicher Zeit“ verursachten Mehrabführung i.S.v. § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG zu verstehen sei, dies durch Auslegung ermittelt werden müsse. Der Senat geht dabei aber in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Begriff „Mehrabführung“ in § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG und in § 14 Abs. 4 Satz 1 KStG inhaltlich deckungsgleich verwendet wird. Für eine Mehrabführung i.S.v. § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG genüge daher im Regelfall ebenfalls eine rechnerische Differenz zwischen (höherem) handelsbilanziellen Jahresüberschuss und (niedrigerem) Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
Direkt zum BFH-Urteil kommen Sie hier.
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