Verschmelzung Gewinn- auf Verlustgesellschaft

Bei Verschmelzung einer Gewinn- auf eine Verlustgesellschaft ergibt sich laut BFH durch die Verrechnung von positiven Einkünften der Gewinngesellschaft aus dem Rückwirkungszeitraum mit den negativen Einkünften der Verlustgesellschaft grundsätzlich kein Gestaltungsmissbrauch. Das Urteil betrifft die alte Rechtslage. Nun ist § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG für vergleichbare Fälle zu beachten.

Im konkreten Fall (Streitjahr 2008) hatte eine deutsche Kapitalgesellschaft eine Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft erworben. Der Erwerber hatte Verlustvorträge. Die erworbene Gesellschaft erwirtschaftete Gewinne. Kurz nach dem Erwerb wurde die erworbene Gesellschaft auf den Erwerber (rückwirkend) verschmolzen. Bei dem Erwerber erfolgte im Rückwirkungszeitraum eine Verrechnung seiner Verluste mit den Gewinnen der erworbenen Gesellschaft. Das Finanzamt sah in diesem Sachverhalt einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO. Die Vorinstanz verneinte einen Gestaltungsmissbrauch.

Der BFH verneinte mit Urteil vom 17.11.2020 (I R 2/18) ebenfalls das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs. Prüfungsmaßstab im vorliegenden Fall war für den BFH § 42 AO, denn nach seiner Auffassung hielt weder das Umwandlungssteuergesetz noch das Körperschaftsteuergesetz eine spezielle Missbrauchsregelung vor.

Zunächst interessant an dem Urteil: Zu Unrecht hat die Vorinstanz die Regelungen des § 12 Abs. 3 Halbsatz 2 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 und des § 8c Satz 2 KStG als einzelsteuergesetzliche Umgehungsverhinderungsvorschriften i.S.d. § 42 Abs. 1 Satz 2 AO qualifiziert und diesen eine "Abschirmwirkung" gegenüber der Anwendung des § 42 AO zuerkannt. Doch die fehlerhafte Qualifizierung wirkt sich nicht auf das Ergebnis in der Sache aus. Denn § 42 AO war auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Gegen einen Gestaltungsmissbrauch sprachen für den BFH im Ergebnis folgende Gründe:

Der BFH ordnete die vorliegende Gestaltung im Ergebnis nicht als unangemessen ein. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn sie überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck hat. Gestaltungen, die einen Verlustausgleich herbeiführen, müssen dagegen grundsätzlich nicht durch weitere außersteuerliche Motive gerechtfertigt werden, weil das Herbeiführen eines Verlustausgleichs im Kern mit den gesetzlichen Zielsetzungen übereinstimmt (Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit). Doch für die Beurteilung der Unangemessenheit ist die Qualität der betroffenen Verluste entscheidend. Im Urteilsfall handelte es sich um eigene echte betriebswirtschaftliche Verluste, deren steuerliche Nutzung grundsätzlich als zulässig angesehen wird.

Zudem erkennt der BFH zwar die Nähe zum Mantelkauf. Er stellt jedoch klar, dass wertungsmäßig erhebliche Unterschiede zwischen dem Erwerb einer Gewinngesellschaft und einer Verlustgesellschaft bestehen. Der vorliegende Sachverhalt ist dadurch gekennzeichnet, dass die erworbene Gesellschaft noch über eine gewisse wirtschaftliche Substanz verfügte und es der Erwerberin in erster Linie darauf ankam, den von ihr selbst erwirtschafteten Verlust steuerlich zu nutzen. Diesen Unterschied hat auch der Gesetzgeber bis zum Inkrafttreten des § 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG 2006 nachvollzogen. Diese spezialgesetzliche Missbrauchsvermeidungsvorschrift erfasst nunmehr ab dem Jahr 2013 vergleichbare Fälle.

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

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