Im Urteilsfall ging es um die Versicherung von Seeschiffen, welche in einem Nicht-EWR-Staat registriert waren. Der entsprechende Versicherungsvertrag wurde bei einem im EWR ansässigen Versicherer abgeschlossen und bezog sich auf ein im Inland ansässiges Unternehmen als Versicherungsnehmer. Die Frage, ob in diesem Zusammenhang deutsche Versicherungsteuer anfällt, bejahte die Finanzverwaltung. Zwar bestand Einigkeit darüber, dass der für in ein inländisches Register eingetragene oder einzutragende Fahrzeuge einschlägige Sondertatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VersStG in der damaligen Fassung nicht einschlägig sei, da sich das Versicherungsverhältnis nicht auf ein in Deutschland registriertes Seeschiff bezog. Allerdings argumentierte die Finanzverwaltung, dass in diesen Fällen mangels Eintragung des Seeschiffes im Inland der Auffangtatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG zu prüfen sei (inlandsbezogene Auslegung der Sondertatbestände). Dieser begründet eine Versicherungsteuerpflicht dann, wenn durch die Versicherung andere Risiken als die Sonderrisiken abgesichert sind und ein inländischer Versicherungsnehmer vorliegt. Dieser Auffassung folgend ergab sich im vorliegenden Fall eine deutsche Versicherungsteuerpflicht, da sich das Versicherungsverhältnis auf einen im Inland ansässigen Versicherungsnehmer bezog.
Die in der Literatur deutlich kritisierte Auffassung der Finanzverwaltung wurde vom FG Köln zunächst bestätigt, in der Revisionsentscheidung des BFH nun aber verworfen. Nach Aussage des BFH sind die Sondertatbestände des § 1 Abs. 2 Satz 1 VersStG in der damaligen Fassung nicht inlandsbezogen, sondern risikobezogen auszulegen. Das bedeutet, dass eine Anwendung des Auffangtatbestands immer dann ausscheidet, wenn unabhängig von der Belegenheit des Risikos ein in den Sondertatbeständen beschriebenes Risiko versichert ist. Im vorliegenden Fall hatte das zur Folge, dass eine Besteuerung auf Basis der Sondertatbestände – mangels Eintragung des Schiffes in Deutschland – ausscheidet und auch eine Besteuerung auf Grundlage des Auffangtatbestands nicht in Betracht kommt, da das versicherte Risiko (Seeschiffe) in den Sondertatbeständen genannt ist (BFH-Urteil vom 12.11.2020, V R 41/18).
Die Entscheidung des BFH ist als bedeutsam einzustufen, da sie der Verwaltungspraxis der letzten Jahre widerspricht, und sollte für alle Sondertatbestände des § 1 Abs. 2 Satz 1 VersStG in der damaligen Fassung gelten – also neben der Versicherung von einzutragenden oder eingetragenen Fahrzeugen mit Unterscheidungskennzeichen u.a. auch für unbewegliche Sachen, insbesondere Bauwerke und Anlagen. Die Auswirkungen des Urteils sind jedoch auf bis zum 09.12.2020 verwirklichte Sachverhalte beschränkt, da die profiskalische Auffassung der Finanzverwaltung im Rahmen der Reform der Versicherungsteuer mit Inkrafttreten des Reformgesetzes zum 10.12.2020 im Gesetzeswortlaut verankert wurde.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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