Da die von Bund und Ländern eingesetzten informellen Arbeitsgruppen am vergangenen Freitag ihre Beratungen zu den streitigen Punkten des Wachstumschancengesetzes (WtChancenG) ohne Ergebnisse abgebrochen haben, wird der vom Bundesrat angerufene Vermittlungsausschuss in diesem Jahr nicht mehr zusammentreten. 2024 sollen die Verhandlungen fortgeführt werden. Dabei könnten deutlich mehr Inhalte als anfangs vermutet zur Diskussion stehen. Anpassungen an das MoPeG könnten indes vorgezogen werden.
Nachdem die Länder im Beschluss des Bundesrats deutlich gemacht haben, dass sie das am 17.11.2023 vom Bundestag überarbeitete und angenommene WtChancenG in dieser Form nicht für zustimmungsfähig halten, haben Bund und Länder zunächst versucht, sich in informellen Arbeitsgruppen einer Einigung über Anpassungen am Gesetzestext anzunähern (vgl. EY-Steuernachricht vom 24.11.2023). Am Freitag, den 08.12.2023, wurden diese Vorverhandlungen ohne Ergebnis vorerst abgebrochen. Laut Aussagen von Vertretern der Union sei insbesondere das Vorliegen des Haushaltsentwurfs für das Jahr 2024 Grundvoraussetzung, um über das WtChancenG zu verhandeln. Mit diesem ist allerdings wohl nicht mehr im laufenden Jahr zu rechnen.
Auch aus formalen Gründen kann nach dem Abbruch der informellen Vorverhandlungen in dieser Woche keine Sitzung des Vermittlungsausschusses mehr erfolgen. Damit der Vermittlungsausschuss bei seinem Zusammentreten beschlussfähig ist, muss eine Einladungsfrist von mindestens fünf Tagen eingehalten werden. Die ursprüngliche Planung, spätestens in dieser Woche eine Einigung im Vermittlungsverfahren zu erzielen und diese bis zum 15.12.2023 von Bundestag und Bundesrat bestätigen zu lassen, ist damit hinfällig und die Beschlussfassung im Vermittlungsverfahren nicht mehr vor Anfang 2024 möglich. Sofern keine Sondersitzungen anberaumt werden, könnte der Bundestag einem möglichen Vermittlungsergebnis ab Mitte Januar 2024 zustimmen. Der Bundesrat kommt am 02.02.2024 erstmals planmäßig im kommenden Jahr zusammen.
Dem Vernehmen nach wurden in den bisherigen Arbeitsgruppensitzungen weitreichende Änderungen an der vom Bundestag beschlossenen Fassung des WtChancenG diskutiert. So soll der Bund ein deutlich auf 3 Mrd. Euro reduziertes Steuerausfallvolumen angeboten haben. Seitens der Länder wurde Kritik u.a. an der Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen, den Verrechnungspreisregelungen für Finanzierungsbeziehungen und der Verwaltung der Klimaschutz-Investitionsprämie durch die Finanzämter geübt. Einige Länder fordern auch die Verlängerung der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes in der Gastronomie. Wohl auch weiter zur Diskussion stehen die Abschreibungserleichterungen und Verbesserungen der Verlustberücksichtigung. Auf das realisierbare Entlastungsvolumen des Wachstumschancengesetz könnten sich auch die aktuellen Beratungen zum Bundeshaushalt 2024 auswirken, die sich ebenfalls ins Jahr 2024 ziehen.
Mit dem Abbruch der Vorverhandlungen ist der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum WtChancenG erst im Jahr 2024 möglich und auch ein Scheitern des Gesetzes kann nicht mehr ausgeschlossen werden. Ein Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr in 2023, sondern dann in 2024, könnte auch Anpassungen an den Anwendungsregelungen einiger Vorschriften erzwingen, um Rückwirkungen zu vermeiden. Als problematisch gilt auch, dass eine Reihe von steuerrechtlichen Anpassungen im Zusammenhang mit dem zum 01.01.2024 in Kraft tretenden Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) nicht mehr rechtzeitig in Kraft treten könnten. Um dieses Problem zu vermeiden, diskutiert die Koalition dem Vernehmen nach, die steuergesetzgeberischen Reaktionen auf das MoPeG inkl. einer befristeten Fortschreibung des Status Quo in der Grunderwerbsteuer in ein anderes Gesetzgebungsverfahren auszukoppeln und noch in dieser Woche in Bundestag und ggf. Bundesrat beschließen zu lassen. Hierzu müsste spätestens am Mittwoch der Finanzausschuss einen entsprechenden Beschluss fassen. Nicht völlig auszuschließen ist auch, dass im kommenden Jahr weitere Inhalte des WtChancenG in andere Gesetzgebungsverfahren übergeleitet werden, was eine (weitere) Aufspaltung des Wachstumschancengesetzes zur Folge hätte.
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