Zuflusszeitpunkt von Gewinnanteilen beim beherrschenden Gesellschafter

Dem beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapitalgesellschaft fließt ein Gewinnanteil für deutsche einkommensteuerliche Zwecke grundsätzlich im Zeitpunkt des Gewinnausschüttungsbeschlusses zu. Voraussetzung ist aber laut BFH, dass er nach Maßgabe des ausländischen Rechts wirtschaftlich über den Gewinnanteil verfügen kann.

Der BFH bestätigt in seinem Urteil vom 14.02.2022 (VIII R 32/19), dass die allgemeinen Rechtsgrundsätze zum Zeitpunkt des Zuflusses von Kapitalerträgen (§§ 11, 20 EStG) bei beherrschenden Gesellschaftern auch bei Gewinnanteilen einer ausländischen (im Streitfall: kroatischen) Kapitalgesellschaft anzuwenden sind. Gewinnanteile aus deutschen Kapitalgesellschaften und aus ausländischen Kapitalgesellschaften sind demnach gleich zu behandeln. Danach ist der Zufluss in der Regel bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung anzunehmen, wenn der Gewinnauszahlungsanspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet. Unverzichtbare Bedingung für den Zufluss offener Gewinnausschüttungen beim beherrschenden Gesellschafter sei dabei im Inlandsfall wie im Auslandsfall, dass der Gesellschafter über die Gewinnanteile wirtschaftlich verfügen kann.

Laut BFH sei in Fällen, in denen eine tatsächliche Auszahlung der Gewinnanteile noch nicht stattgefunden hat, ein (steuerpflichtiger) Zufluss nur anzunehmen und gerechtfertigt, wenn und soweit keine rechtlichen oder tatsächlichen Hinderungsgründe bestünden, die eine wirtschaftliche Verfügungsmacht und Disposition über die Gewinnanteile vereiteln. So könne auch trotz sofort fälligem Gewinnauszahlungsanspruch im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht in jedem Fall zwingend angenommen werden, dass der beherrschende Gesellschafter bei Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft unmittelbar die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt. Soweit und solange Gegebenheiten des ausländischen Rechts der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über den Ausschüttungsbetrag entgegenstünden, sei noch kein Zufluss gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG bei dem beherrschenden Gesellschafter gegeben.

Nach diesen Grundsätzen muss das FG nun prüfen, ob und wann der Steuerpflichtige wirtschaftlich über den Gewinnanteil verfügen konnte. Die erforderlichen Feststellungen zum kroatischen Recht müssen dann im zweiten Rechtsgang nachgeholt werden.

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

Direkt zum BFH-Urteil kommen Sie hier.

 

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