Als Reaktion auf den BVerfG-Beschluss zur Verfassungswidrigkeit der steuerlichen Vollverzinsung werden nun sämtliche bis zum 29.11.2021 anhängige und zulässige Einsprüche gegen Zinsfestsetzungen für Verzinsungszeiträume vor dem 01.01.2019 per Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörden der Länder vom 29.11.2021 zurückgewiesen.
Mit Beschluss vom 08.07.2021 (1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17) hat das BVerfG die Zinssatzhöhe auf Steuernachzahlungen und Steuererstattungen (§ 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO) für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 für verfassungswidrig erklärt. Für Verzinsungszeiträume von 2014 bis einschließlich 2018 hat das BVerfG aber eine Weitergeltungsanordnung des bisher geltenden Rechts getroffen. Erst für Verzinsungszeiträume ab 2019 hat das BVerfG den Gesetzgeber verpflichtet, eine verfassungsgemäße Neuregelung für alle offenen Fälle zu treffen.
In Reaktion auf den o.g. Beschluss des BVerfG hat die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 17.09.2021 ausgeführt, dass Einsprüche für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 als unbegründet zurückzuweisen sind, soweit mit den Einsprüchen geltend gemacht wird, die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen in Höhe von 0,5 Prozent pro vollem Monat (§ 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO) verstoße gegen das Grundgesetz. Diese Zurückweisung erfolgt nun „automatisch“ durch die Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörden der Länder vom 29.11.2021, die einen unmittelbar geltenden Bescheid gegen alle diesbezüglichen Einsprüche darstellt. Entsprechend werden sämtliche am 29.11.2021 anhängige, außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte und zulässige Anträge auf Änderung einer Zinsfestsetzung zurückgewiesen.
Gegen die Allgemeinverfügung können die betroffenen Steuerpflichtigen lediglich Klage erheben, ein Einspruch ist insoweit ausgeschlossen. Die Frist für die Erhebung der Klage beträgt ein Jahr und beginnt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem die Allgemeinverfügung veröffentlicht wird.
Ergänzend wird für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 ausgeführt, dass über diesbezügliche Einsprüche zunächst nicht entschieden wird. Die Finanzämter werden nach der gesetzlichen Neuregelung, die bis zum 31.07.2022 zu treffen ist, das Verfahren über den Einspruch oder den Änderungsantrag fortsetzen.
Der Volltext der Allgemeinverfügung steht Ihnen auf der Internetseite des BMF zur Verfügung.
Direkt zur Allgemeinverfügung kommen Sie hier.
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