Zuschlag bei Verletzung von Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise unionsrechtskonform

Die Festsetzung eines Zuschlags nach § 162 Abs. 4 AO bei Nichtvorlage, verspäteter Vorlage oder unverwertbarer Verrechnungspreisdokumentation verstößt laut EuGH im Grundsatz nicht gegen die Niederlassungsfreiheit. Das FG Bremen hat allerdings zu prüfen, ob die Anforderungen der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung („GAufzV“) zu übermäßigem Verwaltungsaufwand führen.

Wird die Verrechnungspreisdokumentation gemäß § 90 Abs. 3 AO nicht oder verspätet vorgelegt oder ist diese im Wesentlichen unverwertbar, darf das Finanzamt gemäß § 162 Abs. 3 AO widerlegbar vermuten, dass die in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte des Steuerpflichtigen höher sind als die von ihm erklärten Einkünfte. Ist in diesem Fall eine Schätzung vorzunehmen, ist das Finanzamt darüber hinaus befugt, diese Schätzung auch zulasten des Steuerpflichtigen vorzunehmen. Zusätzlich dazu ordnet § 162 Abs. 4 AO bei Verletzung der Aufzeichnungspflichten die Festsetzung eines Zuschlags an. Dieser beträgt bei Nichtvorlage oder wesentlicher Unverwertbarkeit der Aufzeichnungen mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5.000 Euro ergibt. Bei verspäteter Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 Mio. Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung.

Die Sanktionsvorschriften des § 162 Abs. 3 und 4 AO betreffen nur Steuerpflichtige, die Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen im Ausland unterhalten. Für rein innerdeutsche Transaktionen zwischen nahestehenden Personen bestehen keine besonderen Aufzeichnungspflichten und auch keine besonderen Schätz- oder Sanktionsmechanismen bei Nichtvorlage solcher Aufzeichnungen. Das FG Bremen hatte vor diesem Hintergrund Zweifel, ob die Festsetzung eines Zuschlags nach § 162 Abs. 4 AO zusätzlich zu der bereits bestehenden Schätzungsmöglichkeit des Finanzamts nach § 162 Abs. 3 AO noch mit dem Europarecht vereinbar ist, oder ob insoweit eine ungerechtfertigte Einschränkung der Niederlassungsfreiheit vorliegt (vgl. Vorlagebeschluss FG Bremen v. 07.07.2021, 2 K 187/17 (3)).

Der EuGH hat nun mit Urteil vom 13.10.2022 (C-431/21) eine ungerechtfertigte Verletzung der Niederlassungsfreiheit durch § 162 Abs. 4 AO verneint.

Zwar bestätigt der EuGH, dass im reinen Inlandsfall keine vergleichbaren Aufzeichnungspflichten bestehen und insofern eine Ungleichbehandlung von Inlands- und Auslandssachverhalten vorliegt. Er bestätigt allerdings seine bisherige Rechtsprechung, nach der diese Ungleichbehandlung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, insbesondere der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse, gerechtfertigt sein kann. Denn die Regelungen zu den Aufzeichnungspflichten in Verrechnungspreisfällen gewährleisteten im Grundsatz eine effizientere und präzisere steuerliche Prüfung des Steuerpflichtigen und verhinderten, dass im betreffenden Mitgliedstaat erzielte Gewinne über fremdunübliche Geschäfte unversteuert aus dem Steuerhoheitsgebiet des Staates hinaus transferiert würden. Der EuGH führt allerdings auch an, dass die Aufzeichnungspflicht nicht über das hinausgehen dürfe, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich sei. Insbesondere dürfe die Pflichterfüllung für den Steuerpflichtigen nicht mit übermäßigen Verwaltungszwängen verbunden sein. Der EuGH gibt dem FG Bremen deshalb auf zu prüfen, ob die die Aufzeichnungspflichten des § 90 Abs. 3 AO konkretisierende Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung bei den Steuerpflichtigen zu ebensolchen übermäßigen Verwaltungszwängen führt. Grundsätzlich seien die Aufzeichnungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO jedoch mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar.

Unter der Annahme, dass die Anforderungen an die Steuerpflichtigen keinen übermäßigen Verwaltungsaufwand darstellen, stellt nach Auffassung des EuGH dann auch der Steuerzuschlag nach § 162 Abs. 4 AO keine unverhältnismäßige Sanktion dar. Der Ansatz einer Mindeststrafe von 5.000 Euro halte vielmehr die abschreckende Wirkung des Steuerzuschlags aufrecht. Die Obergrenze von 10 Prozent stelle sicher, dass der Zuschlag nicht übermäßig hoch ausfalle und mit der Einkünftekorrektur korreliere.

Nicht explizit äußert sich der EuGH leider zu der Frage, ob die doppelte Sanktionierung der Verletzung der Aufzeichnungspflichten nach § 162 Abs. 3 und § 162 Abs. 4 AO aus europarechtlicher Sicht problematisch ist. Hinweise finden sich allenfalls insofern, als der EuGH dem Vorbringen der Klägerin, dass es in vergleichbaren nationalen Sachverhalten weniger strenge Sanktionen gebe, eine Absage erteilt. Der Umstand, dass die nationalen Vorschriften weniger strenge Sanktionen bei Verletzung der Mitwirkungspflichten im rein nationalen Fall vorsehen, habe keine Bedeutung für die Beurteilung der Erforderlichkeit des Steuerzuschlags. Denn mit diesem werde das Ziel der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten verfolgt. Im Ergebnis kommt der EuGH auch hier zum Schluss, dass die Festsetzung des Zuschlags der Niederlassungsfreiheit nicht entgegensteht.

Der Gesetzgeber sieht derzeit mit dem Gesetz zur Umsetzung der DAC7 und Modernisierung des Steuerverfahrensrechts sowohl bei der Dokumentationspflicht nach § 90 Abs. 3 AO als auch bei der Festsetzung des Zuschlags nach § 162 Abs. 4 AO verschärfende Anpassungen vor (vgl. Steuernachrichten vom 25.08.2022).

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des EuGH zur Verfügung.

Direkt zum EuGH-Urteil kommen Sie hier.

 

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