12 Minuten Lesezeit 20 April 2020
Paketbote holt Päckchen aus dem Auto

Covid-Pandemie: Wie Unternehmen robuste Supply Chains gestalten können

Von Jörg Schäfer

EY Global Retail Supply Chain Leader, Partner EY Strategy & Transactions GmbH | Deutschland

Stratege. Lieferketten-Enthusiast. Pragmatischer Denker mit Hands-on-Mentalität. Stolzer Ehemann und Vater.

12 Minuten Lesezeit 20 April 2020

Die Pandemie zeigt, dass die Lieferketten von Unternehmen robuster werden müssen. Welche kurz- und langfristigen Maßnahmen eignen sich?

Überblick
  • Die Corona-Pandemie, aber auch andere Krisen, können Lieferketten unter Druck setzen: Fast alle Unternehmen haben derzeit Probleme mit ihren Supply Chains.
  • Unternehmen sollten indes nicht nur kurzfristig den Schaden bekämpfen, sondern auch Maßnahmen ergreifen, um die Supply Chain langfristig krisenfest zu machen.
  • Um die Supply Chain in der Krisenbekämpfung robuster und flexibler zu gestalten, sollten Unternehmen sie ganzheitlich betrachten.

Die aktuelle COVID-19-Krise trifft fast alle Unternehmen empfindlich und sie versuchen, ihre Supply Chain mit allen Mitteln am Leben beziehungsweise funktional zu halten. 94 Prozent der Fortune-1000-Unternehmen geben an, dass sie aufgrund der COVID-19-Epidemie mit Problemen in der Supply Chain zu kämpfen haben. Das Forschungsunternehmen Oxford Economics warnt, dass das weltweite Wirtschaftswachstum um mehr als 1 Billion US-Dollar schrumpfen könnte.

Dementsprechend stellen sich aktuell zwei Schlüsselfragen:

  • Wie kann ich kurzfristig Schaden begrenzen?
  • Wie kann ich die richtigen Schlüsse aus der Krise ziehen und meine Supply Chain mittelfristig krisenfester aufstellen?

COVID-19-Krise zeigt Notwendigkeit zur Neuaufstellung der Supply Chain

Während in der Vergangenheit das Hauptaugenmerk auf der Optimierung von Kosten, Working Capital und bedarfsorientierter Lieferung (just-in-time) lag, zeigt die aktuelle Krise, dass sich der Fokus hin zu mehr Robustheit und Flexibilität verschieben muss. Um dies zu korrigieren, ist es notwendig, die Supply Chain zu rekonfigurieren. Die aktuelle COVID-19-Krise kann der richtige Auslöser sein. Es ist davon auszugehen, dass COVID-19 nur stellvertretend für exogene Umstände steht, die der Weltwirtschaft weiter zusetzen werden. Aktuell gibt es aufgrund von zunehmenden Zollkonflikten und Handelsstreitigkeiten, Massenprotesten oder globalem Terrorismus vermehrt Vorkommnisse, die permanent Unsicherheit in der Lieferkette erzeugen.

Komplexe Zusammenhänge machen es beinahe unmöglich, Prozessbestandteile einzeln zu optimieren.

Um in solchen Situationen die richtigen kurz- und langfristigen Maßnahmen zu identifizieren, ist die Supply Chain ganzheitlich (End-to-End) zu betrachten. Die heutigen komplexen Zusammenhänge machen eine Einzeloptimierung von Prozessbestandteilen wie Einkauf, Produktion, Inbound Logistik, Lager oder Outbound Logistik nahezu unmöglich. Deswegen gilt es, die richtige Balance zwischen Aufwand, Kosten und Qualität für das Zusammenspiel aller Bestandteile zu finden, um das volle Potenzial auszuschöpfen.

Kurzfristig aktiv werden: Brandbekämpfung in der Supply Chain

In außergewöhnlichen Situationen wie der aktuellen COVID-19-Krise ist eine schnelle, effiziente und effektive Bekämpfung der Brandsituation einer der wichtigsten Faktoren, um negative Auswirkungen auf Ihr Unternehmen zu reduzieren – dies gilt insbesondere, wenn die Krise das Potenzial hat, Ihre Supply Chain in den Grundfesten zu erschüttern.

  • Wenn Angebot und Nachfrage nicht mehr in Balance sind. Während Produkte des täglichen Bedarfs übermäßig stark nachgefragt werden, verkaufen viele Händler aufgrund von Filialschließungen gar keine Ware mehr. Beides verursacht eine Schieflage entlang der gesamten Supply Chain.
  • Wenn die Supply Chain auf maximale Kosteneffizienz getrimmt ist und jede unkontrollierte Veränderung direkt große Auswirkungen auf Profitabilität und Verfügbarkeit hat.
  • Wenn einzelne Schritte entlang der Supply Chain zeitlich sehr eng aufeinander abgestimmt (just-in-time) sind und nur wenig Reservekapazität oder Flexibilität besteht. In diesem Fall ist die Supply Chain besonders anfällig für ein Überspringen von Bränden auf angrenzende Prozessschritte.
  • Wenn die Supply Chain grundsätzlich viel Working Capital bindet und sich in Krisen das gebundene Kapital weiter erhöht. In Phasen von massivem Umsatzeinbruch verschärfen sich die daraus resultierenden Liquiditätsprobleme noch zusätzlich.

Unternehmen sind in der aktuellen Pandemie-Situation überfordert. Der Grund: Disruptive Krisen dieses Ausmaßes sind in den vergangenen Jahrzehnten nicht aufgetreten.

Da unsere Wirtschaft über viele Jahre von wirklich disruptiven Krisen maßgeblich verschont geblieben ist – selbst die Wirtschaftskrise 2008 kommt nicht annähernd an die aktuelle Situation heran –, sind viele Unternehmen heute nicht gut vorbereitet. Der Druck zu lernen, schnell Gegenmaßnahmen zu ergreifen, bewährte Strategien zu entwickeln, diese in Standardprozesse zu gießen und dann zu exekutieren, war schlichtweg nicht da. 

(Chapter breaker)
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Kapitel 1

Von der Brandbekämpfung für Unternehmenskrisen lernen

Die vier Schritte für eine erfolgreiche Krisenbewältigung bei der Supply Chain.

Zum Glück kennen wir Krisensituationen aus vielen Lebensbereichen und müssen bei ihrer Bekämpfung nicht bei Null anfangen. Insbesondere aus der Brandbekämpfung kann man viel lernen. Hier sind klare Standards, eine schnelle Reaktion und das Treffen richtiger Entscheidungen unter (Zeit-)Druck überlebenswichtig. Deswegen bieten Feuerbekämpfungsstrategien eine gute Analogie für eine erfolgreiche Krisenbewältigung hinsichtlich der Supply Chain. Typischerweise erfolgt die Brandbekämpfung in vier Schritten, bei denen die Reihenfolge eine entscheidende Rolle spielt, um Schaden zu begrenzen und Erfolg zu maximieren – wohlwissend, dass nicht jeder Schritt in jeder Situation Anwendung findet: Alarmierung, Ausbreitungsverhinderung, Entzug Brennmaterial und erst am Ende das aktive Löschen.

Schritt 1: Alarmierung – Transparenz schaffen, Krisenstrategie entwickeln

Wenn ein Feuer beziehungsweise eine Krise ausbricht, ist es essenziell, handlungsfähig zu bleiben. Dafür gilt es sowohl die Ressourcen zu schützen, die bei der Brand- beziehungsweise Problembekämpfung notwendig sind, als auch die, die bei der anschließenden Weiterführung des Geschäfts mitwirken. Dementsprechend ist es selbstredend, dass Unternehmen ihre „Feuerwehr“ (also ihr Krisenpersonal) schützen, und somit genau richtig, dass viele ihr Personal ins Homeoffice schicken, um die Einsatzbereitschaft hoch und das Ansteckungspotenzial niedrig zu halten.

Dann ist es wichtig Transparenz über die aktuelle Situation zu erhalten. Zu wissen wo es brennt und wie groß das Feuer ist, ist entscheidend, um den Ressourceneinsatz zu koordinieren und zu bemessen.

Optimal ist es, wenn im Notfall eingeübte Standardprozeduren greifen. Nur so bleibt das Unternehmen handlungsfähig und erstarrt nicht in Problemerkenntnis.

Auf Basis dieser Transparenz in der Supply Chain muss möglichst schnell eine (Brandbekämpfungs-)Strategie entwickelt werden – es braucht einen klaren Plan, wie die Krise angegangen wird. Im Optimalfall gibt es Standardprozeduren, die greifen und im Notfall Sicherheit geben – im schlechtesten Fall erstarrt das Unternehmen in seiner Problemerkenntnis.

Schritt 2: Ausbreitungsverhinderung – E2E-Fähigkeiten aufrechterhalten

Bevor ein großer Brand gelöscht werden kann, ist sicherzustellen, dass sich der Brand nicht ausbreitet oder auf andere Schritte der Supply Chain übergreift. Es gilt, die End-to-End-Handlungsfähigkeit unbedingt aufrechtzuerhalten und die besonders gefährdeten Prozessschritte zu schützen. Dafür muss geprüft werden, ob die Situation das Potenzial hat, sich zu einem Flächenbrand zu entwickeln, und welche angrenzenden Supply-Chain-Aspekte besonders gefährdet sind.

Insbesondere wenn, wie in der aktuellen Situation, der Brand-Supergau eintritt und Angebot und Nachfrage in einem massiven Missverhältnis stehen, ist die Supply Chain in ihrer Gesamtheit und fast jedem Einzelschritt stark gefährdet. In diesem Falle müssen etwa bei starken Nachfrageeinbrüchen Lagerkapazitäten sorgfältig gemanagt werden – insbesondere wenn weiter Ware zufließt (Ware ist noch in Produktion und / oder schon unterwegs) und ein Warenabfluss nicht mehr stattfindet (Filialen sind geschlossen / Absatzeinbruch). Zusätzlich muss der Warendruck reduziert werden, indem beispielsweise Einkaufsmengen reduziert, Liefertermine verschoben, Transportmittel verändert werden oder Ware zwischengelagert wird, um sicherzustellen, dass Transport-, Lager- oder Personalkapazitäten nicht zusätzlich unter Druck geraten.

Schritt 3: Entzug Brennmaterial – Belastung der Supply Chain reduzieren

Nachdem die Ausbreitung des Brandes gestoppt wurde, muss dem Brand seine Feuerkraft entzogen werden – es darf auf keinen Fall weiter Öl ins Feuer gelangen. Bei Krisen wie der aktuellen gilt es zu prüfen, inwieweit das Herunterfahren von Volumina oder die Reduktion der Intensität in einzelnen Schritten beziehungsweise Prozessen hilft, die Gesamtstabilität der Supply Chain zu erhöhen.

Wir sehen regelmäßig, dass Transportkapazitäten und Lager schon im Normalzustand mit Altware oder „Langsamdrehern“ verstopft sind und somit in einer Krise nicht unterstützen können, sondern noch zusätzlich für Krisenpotenzial sorgen. 

Oft zeigt sich zum Beispiel, dass sich Transportkapazitäten und Lager schon im Normalzustand in einem ineffizienten Zustand befinden. Wir sehen regelmäßig, dass diese mit Altware oder „Langsamdrehern“ verstopft sind und somit in einer Krise nicht unterstützen können, sondern noch zusätzlich für Krisenpotenzial sorgen. Auch wird im Zuge dessen oft erst viel zu spät die Filialversorgung heruntergefahren oder die Zeit des Stillstandes genutzt, um Filialen auf die Zeit nach der Krise vorzubereiten. Schon jetzt ist absehbar, dass die Filialen bei ihrer Wiedereröffnung mit der falschen saisonalen Ware voll sein werden und dies zum nächsten Problemfall wird.

Schritt 4: Aktives Löschen – Krisenbekämpfungsmaßnahmen durchführen

Erst im letzten Schritt kann das Feuer aktiv gelöscht beziehungsweise können die Schmerzpunkte in der Supply Chain direkt angegangen werden. Es ist wie bei einem Großbrand sehr unwahrscheinlich, dass das direkte Problemlösen beziehungsweise Feuerlöschen von Erfolg gekrönt sein wird, wenn sich das Problem zuvor schon vergrößert oder ausgebreitet hat.

So können Unternehmen bei klar lokalisierbaren Brandherden – angenommen, COVID-19 hätte sich nie aus der Kernregion heraus verbreitet –, in denen „nur“ einzelne Lieferanten oder Lieferantencluster betroffen sind, schnell auf alternative Lieferanten oder Regionen ausweichen. Wenn Unternehmen gleichzeitig Produktionskapazitäten umverteilen und Aufträge priorisieren, können sie die Auswirkungen auf die Supply Chain vermindern, eventuell sogar komplett vermeiden. Ähnliches gilt für zeitpunktgenaue Lieferungen, die durch Beschleunigung (zum Beispiel von See- auf Luftfracht / Luft-See-Transport) oder Entschleunigung (umgekehrt) oft ohne große Beeinflussung der weiteren Lieferkette ablaufen können.

Während der Pandemie müssen sich Unternehmen wöchentlich, wenn nicht täglich an neue Szenarien anpassen.

Die richtigen Fragen in Zeiten der Krise

Ziel der kurzfristigen Maßnahmen ist es, schnell die richtige Alarm- und Aktionskette von Schritt 1 bis 4 zu initiieren. Damit das Unternehmen weiter handlungsfähig bleibt und seine Geschäftsaktivitäten aufrechterhalten kann, ist es entscheidend, die Schmerzpunkte in der Supply Chain schnell zu identifizieren und zu isolieren und aktiv Gegenmaßnahmen einzuleiten und zu steuern. In der COVID-19-Krise sehen wir täglich, dass Unternehmen schon in ihrer individuellen Situation überfordert sind. Als wäre es noch nicht genug, verändert sich während der Pandemie die Gefahrenlage jedoch fast wöchentlich, teils täglich – entsprechend sind die Maßnahmen regelmäßig zu evaluieren und anzupassen.

(Chapter breaker)
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Kapitel 2

Nach der Krise ist vor der Krise

Nach den kurzfristigen Maßnahmen kommt die Prävention.

Nachdem die kurzfristigen, direkten Brandbekämpfungsmaßnahmen in der Supply Chain abgeschlossen sind, müssen Unternehmen anschließend überlegen, welche Schlüsse sie aus der Krise ziehen und wie sie ihre Supply Chain mittelfristig krisenfester aufstellen können. Gerade die aktuelle Pandemie-Situation zeigt, dass die Unternehmen, die in Präventionsmaßnahmen investieren, eine deutlich robustere Supply-Chain-Performance an den Tag legen.

Wie bereits bei den kurzfristigen Maßnahmen kann man die Analogien aus der Brandbekämpfung auch auf die Prävention übertragen. Genau wie nach Bränden stellt sich nach Krisen die Frage, welche Maßnahmen sinnvoll sind, damit der nächste Brand beziehungsweise die nächste Krise effizienter und effektiver bekämpft werden können.

Als Strukturhilfen nutzen wir wieder die vier grundsätzlichen Eckpfeiler erfolgreicher Brandbekämpfung: Alarmierung, Ausbreitungsverhinderung, Entzug Brennmaterial und erst am Ende das aktive Löschen.

Schritt 1: Alarmierung – Frühindikatoren und Krisenszenarien implementieren

Im ersten Teil der Serie sind wir darauf eingegangen, dass es vor allem auf eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit ankommt, um einen Brand schnell zu löschen. Aus genau diesem Grund sind effiziente Frühwarnsysteme und vordefinierte Szenarien wichtig, denn sie ermöglichen eine schnelle Identifikation und Reaktion. Auch in der aktuellen COVID-19-Krise gab es Frühindikatoren, die die Gefährlichkeit des Virus hätten erahnen lassen. Dennoch wurden die Unternehmen von den Auswirkungen überrascht. Genau dies gilt es zukünftig zu vermeiden.

Anhand von Frühwarnsystemen können Unternehmen Gefahrenpotenziale einschätzen und eingrenzen.

Auf der einen Seite müssen gute Frühwarnsysteme auf Basis von Key-Performance-Indikatoren (KPI) Transparenz entlang der gesamten E2E-Supply-Chain herstellen. Ziel ist es, auf Basis interner historischer Daten und aktueller Entwicklungen – möglichst real-life – Gefahrenpotenziale einzuschätzen und einzugrenzen (etwa durch einen Control-Tower-Ansatz).

Der „Rückspiegel“ ist jedoch allein nur ein unzureichender Indikator. Zusätzlich werden externe Datenquellen benötigt, die eine vorausschauende Risikoabschätzung ermöglichen. Hier können Wirtschaftsindikatoren (Konsumklimaindex, Kapazitätsauslastung, etc.), Logistikindikatoren (Frachtaufkommen, Verkehrsintensität, etc.) oder Indikatoren für Naturphänomene (Wetter, Klima, etc.) und/oder Gesundheit (Risikogebiete, Reisewarnungen, etc.) eine entscheidende Rolle spielen. Welches Set-up für Ihr individuelles Geschäftsmodell das Richtige ist, hängt vor allem von Ihrem regionalen Footprint sowie der Komplexität Ihres Geschäftsmodells und der Supply Chain ab.

Auf der anderen Seite stellen gute Krisenszenarien sicher, dass klare Verantwortlichkeiten definiert sind und Kompetenz- sowie Zuständigkeitsgerangel vermieden und wertvolle Zeit gespart wird. Zudem gehören zu einer Best-in-Class-Aufstellung geübte Standardprozesse der Krisenbewältigung. Ohne regelmäßiges Testen, Üben und Weiterentwickeln wird auch die beste „Feuerwehr“ in Krisen nicht ihr volles Potenzial abrufen. Standardprozesse geben Sicherheit und ermöglichen krisengerechtes Handeln abhängig vom Krisentyp (wie zum Beispiel Finanzkrisen, Naturkatastrophen, Handelskonflikte, etc.).

Schritt 2: Ausbreitungsverhinderung – Brandschutztüren und Brandschneisen aufbauen

Die Ausbreitung eines Brandes kann verhindert beziehungsweise verlangsamt werden, indem gefährdete Bereiche zum Beispiel durch Brandschneisen besonders geschützt werden. Analog sollten in der Supply Chain präventive Maßnahmen getroffen werden, die verhindern, dass sich Schmerzpunkte auf angrenzende Prozessschritte ausbreiten.

Eine Möglichkeit, krisenbedingte Ausfälle zu kompensieren, besteht beispielsweise in der Diversifikation des Lieferantenportfolios. Ziel ist es zu gewährleisten, dass sich Nachschubprobleme nicht auf die angrenzenden Prozessschritte auswirken. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die richtige Balance aus Near- und Far-Shoring zu schaffen, was regional- oder länderspezifischen Krisen vorbeugt und mehr Flexibilität hinsichtlich Lieferzeiten ermöglicht. Außerdem kann das Vorhalten / Multiplizieren benötigter Fähigkeitsprofile von Lieferanten die Handlungsfähigkeit erhöhen, auch wenn dies in Einzelfällen zu Lasten von Volumenkonzentration und somit zu höheren Stückkosten führt.

Die aktuelle Krise ist voll von Händlern, die mit aller Macht Volumina re-allokierten, als die Krise ihre Sourcingregionen traf – als sich jedoch die Krise auf die Absatzmärkte auswirkte und nach Europa schwappte, wurde das vermeintlich gelöste Problem plötzlich zum eigentlichen Teil des Problems.

Wie immer gilt es, die richtige individuelle Abwägung je Unternehmen und Geschäftsmodell zu treffen. Die aktuelle Krise ist voll von Händlern, die mit aller Macht Volumina re-allokierten, als die Krise ihre Sourcingregionen traf – als sich jedoch die Krise auf die Absatzmärkte auswirkte und nach Europa schwappte, wurde das vermeintlich gelöste Problem plötzlich zum eigentlichen Teil des Problems.

Schritt 3: Entzug Brennmaterial – Widerstandsfähigkeit stärken

Brandprävention bedeutet auch, Schwachpunkte zu identifizieren und zu entfernen. Um in einer potenziellen Supply-Chain-Krise möglichst wenig leicht brennbares Material zu liefern, müssen Unternehmen risikoreiche beziehungsweise leicht anfällige Prozessschritte frühzeitig identifizieren, eliminieren oder stärken.

Am Beispiel der Lieferantenauswahl zeigt die aktuelle Krise, dass mehr Flexibilität und höhere Robustheit genauso entscheidende Faktoren darstellen können wie die klassische Zeit-Kosten-Qualitätsoptimierung. Dabei kann das Resultat durchaus sein, dass leicht höhere Kosten bei mehr Flexibilität und Robustheit den besseren Trade-Off für eine widerstandsfähige Supply Chain bieten.

Mehr Flexibilität und größere Robustheit sind genauso entscheidend wie die Optimierung von Qualität, Zeit und Kosten.

Eine weitere wichtige Abwägung müssen Unternehmen bei dem klassischen Trade-Off zwischen Automatisierung und manueller Arbeit treffen, etwa im Lager. Viele heutige Infrastrukturen folgen noch der „historischen Wahrheit”, dass Automatisierung für niedrigere Kosten und manuelle Arbeit für mehr Flexibilität steht. Dies kann sich jedoch in Zeiten niedriger Personalverfügbarkeit und technologischer Quantensprünge ins Gegenteil verkehren.

Aufgrund immer stärkerer Nachfrage-Peaks, im positiven (zum Beispiel Black Friday, Cyber Monday) wie im negativen Sinne (aktuelle Krise), und immer volatilerem Konsumentenverhalten gilt es, Skalierbarkeit und Flexibilität bei effizienten Kostenstrukturen im Auge zu behalten. Althergebrachte Dogmen müssen unter Berücksichtigung des zukünftigen Ziel-Geschäftsmodells hinterfragt werden. All dies sollte mit Augenmaß und dem Fokus auf Resilienz in der Supply Chain erfolgen.

Schritt 4: Aktives Löschen – flexible Ressourcen aufbauen

Um Brände effizient zu löschen, müssen die richtigen Personalressourcen und finanziellen Möglichkeiten / Budgets zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Dementsprechend muss die Einsatzfähigkeit der eigenen Mitarbeiter sichergestellt werden, indem die Arbeitsplatz- und Arbeitszeitallokation so flexibel gestaltet ist, dass diese dosierbar und zeitpunktgerecht einsetzbar ist. Die erstellten Einsatzpläne auszuführen und auf den Alarm hin zu handeln, muss mit den Mitarbeitern regelmäßig besprochen und die einzelnen Szenarien erprobt werden. Flexibilität ist insbesondere auch bei Verträgen mit Partnerunternehmen oberstes Gebot, um in Krisen eine variable Kostenstruktur sowie schnellere Reaktionsfähigkeit zu gewährleisten.

Ein weiteres Hilfsmittel zur schnellen Reaktion sind Notfallbudgets. Diese stellen sicher, dass in Zeiten von Krisen Handlungsfähigkeit und Flexibilität gewährleistet sind und Ressourcenengpässe schnell gelöst werden können.

Ein weiteres Hilfsmittel zur schnellen Reaktion sind Notfallbudgets. Diese stellen sicher, dass in Zeiten von Krisen Handlungsfähigkeit und Flexibilität gewährleistet sind und Ressourcenengpässe schnell gelöst werden können. Dies ermöglicht, dass auch kurzfristig beispielsweise Transportwege verändert, Lagerkapazitäten an- oder abgemietet, Personal beschafft und Bestellungen gedoppelt oder kostenpflichtig storniert werden können. All dies erfolgt mit dem Ziel, die Lieferkette zu stabilisieren und E2E-Funktionalität in Zeiten der Krise sicherzustellen.

Die richtigen Fragen nach der Krise

Die richtigen Präventionsmaßnahmen bezogen auf die vier Löschansätze in Ihrem Unternehmen zu definieren und Ihre Supply Chain krisenfester zu machen, ist keine einfache Aufgabe. Es ist wichtig, die passende Balance zwischen Zeit-, Kosten- und Qualitätsanforderungen sowie zwischen Flexibilität und Robustheit zu finden. All dies mit dem Ziel, die E2E-Leistungsfähigkeit sicherzustellen und auf die einzelnen Supply-Chain-Elemente abzustimmen.

EY kann Sie bei der Konzeption der zu Ihrem Unternehmen passenden Präventionsstrategie unterstützen. Dabei gehen wir die Brandbekämpfungsschritte mit Ihnen durch, unter anderem mit folgenden Fragestellungen:

  • Wie leistungsfähig muss die Supply Chain sein, um das Geschäftsmodell in Zukunft optimal zu unterstützen?
  • Wie viel Spielraum will man sich entlang der Leistungsanforderungen erlauben? Was ist dabei die richtige Balance für die Erfüllung des Leistungsversprechens?
  • Wie beeinflussen Präventionsmaßnahmen die einzelnen Supply-Chain-Komponenten und den E2E-Prozess?
  • Wie sollten die Maßnahmen priorisiert werden? Was sind hierbei Quick Wins, unabhängige operative Hebel und konzeptionelle Werttreiber?

Fazit

In der Covid-19-Pandemie müssen Supply Chains flexibler und robuster werden. Um dies zu erreichen, müssen Unternehmen passende Maßnahmen identifizieren. Hilfreich ist es, dabei nicht nur den kurzfristig entstandenen Schaden zu begrenzen, sondern nach der Krise die richtigen Schlüsse zu ziehen und Schritte einzuleiten, um die Lieferketten widerstandsfähiger zu machen.

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