Viele Unternehmen greifen deswegen auf das sogenannte Tax-Equalization-Modell (kurz TEQ) zurück. Das Prinzip: Die Mitarbeitenden werden steuerlich so gestellt, als wären sie weiterhin in Deutschland steuerpflichtig – unabhängig vom tatsächlichen Einsatzstaat. Der Arbeitgeber übernimmt die dortige Steuerlast, der oder die Mitarbeitende zahlt eine fiktive deutsche Steuer, die sogenannte Hypotax. Die Beschäftigten tragen kein Risiko, profitieren aber auch nicht von einer eventuellen günstigeren Besteuerung im Einsatzstaat. So soll steuerliche Gleichbehandlung erreicht werden.
Was aus unternehmerischer und steuerlicher Sicht pragmatisch und arbeitnehmerfreundlich klingt, erweist sich bei genauerer Betrachtung seit einiger Zeit als arbeitsrechtlich heikel – nämlich immer dann, wenn eine Tarifbindung im Spiel ist.
Bundesarbeitsgericht lehnt TEQ zum Nachteil von Tarifmitarbeitenden ab
Mit Urteil vom 07.09.2022 (5 AZR 128/22) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine klare Grenze gezogen: Eine TEQ-Regelung ist bei normativ gebundenen Tarifmitarbeitenden unzulässig, wenn sie zur Reduktion der tariflich geschuldeten Bruttovergütung (Bruttolohnvereinbarung) führt. Im konkreten Fall wurde einem nach Frankreich entsandten, tarifgebundenen Mitarbeitenden ein Teil des Bruttogehalts zur Finanzierung der Hypotax einbehalten; die Steuerlast in Frankreich wäre für den Mitarbeitenden geringer gewesen als in Deutschland. Dies stellt laut BAG eine Abweichung von der tariflich geschuldeten Bruttovergütung zum Nachteil des Mitarbeiters dar. Auch die Anrechnung der Auslandszulagen ließ das Gericht im konkreten Fall nicht gelten und argumentierte: Die genannten Entsendezulagen ersetzen keine tarifliche Gegenleistung, sondern gleichen nur Mehraufwand im Zusammenhang mit der Entsendung aus. Die Reduktion des tariflichen Bruttolohns war daher unzulässig.
Weitere BAG-Urteile bestätigen die Argumentation
Diese arbeitsrechtliche Beurteilung wurde Ende 2023 durch zwei weitere BAG-Entscheidungen bestätigt.
Mit Entscheidung vom 13.12.2023 (5 AZR 259/22) betonte das BAG erneut, dass Tarifverträge zwingend wirken und TEQ-Regelungen nicht zum Nachteil von Tarifmitarbeitenden vereinbart werden dürfen. Eine einzelvertraglich vereinbarte Abweichung sei nur möglich, wenn keine normative Tarifbindung bestehe, also nur mit Mitarbeitenden, die kein Mitglied in der Gewerkschaft sind.
Gleichzeitig stellte das Gericht in einem anderen Urteil vom gleichen Tag klar (5 AZR 307/22), dass eine unzulässige Betriebsvereinbarung zur Hypotax (siehe Beschluss des Landesarbeitsgerichts München dazu vom 25.09.2029, 4 TaBV52/18) nicht automatisch zur Unwirksamkeit der arbeitsvertraglich individuell getroffenen Regelung – mit Verweis auf die Betriebsvereinbarung – führt. Dies gilt aber auch wiederum nur dann, wenn individualvertraglich nicht nachteilig von einem normativ geltenden Tarifvertrag abgewichen wurde.
Das Zusammenspiel dieser Entscheidungen macht deutlich: Die tarifliche Bindung (für die Mitglieder der Tarifvertragsparteien) wirkt vorrangig, und Hypotax-Modelle müssen sich arbeitsrechtlich daran messen lassen.
Was heißt das für Unternehmen?
Was auf den ersten Blick als sinnvolles Steuerkonzept erscheint, kann arbeitsrechtlich erhebliche Risiken bergen. Die aktuelle Rechtsprechung des BAG stellt klar: Tariflich garantierte Vergütungsansprüche dürfen nicht durch Vereinbarungen zur Steuerübernahme ausgehebelt werden – auch dann nicht, wenn die Regelung einvernehmlich und mit dem Ziel der Gleichbehandlung getroffen wurde.
Für tarifgebundene Unternehmen ergibt sich akuter Handlungsbedarf. TEQ-Regelungen, die in gutem Glauben zur steuerlichen Neutralität eingeführt wurden, können im Nachhinein als unwirksam bewertet werden – mit entsprechenden Nachzahlungsrisiken, etwa bei zu Unrecht einbehaltener Vergütung. Ob und wie lange die Differenz von Mitarbeitenden eingeklagt werden kann, hängt ggf. auch von wirksam vereinbarten Ausschlussklauseln ab – im „worst case“ sind es drei Jahre Verjährungsfrist ab Anspruchsentstehung und Kenntnis.
Anders stellt sich die Lage dar, wenn keine beiderseitige Tarifbindung vorliegt, etwa in tariflosen Betrieben.