Junge Frau mit Headset vor Laptop, umgeben von internationalen Flaggen, vertieft in ein Gespräch.

Global Hiringoder das Märchen vom grenzenlosen Arbeiten in globalen Konzernstrukturen

Teil 1: Steuerliche Herausforderungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Die neue Arbeitswelt stellt Unternehmen zunehmend vor große Herausforderungen. Fachkräfte sind am heimischen Markt nur schwerlich zu finden und nicht zuletzt die Pandemie hat gezeigt, dass eine fast vollständige Entkopplung der Arbeit von den Räumlichkeiten des Arbeitgebers und somit eine digitale Zusammenarbeit auch über Ländergrenzen hinweg technisch problemlos möglich sind. 

Was zunächst futuristisch anmuten mag, war jedoch in global agierenden Unternehmen schon weit vor der Pandemie gelebte Realität. Zentralisierung von Unternehmensfunktionen, virtuelle Geschäftsführung und Zusammenarbeit entlang funktionaler Berichtslinien und in globalen Teams   gehören bereits seit Jahren zum Standard.

Warum also die zum Teil schon gelebte globale Zusammenarbeit nicht noch intensivieren und auch auf die neue Arbeitswelt oder zum globalen Recruiting nutzen? Dies ist technisch problemlos möglich, steuerlich allerdings zumindest herausfordernd.

Die Grundlagen

Bei der Lohnsteuer handelt es sich grundsätzlich um eine Erhebungsform der Einkommensteuer auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daher werden die steuerlichen Folgen in  erster Linie aus Sicht der persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers betrachtet. Für das Unternehmen selbst stellt die Lohnsteuer lediglich einen durchlaufenden Posten dar, ohne Auswirkungen auf die Gewinnermittlung. Dennoch haftet der Arbeitgeber auch international regelmäßig für nicht oder nicht korrekt angemeldete und abgeführte Steuerbeträge.

Im Zusammenhang mit konzerninterner grenzüberschreitender Zusammenarbeit stellen sich unter einkommen- und lohnsteuerlichen Gesichtspunkten insbesondere zwei Fragen: 

  1.  Welchem der beteiligten Staaten ist das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Arbeitseinkommens zuzuweisen? 
  2. Welche (lohn)steuerlichen Verpflichtungen ergeben sich daraus für den Arbeitgeber? 

Grundsatz: Besteuerung im Ansässigkeitsstaat 

Unter der Voraussetzung, dass zwischen den jeweils beteiligten Staaten ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, steht das Recht zur Besteuerung des gesamten Arbeitslohns grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zu.

Ist im Ansässigkeitsstaat des Mitarbeiters zudem nach nationalen Vorschriften ein lohnsteuerlicher Arbeitgeber vorhanden, hat dieser die entsprechenden Verpflichtungen zu erfüllen und eine korrekte Abführung zu gewährleisten.

Liegt im Ansässigkeitsstaat kein lohnsteuerlicher Arbeitgeber vor, beispielsweise weil der Mitarbeiter bei einer Gesellschaft im Ausland angestellt ist, hat der betroffene Beschäftigte seine persönliche Steuerpflicht regelmäßig und ausschließlich über seine Einkommensteuerdeklaration und eine entsprechende Einkommensteuerzahlung zu erfüllen. 

Tätigkeitsstaatsprinzip 

Geht der Arbeitnehmer neben dem Ansässigkeitsstaat oder an dessen Stelle physisch in einem anderen Staat einer Tätigkeit nach, zum Beispiel im Rahmen von Dienstreisen, stellt sich die Frage, ob der andere Tätigkeitsstaat ebenfalls einen Teil des Arbeitslohns besteuern darf.

In der Regel werden Arbeitnehmer nach nationalem Recht des Tätigkeitsstaates ab dem ersten physisch verbrachten Arbeitstag mit ihrem darauf entfallenden Arbeitslohn steuerpflichtig. Die Frage ist nun, ob der Tätigkeitsstaat auch nach Maßgabe des Abkommens das Besteuerungsrecht innehat. Dies ist dann der Fall, wenn (mindestens) eine der folgenden drei Voraussetzungen erfüllt ist:

  1. Der Mitarbeiter überschreitet 183 physische Anwesenheitstage (Musterabkommen) im 12-Monats-Zeitraum/Kalenderjahr/Steuerjahr im Tätigkeitsstaat.
  2. Der Mitarbeiter ist für einen (wirtschaftlichen) Arbeitgeber mit Sitz im Tätigkeitsstaat tätig und sein Gehalt wird von diesem getragen (oder hätte getragen werden müssen).
  3. Der Mitarbeiter ist für eine Betriebsstätte des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat tätig oder begründet diese sogar selbst, zudem wird sein Gehalt von dieser getragen (oder hätte getragen werden müssen).

Ist mindestens eine der drei Voraussetzungen erfüllt, steht dem Tätigkeitsstaat ab dem ersten physisch verbrachten Arbeitstag das Recht zur Besteuerung des auf diesen Staat entfallenden Arbeitslohns zu. In den meisten Fällen folgt daraus auch eine entsprechende Arbeitgeberverpflichtung zum Lohnsteuereinbehalt.

(Wirtschaftlicher) Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat  

Während die Überschreitung der 183 Tage noch einfach auszuzählen und zu dokumentieren ist, stellt die Definition des Arbeitgebers eine weit größere Herausforderung dar.

Grundsätzlich folgt das Steuerrecht hierbei dem „Substance over form“-Gedanken. Es geht in diesem Zusammenhang nicht primär um die zivilrechtliche Arbeitgeberdefinition, sondern es soll vor allem der wirtschaftlichen Betrachtung Rechnung getragen und der Arbeitnehmer dem Unternehmen zugeordnet werden, in dessen Interesse er tätig ist.

Neben den formell im Arbeitsvertrag definierten Zuordnungen stehen wirtschaftlich zwei Kernkriterien im Fokus: die Weisungsgebundenheit gegenüber der Konzerngesellschaft im Tätigkeitsstaat und die Eingliederung in sie. Vereinfacht ausgedrückt: Welche Gesellschaft trägt Kosten, Nutzen und Risiko in Bezug auf den Mitarbeiter?

Befindet sich der wirtschaftliche Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat, folgt in den meisten Ländern eine entsprechende Lohnsteuerverpflichtung des Arbeitgebers, sobald der Arbeitnehmer physisch in diesem Staat tätig wird.

Der Mitarbeiter berichtet an einen Vorgesetzten im Ausland und ist zu regelmäßigen Dienstreisen auch vor Ort.

Der Mitarbeiter berichtet an einen Vorgesetzten im Ausland und ist zu regelmäßigen Dienstreisen auch vor Ort. 

Betriebsstätten im Tätigkeitsstaat

Unter einkommensteuerlichen Gesichtspunkten führen das Tätigwerden des Arbeitnehmers im Tätigkeitsstaat für eine dort belegene Betriebsstätte des Arbeitgebers bzw. die Begründung einer Betriebsstätte durch den Arbeitnehmer zu einem Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates auf den diesem Staat zuzuordnenden Arbeitslohn. Daraus folgt in den meisten Ländern auch eine entsprechende Lohnsteuerverpflichtung des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat.

Auf die Kriterien einer Betriebsstättenbegründung geht die nächste Folge der Serie ein.

Sonderfall: Geschäftsführerklauseln

Neben den dargestellten Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Arbeitslohns bzw. zur Zuordnung des Besteuerungsrechts zwischen den beteiligten Ländern nehmen die sogenannten Geschäftsführerklauseln eine Sonderstellung ein.

Zwar gelten Geschäftsführer auch international in den meisten Staaten gesellschaftsrechtlich als Arbeitnehmer, sie sind jedoch wirtschaftlich deutlich enger mit dem Unternehmen, zu dessen Leitung und Vertretung sie befugt sind, verbunden als ein regulärer Arbeitnehmer.

Daher gehen viele Staaten (nicht so Deutschland!) – und auch die Doppelbesteuerungsabkommen im Rahmen der Geschäftsführerklauseln – in diesem Fall von einem grundsätzlichen Wechsel des wirtschaftlichen Arbeitgebers aus   .

Im Gegensatz zum regulären Arbeitnehmer bedarf es zur Begründung des Besteuerungsrechts für diese Personen in diesem Falle keiner physischen Präsenz im Sitzstaat der Gesellschaft. Vielmehr wird das Besteuerungsrecht ungeachtet der physischen Präsenz dem Sitzstaat der Gesellschaft zugeordnet. In der Regel führt dies zu entsprechenden lohnsteuerlichen Arbeitgeberverpflichtungen. 

Wie lässt sich dieses Problem lösen?

Für reguläre Mitarbeiter ohne Geschäftsführungsbefugnis wird es darum gehen, einen auf das Unternehmen abgestimmten Mittelweg zwischen Häufigkeit der Reisebewegungen, Vermeidung des wirtschaftlichen Arbeitgeberwechsels nach steuerlicher Definition, dem richtigen Verrechnungspreisansatz und nicht zuletzt den Anforderungen aus dem Business zu wählen, um negative steuerliche Folgen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu vermeiden. Dazu bietet sich ein risikoorienterter und holistischer Ansatz an.

Bei Geschäftsführern ist eine Vermeidung steuerlicher Folgen meist nicht vollständig möglich. Daher geht es hier vor allem um die Etablierung stabiler Compliance-Prozesse und um eine gute Dokumentation von Verantwortlichkeiten. Diese Angestelltengruppe genießt in Außenprüfungen regelmäßig hohe Aufmerksamkeit und sollte besonders sorgsam vorab betrachtet werden. 

Thema mit hoher Dringlichkeit

Auch wenn die steuerlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Konzern an sich nicht neu sind, hat nicht zuletzt das am 12.12.2023 vom Bundesfinanzministerium veröffentlichte Schreiben zur Besteuerung des Arbeitslohns nach Doppelbesteuerungsabkommen die Dringlichkeit noch einmal deutlich erhöht. Wie bereits in mehreren Newsletter-Artikeln zu lesen ist, hat sich Deutschland entschieden, internationale Sonderwege zu beschreiten und speziell die Auslegung des Begriffs des wirtschaftlichen Arbeitgebers und die damit einhergehenden Dokumentationsverpflichtungen deutlich zu verschärfen  . 

Spätestens jetzt sollten globale Strukturen rechtssicher aufgesetzt, überwacht und dokumentiert werden, um böse Überraschung im Prüfungsfall zu vermeiden. 

Autor:innen: Heidi Schindler, Markus Harz