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Keine Krankenversicherungspflicht für Doppelrentner mit Wohnsitz in Spanien

Wer aus Deutschland wegzieht, verliert möglicherweise seinen deutschen Versicherungsschutz und seinen Leistungsanspruch für den Pflegefall. Nicht jeder EU-/EWR-Mitgliedstaat hat eine gesetzliche Pflegeversicherung, und Leistungen für den Pflegefall werden ggf. in unterschiedlicher Form durch die gesetzliche Krankenversicherung erbracht. Personen, die in einem anderen EU-/EWR-Mitgliedstaat leben und sowohl eine deutsche Altersrente als auch eine Altersrente des Wohnsitzstaates beziehen, sind nicht in Deutschland krankenversicherungspflichtig. Eine Pflichtmitgliedschaft in der Pflegeversicherung scheidet damit in diesen Fällen regelmäßig aus. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) NRW mit Urteil vom 06.06.2023 bestätigt (L 5 P 73/20).

Wegzug nach Spanien und Rentenbezug

Die Klägerin war bis Ende September 1994 bei einer deutschen Krankenkasse versichert. Dann zog sie nach Spanien und war dort für den Krankheitsfall abgesichert. 2017 beantragte sie sowohl die spanische als auch die deutsche Altersrente, die ihr ab dem 11.08.2017 bzw. 01.06.2017 gewährt wurde. Aufgrund des Rentenbezugs ist sie in Spanien weiterhin krankenversichert. Eine Pflegeversicherung gibt es in Spanien allerdings nicht.

Antrag auf Mitgliedschaft in der deutschen Pflegeversicherung

Die Klägerin beantragte die Anerkennung und Durchführung der Mitgliedschaft in der deutschen Pflegeversicherung. Sie vertrat die Auffassung, dass sie durch die Beantragung der deutschen Altersrente Pflichtmitglied der deutschen Kranken- und Pflegeversicherung geworden ist. Die Krankenkasse lehnte jedoch den Antrag mit der Begründung ab, dass die Klägerin in Spanien und nicht in Deutschland krankenversichert und deshalb eine Mitgliedschaft in der deutschen Pflegeversicherung nicht möglich sei. Auch eine freiwillige Fortsetzung der Mitgliedschaft scheide aus, da die Klägerin zuletzt nicht in Deutschland gesetzlich kranken- und pflegeversichert gewesen und der Antrag nicht innerhalb eines Monats nach Ausscheiden aus der Versicherungspflicht gestellt worden sei.

  • Sofern (in umgekehrten Fällen) bei Bezug einer Rente 

    • das deutsche Sozialversicherungsrecht Anwendung findet und 
    • eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung besteht, 

    sind mit der deutschen Rente vergleichbare Renten aus dem Ausland grundsätzlich den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung als beitragspflichtige Einnahmen gleichgestellt (§ 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Das heißt, auf den Zahlbetrag fallen Beiträge zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung an. Dies gilt auch für Renten aus Drittstaaten. Im Verhältnis zu anderen EU-/EWR-Staaten und zur Schweiz ist allerdings sichergestellt, dass nur in einem Staat Beiträge zu entrichten sind.

LSG: keine Pflichtversicherung

Der 5. Senat des LSG NRW bestätigte die Auffassung des Krankenversicherungsträgers, dass keine Pflichtversicherung in der deutschen Pflegeversicherung bestand. Über eine freiwillige Versicherung hatte das Gericht nicht zu entscheiden, da die Klägerin diesen Punkt in dem Verfahren vor dem LSG nicht weiterverfolgt hat.

Versicherungsschutz endet nicht automatisch mit Wohnsitzwechsel 

Der 5. Senat des LSG NRW erläutert, dass der Versicherungsschutz in der Krankenversicherung der Rentner zumindest europarechtlich durch einen Wechsel des Wohnsitzlandes nicht verloren geht (BSG, Urteile vom 16.06.1999, B1 KR 5/98 R und vom 05.07.2005, B 1 KR 4/04 R). 

Wohnsitzwechsel und Rentenbezug im Wohnsitzstaat

Wenn allerdings in diesen Fällen neben der deutschen Altersrente eine Rente des Wohnsitzlandes bezogen werde, ende die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung und damit auch in der Pflegeversicherung der Rentner (BSG, Urteil vom 26.01.2005, B 12 P 4/02 R). Ob diese zweite Rente schon vor oder erst nach dem Wohnsitzwechsel bezogen werde, spiele keine Rolle. Denn unabhängig davon bestehe keine Notwendigkeit für eine doppelte Versicherungspflicht. 

Daher bestand spätestens mit dem Beginn der spanischen Rente (11.08.2017) keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner und damit auch keine in der Pflegeversicherung der Rentner (BSG vom 26.01.2005, B 2 P 4/02 R). Das Gericht sah keinen überzeugenden Grund, die Pflichtversicherung in der Pflegeversicherung – entgegen den gesetzlichen inländischen Vorgaben – abweichend von derjenigen in der Krankenversicherung zu beurteilen.

Auch vor Bezug der spanischen Rente keine Pflichtversicherung in Deutschland

Darüber hinaus war der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin auch vom 01.06.2017 bis zum 10.08.2017 nicht in Deutschland pflichtversichert war, da sie in Spanien gesetzlich krankenversichert war. 

Die Revision gegen die Entscheidung wurde nicht zugelassen.

Hinweis

Unseres Erachtens basiert die Begründung der Krankenkasse für die Ablehnung einer freiwilligen Pflegeversicherung allenfalls auf innerstaatlichem deutschem Recht. Wir sind der Auffassung, dass hier vorrangig Art. 14 Abs. 2 VO 883/2004 greift, wonach eine Person, die in einem Mitgliedstaat der Pflichtversicherung unterliegt (Spanien) in einem anderen Mitgliedstaat keiner freiwilligen Versicherung unterliegen darf (Deutschland). 

Ihre Kontaktpersonen für diesen Artikel: Nancy Adam, Thorsten Koch