Kindergeld

Kindergeld für volljährige Kinder: BFH-Urteil zum Anspruch zwischen Wehrdienst und Studium

Die berufliche Ausbildung verläuft häufig nicht geradlinig. Nach dem Schulabschluss benötigen viele eine Übergangszeit, um über ihre berufliche Zukunft zu entscheiden, andere finden die für sie geeignete Ausbildung erst nach mehreren Versuchen bzw. mehr als einer Ausbildung. Bei volljährigen Kindern, die bereits eine Erstausbildung abgeschlossen haben, führt eine Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Stunden in der Woche jedoch dazu, dass der Anspruch auf Kindergeld entfällt, selbst wenn sie sich in Ausbildung befinden. Daher ist immer wieder strittig, unter welchen Bedingungen eine Erstausbildung vorliegt, was häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führt. So auch in einem kürzlich vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedenen Fall (Urteil vom 20.02.2025, III R 43/22, Pressemitteilung 028/25 vom 02.05.2025).

Kindergeld für volljährige Kinder

Auch volljährige Kinder unter 25 Jahren können unter bestimmten Umständen beim Kindergeld berücksichtigt werden, (§ 63 Abs. 1 EStG i. V. m. § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG), beispielsweise wenn sie

  • sich in Berufsausbildung befinden,
  • ihre Berufsausbildung nicht beginnen oder fortsetzen können, weil sie keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, oder
  • einen der in § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. d EStG genannten freiwilligen Dienste leisten.

Hat das Kind bereits eine Erstausbildung abgeschlossen, gilt dies allerdings nur, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Unschädlich sind Tätigkeiten mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von höchstens 20 Stunden, Erwerbstätigkeiten mit Ausbildungscharakter und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse.

Freiwilliger Wehrdienst nach Abitur

Im Streitfall absolvierte der Sohn des Klägers nach dem Abitur einen freiwilligen Wehrdienst. Nachdem er die Grundausbildung im Februar 2022 beendet hatte, leistete er Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad (niedrigste Dienstgradgruppe in der Bundeswehr). Dabei handelte es sich nicht um eine Ausbildung zum (Unter-)Offizier. Am ersten Tag der Bewerbungsfrist, dem 15.05.2022, bewarb er sich dann für das Wintersemester 2022/2023. Für das Sommersemester war keine Bewerbung möglich.

Familienkasse: kein Kindergeld für März bis Mai 2022

Der Kläger hatte der Familienkasse bereits im Sommer 2021 mitgeteilt, dass sein Sohn einen Studienplatz suche und der Wehrdienst der Überbrückung diene. Er wolle sich während des Wehrdiensts zwischen einer Offizierslaufbahn mit Studium und dem Studium an einer zivilen Hochschule entscheiden. In der Ausbildungsbescheinigung der Bundeswehr vom 21.04.2022 war vermerkt, dass der Sohn des Klägers nach dem freiwilligen Wehrdienst ein Studium an einer zivilen Hochschule beginnen werde. Die Familienkasse versagte dennoch für die Monate März bis Mai 2022 das Kindergeld.

BFH: Grundausbildung keine schädliche Erstausbildung

Die hiergegen erhobene Klage war im Ergebnis überwiegend erfolgreich. Der BFH entschied, dass der Kläger für die Monate April und Mai 2022 einen Anspruch auf Kindergeld hatte. Der freiwillige Wehrdienst an sich ist kein Grund für die Berücksichtigung eines Kindes beim Kindergeld. Doch der Sohn des Klägers konnte das Studium (d. h. seine Berufsausbildung) nicht beginnen. Die Tätigkeit als Soldat nach dem Ende der Grundausbildung sah das Gericht als unschädlich an. Denn die drei Monate dauernde Grundausbildung ist laut BFH schon deshalb keine erstmalige Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, weil sie nicht mit einer Laufbahnprüfung endet.

Bloße Behauptung genügt nicht als Beweis

Für den Monat März 2022 verneinte der BFH jedoch den Kindergeldanspruch. Der Entschluss des Sohnes, sich um einen Studienplatz an einer zivilen Hochschule zu bemühen, war erst im April 2022 durch objektive Beweise untermauert. Die bloße Behauptung des Kindergeldberechtigten und des Kindes, die Entscheidung sei früher gefallen, reicht für die Begründung des Anspruchs nicht aus.

Handlungsempfehlung 

In vergleichbaren Fällen empfiehlt es sich, gegen die Ablehnung des Kindergeldes unter Verweis auf das Urteil des BFH Rechtsbehelf einzulegen. Dabei sollte sorgfältig geprüft werden, ob der jeweilige Sachverhalt tatsächlich mit dem Urteilsfall vergleichbar ist.