Privat und Gesetzlich Schriftzug an Wand

Krankenversicherung: von privat zu gesetzlich

Streitfall Familienversicherung erreicht das Bundessozialgericht

Die private Krankenversicherung kann im Alter sehr teuer werden. Offenbar ist die Verringerung des Auszahlungsbetrags der Altersrente ein beliebtes Modell, um über die Mitversicherung beim Ehepartner einen Wechsel in die (günstigere) gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu erreichen. Mit Urteil vom 23.07.2024 hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg entschieden, dass in diesen Fällen die voraussichtliche Höhe des durchschnittlichen Einkommens für zwölf Monate maßgeblich ist (L 14 KR 129/24). Nur wenn dieser Betrag die maßgeblichen Einkommenswerte unterschreitet, soll ein Wechsel in die gesetzliche Familienversicherung möglich sein. Wird eine Teilrente lediglich für vier Monate bezogen, reicht dies regelmäßig nicht aus.

Familienversicherung

Kinder, Ehe- sowie eingetragene Lebenspartnerinnen oder -partner können unter bestimmten Voraussetzungen kostenfrei in der GKV mitversichert werden. Unter anderem darf das betreffende Familienmitglied höchstens ein monatliches Gesamteinkommen von 505 Euro (gilt für 2024) erzielen.

Kläger beantragt Teilrente

Der Kläger ist seit 2008 privat krankenversichert und seit Juli 2019 mit der Klägerin verheiratet. Er befindet sich seit dem 01.05.2020 im Ruhestand und bezieht eine gesetzliche Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Ab dem 01.09.2021 wählte er den Bezug einer Teilrente. Die Klägerin beantragte die Aufnahme des Klägers in die Familienversicherung zum 01.09.2021 und begründete den Antrag mit seinen geringen Einkünften ab diesem Datum. Auf Nachfrage teilte die Klägerin mit, dass der Kläger nach etwa drei bis vier Monaten wieder Vollrente beantragen werde.

GKV lehnt Wechsel in die Familienversicherung ab

Die GKV lehnte den Antrag ab, da das regelmäßige monatliche Einkommen die Grenze von 470 Euro übersteige. Der Kläger habe von vornherein geplant, die Teilrente nur für höchstens vier Monate und damit nicht dauerhaft zu beziehen. Die Kläger verwiesen in ihrem Widerspruch gegen die Ablehnung auf die Hinweise des GKV-Spitzenverbandes zum Gesamteinkommen im Rahmen der Prüfung des Gesamteinkommens der Familienversicherung vom 12.07.2019. Danach sei bei der Einkommensprognose auf einen Zeitraum von drei Monaten abzustellen. Sowohl der Widerspruch als auch die Klage vor dem Sozialgericht Neuruppin blieben erfolglos.

Maßgebliches Einkommen für Prüfung der Einkommensgrenze

Zunächst sei zwar das tatsächlich erzielte Gesamteinkommen zugrunde zu legen, doch seien die Einkünfte in den Monaten September bis Dezember 2021 nicht als regelmäßiges Einkommen im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V anzusehen. Denn das Einkommen ab Januar 2022 überstieg unstreitig die geltende Einkommensgrenze.
Die beklagte Krankenkasse hatte demnach – so das LSG – unter Berücksichtigung absehbarer Änderungen (hier der mitgeteilte Wechsel zur Vollrente) eine Prognose zum regelmäßigen Einkommen zu treffen.

Prognosezeitraum

Welcher Prognosezeitraum hier sachgerecht sein soll, beurteilen die Sozialgerichte unterschiedlich. Das LSG hält das Durchschnittseinkommen eines Jahres für maßgeblich. Damit widerspricht es dem LSG Baden-Württemberg, das in einem ähnlichen Fall den Wechsel in die Familienversicherung zugelassen hat (L 5 KR 1336/23).

Ob der Zeitraum vom 01.09.2021 bis zum 31.08.2022 oder der vom 01.01.2021 bis zum 31.12.2021 für die Prognose maßgeblich war, war für die Entscheidung des LSG unerheblich. In seiner Urteilsbegründung erwähnt es jedoch, dass es die erste Alternative für zutreffend hält.

Ausblick: Revision und geplante Gesetzesänderung

Gegen die Entscheidung ist inzwischen die Revision vor dem Bundessozialgericht (BSG) anhängig (B 12 KR 13/24 R). Das BSG wird nun zu entscheiden haben, ob ein privat krankenversicherter Bezieher einer Altersrente die beitragsfreie Familienversicherung über den (gesetzlich versicherten) Ehepartner erreichen kann, indem er vorübergehend eine Teilrente wählt.

Doch der Gesetzgeber hat bereits festgestellt, dass vermehrt Fälle aufgetreten sind, in denen privat krankenversicherte Rentnerinnen und Rentner über ihre Ehegattin bzw. ihren Ehegatten in die GKV wechseln konnten, indem sie gezielt die Höhe ihrer ausgezahlten Rente verringert haben. Diese potenziell bestehende Lücke will er schließen. Mit dem im Entwurf vorliegenden Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG, BT-Drs. 20/1853, S. 15) soll die folgende Regelung eingefügt werden: Ehegatten und Lebenspartner von in der GKV Versicherten können nicht in die GKV wechseln, wenn

  • sie vor dem Bezug der Teilrente nicht gesetzlich krankenversichert waren,
  • sie eine Altersrente als Teilrente in Anspruch nehmen und
  • ihr voller Rentenanspruch oberhalb der Einkommensgrenze der Familienversicherung liegt.

Es wird künftig also voraussichtlich keine Rolle mehr spielen, für wie viele Monate eine Teilrente bezogen wird, da der volle Rentenanspruch für die Prüfung des Zugangs zur Familienversicherung maßgeblich sein wird.

Ihre Kontaktpersonen zu diesem Artikel: Thorsten Koch, Nancy Adam