Arbeitgeber kündigt Grenzgänger und stellt ihn frei
Der Kläger war bei einem Schweizer Unternehmen beschäftigt und hatte nur in Deutschland einen Wohnsitz. Der Arbeitgeber kündigte am 26.04.2016 das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.10.2016 und stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung unwiderruflich von seiner Arbeitsverpflichtung frei. Neben seinen laufenden Bezügen erhielt der Kläger eine Abfindung in Höhe von rund 30.100 Schweizer Franken.
Arbeitstage in der Schweiz und in Deutschland
Im Zeitraum vor der Freistellung (01.01. bis 26.04.2016) hatte der Kläger 11 Arbeitstage in der Schweiz und 52 in Deutschland. Während dieser Zeit kehrte er an 22 Arbeitstagen aufgrund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurück. Das Finanzamt stellte die anteilige Vergütung für die 11 Arbeitstage in der Schweiz frei und behandelte den restlichen Arbeitslohn als in Deutschland steuerpflichtig.
Finanzbehörde bessert nach …
Im Rahmen des Einspruchs- und Klageverfahrens behandelte das Finanzamt die Abfindung insoweit als steuerpflichtig, als der Kläger seine Tätigkeit seit Beginn seiner Beschäftigung bei dem Arbeitgeber in Deutschland ausgeübt hatte. Außerdem wandte es die günstigere Fünftelregelung an. Zudem stellte es den anteiligen Arbeitslohn für die im Streitjahr nicht in Anspruch genommenen Urlaubstage von der Besteuerung frei.
… versagt jedoch vollständige Freistellung der Abfindung und der Vergütung für die Freistellungsphase
Die vom Kläger verlangte Freistellung der gesamten Lohnzahlung für die Freistellungsphase und der gesamten Abfindung von der deutschen Besteuerung lehnte die Finanzbehörde dagegen ab. Die Klage vor dem Finanzgericht blieb (insoweit) erfolglos.
BFH: Grenzgängerregelung greift nicht
Aufgrund des insoweit verkürzten Tätigkeitszeitraums war die in Art. 15a Abs. 2 DBA Schweiz genannte Grenze von 60 Nichtrückkehrtagen neu zu berechnen (Ziffer II.3 des Verhandlungsprotokolls zum DBA-Schweiz vom 18.12.1991) und es ergibt sich eine Grenze von 18 Tagen. Die Grenzgängerregelung war somit nicht einschlägig, da die Zahl der Nichtrückkehrtage den für den Zeitraum bis zur Freistellung maßgeblichen Grenzwert von 18 Tagen überschreitet.
Keine aktive Tätigkeit in der Freistellungsphase
Während der Freistellung von der Arbeit ab dem Zeitpunkt der Kündigung war der Kläger nicht mehr aktiv in der Schweiz tätig. Auch eine Arbeitsausübung im Sinne von Art. 15 DBA-Schweiz aufgrund der Erfüllung einer anderen Verpflichtung gegenüber seinem Schweizer Arbeitgeber lag nicht vor.
Der Kläger ist damit in der Freistellungsphase weder aktiv in der Schweiz tätig geworden noch kann er nach den für sogenannte passive Tätigkeiten entwickelten Grundsätzen so behandelt werden, als habe er seine Tätigkeit in der Schweiz ausgeübt. Deswegen steht allein Deutschland als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die Zahlungen in der Freistellungsphase zu (Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz).
Arbeitstage in der Schweiz
Demnach ist nur das Arbeitsentgelt für die aktive Tätigkeit in der Schweiz in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freizustellen. Tatsächlich hat das Finanzamt einen höheren Betrag freigestellt. Eine Änderung zuungunsten der Kläger kommt wegen des finanzgerichtlichen Verböserungsverbots jedoch nicht in Betracht.
Abfindung in Deutschland steuerpflichtig
Die Abfindung unterliegt in voller Höhe der inländischen Besteuerung. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH zur Rechtslage bis zum 31.12.2016 sind Abfindungen anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz ausschließlich im Ansässigkeitsstaat zu besteuern. Daran ändert auch die Konsultationsvereinbarung vom 17.03.2010 nichts, da eine Konsultationsvereinbarung (bzw. die Rechtsverordnung dazu) lediglich das DBA auslegen, aber nicht abwandeln kann. Die diese Rechtsprechung korrigierende Regelung des § 50d Abs. 12 EStG ist erst ab dem 01.01.2017 in Kraft getreten und damit im Streitjahr noch nicht anwendbar.
Abfindungen: ab 2017 grundsätzlich Vergütung für frühere Tätigkeit
Seit dem Veranlagungszeitraum 2017 gilt § 50d Abs. 12 EStG. Danach gelten Abfindungen, die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, für Zwecke der Anwendung eines DBA als für eine frühere Tätigkeit geleistetes zusätzliches Entgelt. Soweit das Abkommen für solche Abfindungen in einer gesonderten Vorschrift ausdrücklich eine abweichende Regelung trifft, hat diese Vorrang. Die in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG verankerte Rückfallklausel und Rechtsverordnungen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung bleiben ebenfalls unberührt.
Der Gesetzgeber hat somit inzwischen die international gängige Sichtweise im Gesetz verankert. Bei der Aufteilung ist grundsätzlich die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses (ggf. einschließlich der Zeiten der Beschäftigung bei anderen Konzernunternehmen) zu berücksichtigen. Dies ist zwar sachgerecht, stellt Arbeitgeber aber unter Umständen vor größere Herausforderungen.