Grenzüberschreitend

Kündigung mit Freistellung: Kläger scheitert vor dem Bundesfinanzhof

Ein deutscher Arbeitnehmer, der bei einem Schweizer Unternehmen beschäftigt war, kämpfte vor Gericht um die steuerliche Freistellung seiner Abfindung und Lohnzahlungen während der Freistellungsphase. Im Streitfall war die Abfindung zeitanteilig und die Vergütung für die Freistellungsphase in voller Höhe in Deutschland steuerpflichtig (BFH, Urteil vom 01.08.2024, VI R 23/22). Inzwischen gelten für Abfindungen und Vergütungen während der Freistellung (im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses) Sonderregelungen sowohl nach inländischem Recht als auch im Zusammenhang mit dem DBA-Schweiz. Der Fall zeigt wieder einmal, wie wichtig gerade bei grenzüberschreitenden Sachverhalten eine sorgfältige Prüfung der steuerlichen Konsequenzen ist. Dies gilt umso mehr, als die rechtlichen Rahmenbedingungen besonders hier ständig im Fluss sind.

Arbeitgeber kündigt Grenzgänger und stellt ihn frei

Der Kläger war bei einem Schweizer Unternehmen beschäftigt und hatte nur in Deutschland einen Wohnsitz. Der Arbeitgeber kündigte am 26.04.2016 das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.10.2016 und stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung unwiderruflich von seiner Arbeitsverpflichtung frei. Neben seinen laufenden Bezügen erhielt der Kläger eine Abfindung in Höhe von rund 30.100 Schweizer Franken.

Arbeitstage in der Schweiz und in Deutschland

Im Zeitraum vor der Freistellung (01.01. bis 26.04.2016) hatte der Kläger 11 Arbeitstage in der Schweiz und 52 in Deutschland. Während dieser Zeit kehrte er an 22 Arbeitstagen aufgrund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurück. Das Finanzamt stellte die anteilige Vergütung für die 11 Arbeitstage in der Schweiz frei und behandelte den restlichen Arbeitslohn als in Deutschland steuerpflichtig.

Finanzbehörde bessert nach …

Im Rahmen des Einspruchs- und Klageverfahrens behandelte das Finanzamt die Abfindung insoweit als steuerpflichtig, als der Kläger seine Tätigkeit seit Beginn seiner Beschäftigung bei dem Arbeitgeber in Deutschland ausgeübt hatte. Außerdem wandte es die günstigere Fünftelregelung an. Zudem stellte es den anteiligen Arbeitslohn für die im Streitjahr nicht in Anspruch genommenen Urlaubstage von der Besteuerung frei.

… versagt jedoch vollständige Freistellung der Abfindung und der Vergütung für die Freistellungsphase 

Die vom Kläger verlangte Freistellung der gesamten Lohnzahlung für die Freistellungsphase und der gesamten Abfindung von der deutschen Besteuerung lehnte die Finanzbehörde dagegen ab. Die Klage vor dem Finanzgericht blieb (insoweit) erfolglos.

BFH: Grenzgängerregelung greift nicht

Aufgrund des insoweit verkürzten Tätigkeitszeitraums war die in Art. 15a Abs. 2 DBA Schweiz genannte Grenze von 60 Nichtrückkehrtagen neu zu berechnen (Ziffer II.3 des Verhandlungsprotokolls zum DBA-Schweiz vom 18.12.1991) und es ergibt sich eine Grenze von 18 Tagen. Die Grenzgängerregelung war somit nicht einschlägig, da die Zahl der Nichtrückkehrtage den für den Zeitraum bis zur Freistellung maßgeblichen Grenzwert von 18 Tagen überschreitet.

Keine aktive Tätigkeit in der Freistellungsphase

Während der Freistellung von der Arbeit ab dem Zeitpunkt der Kündigung war der Kläger nicht mehr aktiv in der Schweiz tätig. Auch eine Arbeitsausübung im Sinne von Art. 15 DBA-Schweiz aufgrund der Erfüllung einer anderen Verpflichtung gegenüber seinem Schweizer Arbeitgeber lag nicht vor.

Der Kläger ist damit in der Freistellungsphase weder aktiv in der Schweiz tätig geworden noch kann er nach den für sogenannte passive Tätigkeiten entwickelten Grundsätzen so behandelt werden, als habe er seine Tätigkeit in der Schweiz ausgeübt. Deswegen steht allein Deutschland als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die Zahlungen in der Freistellungsphase zu (Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz).

Arbeitstage in der Schweiz

Demnach ist nur das Arbeitsentgelt für die aktive Tätigkeit in der Schweiz in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freizustellen. Tatsächlich hat das Finanzamt einen höheren Betrag freigestellt. Eine Änderung zuungunsten der Kläger kommt wegen des finanzgerichtlichen Verböserungsverbots jedoch nicht in Betracht.

Abfindung in Deutschland steuerpflichtig

Die Abfindung unterliegt in voller Höhe der inländischen Besteuerung. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH zur Rechtslage bis zum 31.12.2016 sind Abfindungen anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz ausschließlich im Ansässigkeitsstaat zu besteuern. Daran ändert auch die Konsultationsvereinbarung vom 17.03.2010 nichts, da eine Konsultationsvereinbarung (bzw. die Rechtsverordnung dazu) lediglich das DBA auslegen, aber nicht abwandeln kann. Die diese Rechtsprechung korrigierende Regelung des § 50d Abs. 12 EStG ist erst ab dem 01.01.2017 in Kraft getreten und damit im Streitjahr noch nicht anwendbar.

Abfindungen: ab 2017 grundsätzlich Vergütung für frühere Tätigkeit

Seit dem Veranlagungszeitraum 2017 gilt § 50d Abs. 12 EStG. Danach gelten Abfindungen, die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, für Zwecke der Anwendung eines DBA als für eine frühere Tätigkeit geleistetes zusätzliches Entgelt. Soweit das Abkommen für solche Abfindungen in einer gesonderten Vorschrift ausdrücklich eine abweichende Regelung trifft, hat diese Vorrang. Die in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG verankerte Rückfallklausel und Rechtsverordnungen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung bleiben ebenfalls unberührt.

Der Gesetzgeber hat somit inzwischen die international gängige Sichtweise im Gesetz verankert. Bei der Aufteilung ist grundsätzlich die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses (ggf. einschließlich der Zeiten der Beschäftigung bei anderen Konzernunternehmen) zu berücksichtigen. Dies ist zwar sachgerecht, stellt Arbeitgeber aber unter Umständen vor größere Herausforderungen.

Neue Rechtslage zur Freistellung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Seit 01.01.2025 ist für den Zeitraum der Freistellung der neue § 50d Abs. 15 EStG einschlägig. Arbeitslohn, der für Zeiten einer (widerruflichen oder unwiderruflichen) Arbeitsfreistellung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird, ist bei der Anwendung eines DBA als Vergütung für die Ausübung einer Tätigkeit in dem Staat zu behandeln, in dem die Tätigkeit ohne die Freistellung ausgeübt worden wäre. Auch hier gilt dies nicht, soweit das Abkommen zu solchen Vergütungen ausdrücklich eine abweichende Regelung enthält. Ebenso bleiben die Rückfallklausel in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG sowie Rechtsverordnungen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung unberührt.

Damit ist der Hinweis in Rn. 362 im BMF-Schreiben vom 12.12.2023 für Veranlagungszeiträume ab 2025 überholt. Dort ist noch die BFH-Auffassung zur bisher geltenden Rechtslage festgehalten, wonach im Falle einer unwiderruflichen Arbeitsfreistellung grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht an den übrigen Vergütungen zusteht. 

Seit 2025 trifft die Neuregelung auch Arbeitnehmer, die (anders als im Streitfall) nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind. Denn Arbeitslohn, der für Zeiten der widerruflichen oder unwiderruflichen Arbeitsfreistellung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird, unterliegt der beschränkten Steuerpflicht, soweit ohne die Freistellung die Arbeit während dieser Zeiten im Inland ausgeübt worden wäre (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. f EStG).


Handlungsempfehlungen

Gerade in grenzüberschreitenden Fällen sind die einzelnen Komponenten des „Abfindungspakets“ äußerst sorgfältig im Hinblick auf ihre steuerliche Behandlung zu prüfen. Im Idealfall sollte dies bereits geschehen, bevor die Vereinbarung getroffen wird. Zu nennen wären hier insbesondere folgende Punkte:

  • Identifizierung der einzelnen Komponenten und der jeweils betroffenen Staaten
  • Prüfung der Behandlung nach deutschem Steuerrecht unter Berücksichtigung des jeweils geltenden Rechtsstandes
  • Klärung, ob ein DBA greift und welches, ggf. kann auch ein anderes zwischenstaatliches Abkommen einschlägig sein
  • ggf. Bestimmung des Ansässigkeitsstaates
  • Prüfung der Regelungen im jeweils anzuwendenden DBA

Im Zweifelslall empfiehlt es sich, eine Lohnsteueranrufungsauskunft einzuholen. Diese bindet allerdings nur das Betriebsstättenfinanzamt und nicht die Veranlagungsfinanzämter. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Finanzbehörde im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer eine andere Sichtweise vertritt. Unbedingt geklärt werden sollte auch, wie die anderen (potenziell) betroffenen Staaten die einzelnen Bestandteile des Pakets behandeln

Autoren: Ursula Beste, Thore Schmitz