Frau präsentiert ein Produkt vor einem aufgebauten Videokamerasetting

Multi State Worker – EuGH zur Prüfung der 25-Prozent-Grenze

Multi State Worker üben in zwei oder mehr EU-Mitgliedstaaten eine Beschäftigung aus. Auch in diesen Fällen stellt das europäische Recht sicher, dass Arbeitnehmende nur dem Sozialversicherungsrecht eines Mitgliedstaates unterliegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer aktuellen Entscheidung die gängige Praxis im Hinblick auf die entscheidenden Kriterien und den zu berücksichtigenden Zeitraum bestätigt (Urteil vom 02.09.2025, C-203/24).

Ausgangsverfahren

Der Kläger wohnte im Jahr 2016 in den Niederlanden. Im strittigen Zeitraum arbeitete er als Schiffer auf einem Binnenschiff und übte seine Tätigkeiten in Belgien, Deutschland und den Niederlanden aus. Das Schiff fuhr im Jahr 2016 zu rund 22 Prozent seiner gesamten Fahrzeit in den Niederlanden. Während des fraglichen Zeitraums war der Kläger im Personalregister eines in Liechtenstein ansässigen Arbeitgebers verzeichnet.

Multi State Worker – anzuwendendes Sozialversicherungsrecht

Wer gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, wenn dort der wesentliche Teil der Tätigkeit stattfindet (Art. 13 Abs. 1 Buchst. a der VO [EU] Nr. 883/2004). Multi State Worker, die keinen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit im Wohnmitgliedstaat ausüben, unterliegen dagegen den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem das Unternehmen oder der Arbeitgeber, das bzw. der sie beschäftigt, seinen Sitz oder Wohnsitz hat (Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 883/2004).

Abweichende niederländische Fassung

Art. 14 Abs. 8 der VO (EU) Nr. 987/2009 regelt, welche Orientierungskriterien bei der Prüfung, ob ein wesentlicher Teil der Tätigkeit im Wohnmitgliedstaat ausgeübt wird, heranzuziehen sind. Die niederländische Sprachfassung dieser Regelung enthält das Wort „mede“ („auch“). Dies hat beim vorlegenden Gericht Zweifel daran hervorgerufen, ob nicht weitere Kriterien maßgeblich sein können.

Vorlagefrage nach weiteren Kriterien

Das Gericht hat daher den EuGH angerufen und wollte insbesondere wissen, ob der zuständige Träger neben der in diesem Staat geleisteten Arbeitszeit und/oder dem dort erhaltenen Arbeitsentgelt weitere Umstände berücksichtigen darf. Allerdings enthalten andere Sprachfassungen (wie etwa die deutsche, die englische oder die französische) das Wort „auch“ nicht.

Der EuGH hat diese Vorlagefrage klar verneint: Ob ein Multi State Worker einen wesentlichen Teil der Arbeitszeit im Wohnmitgliedstaat ausübt, richtet sich im Rahmen einer Gesamtbewertung der Situation dieser Person ausschließlich danach, ob sie mindestens 25 Prozent ihrer Arbeitszeit und/oder ihres Arbeitsentgelts in diesem Mitgliedstaat leistet bzw. erhält. In diesem Zusammenhang sind keine sonstigen Umstände oder Kriterien zu berücksichtigen.

Vorlagefrage zum zu berücksichtigenden Zeitraum

Zudem wollte das vorlegende Gericht wissen, welcher Zeitraum bei der Beurteilung, ob der betreffende Arbeitnehmer einen wesentlichen Teil seiner Beschäftigung im Wohnmitgliedstaat ausübt, zu berücksichtigen ist.

Maßgeblich ist hier die für die folgenden zwölf Kalendermonate angenommene Situation (Art. 14 Abs. 10 VO [EU] Nr. 987/2009). Auch wenn diese Bestimmung nicht konkret festlegt, wann dieser Zeitraum der zwölf zu berücksichtigenden Monate beginnt, ist laut EuGH ihrem Wortlaut eindeutig zu entnehmen, dass die kommenden zwölf Monate maßgeblich sind. Daher ist bei der Beurteilung, ob der betreffende Arbeitnehmer einen wesentlichen Teil seiner Beschäftigung im Wohnmitgliedstaat ausübt, die für die folgenden zwölf Kalendermonate angenommene Situation zu berücksichtigen.

Fazit

Die Entscheidung des EuGH bestätigt die gängige Praxis. Es bleibt dabei, dass – wie schon bisher – lediglich die Dauer der Tätigkeit am jeweiligen Einsatzort und das dafür bezogene Entgelt relevant sind und daher sorgfältig dokumentiert werden sollten.

Autorinnen: Ursula Beste, Nancy Adam