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Nachversteuerung von nach DBA freizustellendem Arbeitslohn

Strenge Nachweispflichten auf dem Prüfstand

Soweit Deutschland laut einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) die Vergütung von der Besteuerung freistellen muss, diese im anderen Staat jedoch nicht besteuert wird, bleibt es für unbeschränkt Einkommensteuerpflichtige unter Umständen nicht bei der Steuerbefreiung. Denn sie ist an die Voraussetzung geknüpft, dass der andere Staat nachweislich bewusst auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat (§ 50d Abs. 8 EStG). In einem vor dem Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Verfahren ist dieser Nachweis laut Vorinstanz nicht gelungen (Finanzgericht Hessen, 11.12.2023, 11 K 13/19). Der Fall wirft nicht nur Fragen zur Nachweispflicht auf, sondern unterstreicht auch die Notwendigkeit klarer und praxistauglicher Vorgaben. Auch wenn die Nachweispflicht nicht im Lohnsteuerabzugsverfahren, sondern erst bei der Veranlagung greift, sollten sich Arbeitgeber mit diesem Thema befassen, denn häufig tragen sie zumindest bei Entsendungen letztlich eine eventuelle zusätzliche Steuerbelastung. 

Abfindung nach Arbeitsausübung in Deutschland und Frankreich

Der Kläger erzielte im Streitjahr unter anderem Einkünfte aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit für eine deutsche GmbH. Im Streitjahr (2009) hatte er einen Wohnsitz in Deutschland und bis Ende September auch in Frankreich. In den Vorjahren übte er seine Tätigkeit teilweise in Deutschland, teilweise in Frankreich aus. Zum 31.12.2009 wurde das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst und der Kläger erhielt für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung.

Vorgelegte Nachweise zur Steuerbefreiung in Frankreich

Im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer legte der Kläger dem deutschen Finanzamt insbesondere die folgenden Unterlagen vor:

  • eine Bescheinigung der GmbH zur Vorlage bei der französischen Finanzbehörde, aus der der Abfindungsbetrag hervorgeht
  • ein französischsprachiges Begleitschreiben zur Steuererklärung eines Avocat und Rechtsanwalts, in dem dieser die Finanzbehörde über die Abfindung informiert hatte und das mit einem Eingangsstempel der französischen Finanzbehörde versehen ist 
  • eine französische Bescheinigung über die Entrichtung (u. a.) der Steuer für das Jahr 2009 
  • einen französischen Steuerbescheid

Daraus, dass ein im Begleitschreiben mitgeteilter Verlust im Steuerbescheid berücksichtigt wurde, schloss der Kläger, dass die französische Finanzverwaltung das Begleitschreiben (und damit auch den Hinweis auf die Abfindung) sorgfältig bearbeitet hatte. Aus den eingereichten Unterlagen ergab sich nach Auffassung des Klägers, dass seine betreffenden Einkünfte in Frankreich ordnungsgemäß versteuert wurden. Die Abfindung sei in Frankreich steuerfrei gewesen, weil es sich beim Restrukturierungsprogramm um einen steuerlich begünstigten PSE (Plan de Sauvegarde de l'Emploi), einen Plan zum Erhalt von Arbeitsplätzen, gehandelt habe. 

Auskunftsersuchen

Auf Anfrage des Veranlagungsfinanzamtes teilte die französische Finanzverwaltung mit, dass die Einkünfte 2009 durch einfache elektronische Erfassung der französischen Einkommensteuererklärung besteuert wurden, also ohne Prüfung der erklärten Beträge. Der Veranlagungszeitraum 2009 sei verjährt und anhand des Sachverhalts könne nicht festgestellt werden, ob die Abfindung nach französischem Recht zu besteuern gewesen wäre. Grundsätzlich sei der den Freibetrag übersteigende Teil der Abfindung zu besteuern bzw. alle im Rahmen eines umfassenden Personalabbau- oder Sozialplans gezahlten Abfindungen (Plan zur Arbeitsplatzsicherung) steuerfrei.

Einspruch erfolglos

Diese Auskunft verstärkte die Zweifel des Finanzamtes, dass Frankreich auf die Besteuerung verzichtet hatte. Der Kläger stellte daraufhin einen Auszug einer E-Mail des Avocat und Rechtsanwalts zur Verfügung, in der stand, die Antwort des französischen Finanzamtes sei unzutreffend. Er habe persönlich bei der für Auslandssachverhalte zuständigen Stelle vorgesprochen und eine Prüfung habe stattgefunden. Das Finanzamt blieb bei seiner Meinung und wies den Einspruch zurück.

Finanzgericht weist Klage ab

Das Finanzgericht Hessen hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Soweit der Kläger seine der Abfindung zugrunde liegende Tätigkeit in Deutschland ausgeübt habe, stehe Deutschland das Besteuerungsrecht von vornherein zu, Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich. Eine Aufteilung hielt das Gericht jedoch für verzichtbar, da der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass Frankreich auf sein anteiliges Besteuerungsrecht verzichtet habe.

Steuerbefreiung nach DBA setzt Nachweis voraus

Sind Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus nichtselbständiger Arbeit laut DBA freizustellen, muss der Steuerpflichtige zusätzlich nachweisen, 

  • dass der andere Vertragsstaat auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder 
  • dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden.

Ansonsten versagt Deutschland insoweit die Steuerfreiheit (§ 50d Abs. 8 Satz 1 EStG) 

Ein Besteuerungsverzicht im Sinne von § 50d Abs. 8 Satz 1 Alt. 1 EStG setzt voraus, dass der ausländische Staat von seinem Besteuerungsrecht bewusst keinen Gebrauch macht. Es genügt daher nicht, dass die Einkünfte tatsächlich nicht besteuert wurden oder dass die ausländische Finanzbehörde lediglich untätig war.

Wie der Besteuerungsverzicht nachzuweisen ist

Finanzgerichte und Fachliteratur sind sich grundsätzlich einig: Der Steuerpflichtige hat den Verzicht durch Vorlage eines entsprechenden Verwaltungsaktes oder einer Bescheinigung des betreffenden Staates oder durch Vorlage von Materialien zum ausländischen Recht (Gesetzestexte, Verwaltungsanweisungen, abkommensrechtliche Regelungen mit einem dritten Staat) vorzulegen. Eine Plausibilitätsprüfung soll daher nicht genügen. Der Steuerpflichtige muss die Beweismittel vielmehr unter Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten beschaffen bzw. vorhalten (§ 90 Abs. 2 Satz 2 AO).

Keine Erleichterung bei der Nachweiserbringung im Streitfall

Der Nachweis erübrigt sich nur dann, wenn der Besteuerungsverzicht dem Amt bereits bekannt ist, was im Streitfall nicht zutraf. Ergibt sich die Nichtbesteuerung bereits aus dem Gesetz, genügt die Vorlage des einschlägigen Gesetzestextes. Auch diese Konstellation liegt hier nicht vor. Erleichterungen bei der Nachweiserbringung gesteht die Finanzverwaltung lediglich für die zweite Alternative der Rückfallklausel zu, nämlich für den Fall, dass die ausländische Steuer tatsächlich gezahlt wurde (§ 50d Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 EStG). 

Voraussetzungen für die französische Steuerbefreiung zweifelhaft

Der Kläger hat nach Auffassung des Finanzgerichts insbesondere nicht nachgewiesen, dass er die Entschädigung im Rahmen eines Sozialplans zum Erhalt der Arbeitsplätze im Sinne der betreffenden Vorschriften des französischen Arbeitsgesetzes erhalten hat und somit die Voraussetzungen für die französische Steuerbefreiung erfüllt. Das Gericht hält dies auch nicht für plausibel, unter anderem da die entsendende Arbeitgeberin eine deutsche Gesellschaft war und somit ein deutscher Arbeitsplatz verloren gegangen ist, kein französischer. Zudem wird im Auflösungsvertrag kein Sozialplan erwähnt.

Die im Klageverfahren vorgelegte Stellungnahme des Avocat und Rechtsanwalts zur französischen Steuererklärung, wonach die Abfindung nach französischem Recht steuerfrei war, lässt das Gericht nicht als Nachweis gelten.

Bewusster Verzicht nicht belegt

Die Abfindung ist in der französischen Steuererklärung nicht angegeben worden, sondern nur im Begleitschreiben des Avocat und Rechtsanwalts und in der bilingualen Bescheinigung der GmbH zur Vorlage beim französischen Finanzamt. Diese sind zwar zusammen mit der Erklärung beim französischen Finanzamt eingegangen, doch die Veranlagung erfolgte elektronisch und ohne weitere Prüfung. Ob die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vorlagen, konnte die französische Behörde auskunftsgemäß nicht mehr feststellen. Daher kann laut Finanzgericht nicht davon ausgegangen werden, dass Frankreich bewusst auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat.

In diesem Zusammenhang hält das hessische Finanzgericht eine Bescheinigung nichtstaatlicher Akteure, also des Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber beauftragten Dritten wie etwa eines ausländischen Steuerberaters, für nicht ausreichend. Auch die bloße Eröffnung der Möglichkeit, den Vorgang zur Kenntnis zu nehmen bzw. zu prüfen, lässt das Finanzgericht nicht gelten. Die Nichtbesteuerung könne beispielsweise auch auf einen Qualifikationskonflikt zurückzuführen sein.

Der Erklärung des französischen Avocat und Rechtsanwalts, er habe bei der zuständigen Stelle vorgesprochen, hält das Gericht entgegen, dass er nicht aus eigener Wahrnehmung bezeugen könne, dass die französische Finanzverwaltung die steuerliche Behandlung der Abfindung tatsächlich geprüft bzw. dass Frankreich insoweit bewusst auf sein Besteuerungsrecht verzichtet habe. Laut Gericht hätte er sich im Nachgang zu dem Gespräch von der zuständigen Stelle eine Bescheinigung über die vollständige Steuerfreiheit der Abfindungszahlung einholen können (und müssen).

Dass der im Begleitschreiben zur Steuererklärung erwähnte Verlust im Steuerbescheid berücksichtigt wurde, konnte das Gericht ebenfalls nicht davon überzeugen, dass die Finanzbehörde die steuerliche Behandlung der Abfindung geprüft hatte. Denn diesen Verlust konnte die Finanzbehörde auch den beigefügten Steuermitteilungen der Bank entnehmen.

Ausblick

Gegen das Urteil wurde Revision vor dem Bundesfinanzhof eingelegt (Aufnahme in die Datenbank des BFH am 20.03.2025). Der BFH wird demnach insbesondere zu entscheiden haben, ob die zur Verfügung gestellten Unterlagen tatsächlich als Nachweis für den Besteuerungsverzicht ungeeignet waren. 

Praxisfolgen

Die strenge Sichtweise des hessischen Finanzgerichts, wonach Dritte wie der Arbeitgeber oder ausländische Steuerberater insoweit keine aussagekräftigen Bescheinigungen ausstellen können, wird nicht von allen Stimmen der Fachliteratur geteilt. Ob der Bundesfinanzhof der Auffassung des hessischen Finanzgerichts folgt, muss sich zeigen. Bis dahin empfiehlt sich eine möglichst konservative Vorgehensweise. Andernfalls besteuert Deutschland möglicherweise im Ausland steuerfreie Vergütungsbestandteile nur deshalb nach, weil die erforderlichen Nachweise nicht vorliegen und (nachträglich) auch nicht mehr beschafft werden können.

Betroffene sollten sich eng an der Urteilsbegründung orientieren. wonach eine positive Verzichtsentscheidung der ausländischen Finanzbehörde durch folgende Nachweise eindeutig zu belegen ist:

  • eine entsprechende Bescheinigung bzw. einen entsprechenden Verwaltungsakt der zuständigen ausländischen Finanzbehörde oder
  • Materialien zum Recht des ausländischen Staates (Gesetzestexte, Verwaltungsanweisungen, abkommensrechtliche Regelung mit einem dritten Staat) oder
  • die ausländische Steuererklärung, aus der der betreffende freizustellende Betrag und der Grund für die Befreiung eindeutig ersichtlich sind, sowie den Nachweis über den Eingang bei der ausländischen Finanzbehörde und die entsprechende Berücksichtigung bei der Veranlagung

Bestätigungen bzw. Bescheinigungen von Dritten (Arbeitgeber, Steuerberater …) betrachtet das Finanzgericht als unzureichend. Ein Nachweis ist ausnahmsweise nicht erforderlich, wenn der Verzicht auf das Besteuerungsrecht der Behörde bereits von Amts wegen bekannt ist. Dies gilt auch im Verhältnis zu Staaten, die generell keine Ertragsteuern erheben, (BMF-Schreiben vom 12.12.2023, Tz. 70). Hier genügt es, wenn die Ausübung der Tätigkeit in diesem Staat nachgewiesen wird, etwa durch eine Arbeitgeberbescheinigung oder eine Reisekostenabrechnung.

Wenn sich die strikte Auffassung des Finanzgerichts Hessen durchsetzen sollte, stellt sich insbesondere die Frage, wie Steuerpflichtige ihren Nachweispflichten nachkommen können, wenn im anderen Vertragsstaat lediglich eine Selbstveranlagung durchgeführt wird oder der Lohnsteuerabzug Abgeltungswirkung hat. Nicht in jedem Fall ergibt sich der Besteuerungsverzicht eindeutig aus dem Gesetz oder aus Verwaltungsanweisungen, wie der Streitfall deutlich macht. Zudem dürfte sich hier die zunehmende Automatisierung seitens der Finanzverwaltung eher als Fluch denn als Segen erweisen, wie der Streitfall ebenfalls zeigt.

Autorinnen: Ursula Beste, Aline Raffner