Nach den Entscheidungen des EuGH und des BAG zur Arbeitszeiterfassung liegt nun ein Referentenentwurf (RefE) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vor, der die Neuregelungen zur Arbeitszeiterfassung konkretisiert und sie auf eine gesetzliche Grundlage stellen soll. In diesem Artikel stellen wir die wichtigsten Punkte des Referentenentwurfs vor und erläutern ihre Bedeutung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Hintergrund: die Entscheidungen von EuGH und BAG
Der EuGH hatte am 14.05.2019 (C-55/18) entschieden, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, ein System zur Aufzeichnung der Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden einzurichten. Im Jahr 2022 folgte das BAG dieser Entscheidung und stellte ebenfalls eine Pflicht zur generellen Aufzeichnung der Arbeitszeit fest (Beschluss vom 13.09.2022, 1 ABR 22/21). Diese Pflicht wurde aus den Grundpflichten des Arbeitgebers zum Arbeitsschutz abgeleitet, konkret aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG.
Die Neuregelungen im Referentenentwurf
Der Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes (RefE-ArbZG) bringt einige wichtige Neuerungen in Bezug auf die Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit:
Form der Zeiterfassung
Der Entwurf legt fest, dass die Erfassung grundsätzlich elektronisch erfolgen muss. Das bedeutet, dass herkömmliche Methoden wie Stundenzettel nur noch in Ausnahmefällen zulässig sind, etwa in Übergangszeiten, aufgrund von Regelungen durch Tarifverträge oder Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen und für Unternehmen mit nicht mehr als zehn Beschäftigten.
Die Arbeitszeit muss nach dem Referentenentwurf noch am Tag der Arbeitsleistung erfasst werden. Eventuelle Korrekturen sollen möglichst zeitnah erfolgen. Der Entwurf sieht eine Mindestaufbewahrungsfrist von zwei Jahren für die Arbeitszeitaufzeichnungen vor. Die Arbeitszeitaufzeichnungen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften zu prüfen, müssen in deutscher Sprache erfolgen und im Inland aufbewahrt werden.
Delegation der Aufzeichnung und Aufbewahrungspflicht
Arbeitgeber können die Verantwortung für die Arbeitszeiterfassung an die Arbeitnehmer oder Dritte (z. B. Vorgesetzte) delegieren. Dennoch bleibt der Arbeitgeber letztendlich für die korrekte Erfassung verantwortlich. Er hat die Aufzeichnenden über die Pflicht zur Zeiterfassung zu informieren und die Aufzeichnungen wenigstens stichprobenweise zu kontrollieren.
Vertrauensarbeitszeit
Trotz der im Referentenentwurf vorgesehenen Regelungen zur Arbeitszeiterfassung bleibt Vertrauensarbeitszeit grundsätzlich weiterhin möglich. Das bedeutet, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiterhin auf eine flexible Arbeitszeitgestaltung setzen können, bei der Beginn und Ende der Arbeitszeit frei bestimmt werden können. In diesem Zusammenhang bleibt es wichtig, dass der Arbeitgeber trotz der Vertrauensarbeitszeit die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zur täglichen Maximalarbeitszeit und zu Ruhepausen sicherstellt.
Bußgelder
Die Pflicht zur elektronischen Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit soll mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 30.000 Euro bewehrt werden.
Abweichende Regelungen durch Tarifverträge
Tarifparteien können von den gesetzlichen Regelungen abweichen, indem sie beispielsweise eine andere Form der Aufzeichnung zulassen, eine längere Frist für die Aufzeichnung vorsehen oder die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für bestimmte Arbeitnehmergruppen ausschließen, bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann (§ 16 Abs. 7 Nr. 3 RefE-ArbZG).
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
Bei Einführung einer neuen Zeiterfassung im Betrieb darf die Mitbestimmung des Betriebsrats nicht vergessen werden. Soweit das Arbeitszeitgesetz entsprechend dem Entwurf verabschiedet wird, hätte der Betriebsrat hinsichtlich der Frage, ob Arbeitszeiten erfasst werden sollen, grundsätzlich kein Initiativ- oder Mitbestimmungsrecht, da dem Arbeitgeber aufgrund der gesetzlichen Vorgabe hierfür kein Spielraum verbliebe.
Allerdings hätte der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, wenn es um die Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtung oder um Regelungen über die gesetzlichen Mindestvorgaben hinaus geht, also im Hinblick auf das Wie. Beziehen Sie Ihren Betriebsrat mit ein, soweit es um die Art und Weise der Arbeitszeiterfassung geht.
Umsetzungsfrist
Die Umsetzungsfrist beträgt nach dem Referentenentwurf ein Jahr. Für Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten wird sie auf zwei Jahre und für Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten auf fünf Jahre verlängert. Arbeitgeber mit bis zu zehn Beschäftigten und ausländische Arbeitgeber ohne Betriebsstätte im Inland, die höchstens zehn Beschäftigte nach Deutschland entsenden, können auf eine elektronische Aufzeichnung verzichten.