Die elektronische Erfassung von Arbeitszeiten soll unbürokratisch erfolgen und dabei für kleine und mittlere Unternehmen angemessene Übergangsregeln vorsehen. Die Vertrauensarbeitszeit soll auch ohne Zeiterfassung im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglich sein. Es bleibt insoweit abzuwarten, ob und in welcher Weise das in der Praxis häufig genutzte Modell der klassischen Vertrauensarbeitszeit EU-rechtskonform ohne eine Erfassung der Arbeitszeit umgesetzt werden kann.
Steuerliche Anreize für mehr Arbeit
Die Koalitionspartner schaffen im Koalitionsvertrag steuerliche Anreize für mehr Arbeit. Zum einen sollen Zuschläge für Mehrarbeit steuerfrei sein, wenn sie über die Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hinausgehen. „Vollzeit“ ist aber nicht gleich „Vollzeit“: Der Maßstab für Vollzeitarbeit bei tariflich festgelegter Wochenarbeitszeit liegt bei mindestens 34 Stunden und bei nicht tariflich festgelegten oder vereinbarten Arbeitszeiten bei 40 Stunden. Letzteres soll offenbar auch dann gelten, wenn insbesondere arbeitsvertraglich eine geringere Wochenstundenzahl als Vollzeit festgelegt wurde: Gilt beispielsweise in einem Betrieb eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden, müssten die Zuschläge für die ersten beiden Überstunden folglich noch versteuert werden, ab der dritten Überstunde dann nicht mehr. Bei einer tariflich festgelegten Wochenarbeitszeit von 38 Stunden würden dagegen bereits ab der ersten Überstunde keine Steuern auf Mehrarbeitszuschläge anfallen.
Teilzeitbeschäftigte werden von dieser steuerlichen Begünstigung nicht erfasst. Dies stellt nach herrschender EuGH- und BAG-Rechtsprechung eine Ungleichbehandlung und damit eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten dar. Ob eine solche in dieser Form gerechtfertigt ist, wird im Zweifel gerichtlich geklärt werden müssen.
Tarifbindung
Die Koalitionsparteien streben eine höhere Tarifbindung an: „Tariflöhne müssen wieder die Regel werden und dürfen nicht die Ausnahme bleiben.“ Deswegen wird die Gesetzesinitiative zum Bundestariftreuegesetz wieder aufgegriffen. Nach dem Gesetzentwurf dürfen öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die tarifvertragliche Arbeitsbedingungen einhalten und ihren Beschäftigten Löhne in Höhe des üblichen Branchentarifs bezahlen. Laut Koalitionsvertrag soll das Bundestariftreuegesetz für Vergaben auf Bundesebene ab 50.000 Euro und für Start-ups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung ab 100.000 Euro gelten.
Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie in nationales Recht
Bereits unter der Ampel-Regierung wurde der Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie mit Spannung erwartet. Ziel der Richtlinie ist die Bekämpfung der Lohndiskriminierung und geschlechtsspezifischer Lohnunterschiede. Auch die Koalitionsparteien setzen sich für „gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Frauen und Männer bis 2030“ ein. Eine entsprechende Kommission soll bis Ende 2025 Vorschläge zur Umsetzung machen. Da die Richtlinie bis Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss, ist dies auch dringend erforderlich. Unternehmen bleibt dann nur noch wenig Zeit zur Vorbereitung. Sie sollten sich bereits jetzt mit den wesentlichen Aspekten der Richtlinie auseinandersetzen.
Bürokratieabbau
Die Koalitionspartner haben sich zudem auf verschiedene Maßnahmen zur Entbürokratisierung verständigt. So sollen zum Beispiel Schriftformerfordernisse, insbesondere im Arbeitsrecht, abgebaut werden, etwa bei Befristungen von Arbeitsverträgen. Weiterhin der Schriftform unterliegen jedoch Kündigungen und Aufhebungsverträge.
Zudem soll im Rahmen eines nationalen „Sofortprogramms für den Bürokratierückbau“ bis Ende des Jahres 2025 insbesondere mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen die Verpflichtung zur Bestellung von Betriebsbeauftragten abgeschafft und der Schulungs-, Weiterbildungs- und Dokumentationsaufwand signifikant reduziert werden.
An der bürokratieabbauenden Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung soll festgehalten werden. Sie soll aber so verändert werden, dass Missbrauch zukünftig ausgeschlossen ist. So soll zum Beispiel eine Online-Krankschreibung über private Online-Plattformen ausgeschlossen werden.
Arbeitsschutz und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen
Die Koalitionsparteien wollen die Prävention von psychischen Erkrankungen stärken und streben auch eine Verbesserung des europäischen Arbeitsschutzstandards an, insbesondere für stark belastete Berufsgruppen wie Berufskraftfahrer. Auch die Arbeitsbedingungen in der Kurier-, Express- und Paketdienstbranche sollen verbessert werden.
Menschen mit Behinderung sollen ihr Recht auf volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt verwirklichen können. In diesem Zusammenhang soll die Aufnahme einer Arbeit für Menschen mit Behinderung verstärkt gefördert werden. Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) sollen mit Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation und der Vermittlungstätigkeit der Bundesagentur für Arbeit vernetzt und die Schwerbehindertenvertretungen gestärkt werden.