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Zukunft der sozialen Systeme: Koalitionsvertrag mit den Schwerpunkten Altersrente und Bürokratieabbau

Am 09.04.2025 haben CDU/CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag vorgelegt, der nun noch final genehmigt werden muss. In dieser Ausgabe berichten wir über die für Arbeitgeber und Arbeitnehmer relevanten Punkte aus den Bereichen Steuern, Sozialversicherung, Immigration und Arbeitsrecht. Im Folgenden gehen wir auf die Vorhaben im Bereich Sozialversicherung ein. 

Statusfeststellungsverfahren 

Mit dem Statusfeststellungsverfahren können Betroffene klären lassen, ob im jeweiligen Einzelfall eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Das Statusfeststellungsverfahren soll schneller, rechtssicherer und transparenter werden, zum Beispiel auch mit Blick auf die Auswirkungen des Herrenberg-Urteils (BSG, Urteil vom 22.06.2022 zur Sozialversicherungspflicht einer Lehrerin an einer Musikschule). Damit geht der Koalitionsvertrag auf wesentliche Kritikpunkte der Selbständigenverbände ein. Konkret soll eine Genehmigungsfiktion eingeführt werden, um das Verfahren zu beschleunigen. Das bedeutet, Anträge, die von der Behörde nicht innerhalb einer bestimmten Frist bearbeitet werden, gelten automatisch als genehmigt. 

Zudem will die Koalition eine gesetzliche Regelung schaffen, die die Sozialversicherungsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten im Bereitschaftsdienst der Krankenversicherung ermöglicht. Die Deutsche Rentenversicherung vertritt derzeit die Auffassung, dass im Bereitschaftsdienst der Krankenversicherung tätige Poolärzte als abhängig beschäftigt einzustufen sind und damit der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Als Poolärzte werden Ärztinnen und Ärzte bezeichnet, die in der Regel ein anderes Arbeitsverhältnis haben (etwa Klinikärzte) oder Ruheständler sind und die Zeiten des Notfalldienstes mit gewährleisten. 

Once-only-Prinzip 

Die Koalitionspartner wollen Berichtspflichten und Datenerhebung weitestmöglich reduzieren. So soll im Kontakt mit den Sozialversicherungen und Verwaltungen künftig nur einmal die Eingabe der jeweiligen Daten erforderlich sein, die dann von Bund, Ländern und Kommunen genutzt und verarbeitet werden können.  

Gesetzliche und betriebliche Altersversorgung 

Die Koalition wird das Rentenniveau in der gesetzlichen Rente bis zum Jahr 2031 bei 48 Prozent gesetzlich absichern. Die Mehrausgaben daraus werden mit Steuermitteln finanziert. Im Sondierungspapier hatte Schwarz-Rot die Rentengarantie von einer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik, einer hohen Beschäftigungsquote und einer angemessenen Lohnentwicklung abhängig gemacht. Außerdem will die Koalition die betriebliche Altersversorgung stärken und ihre Verbreitung insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen und Geringverdienern vorantreiben. Die Übertragungsmöglichkeiten bei einem Arbeitgeberwechsel (Portabilität) sollen verbessert werden. 

Frühstart-Rente 

Zum 01.01.2026 soll eine Frühstart-Rente eingeführt werden. Für jedes Kind vom 6. bis zum 18. Lebensjahr, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, werden dann monatlich 10 Euro in ein individuelles, kapitalgedecktes Altersvorsorgedepot eingezahlt. Ab dem 18. Lebensjahr kann das Depot durch eigene Einzahlungen bis zu einem Höchstbetrag weiter aufgestockt werden

Money Die Erträge aus der Geldanlage sollen bis zum Renteneintritt steuerfrei sein.

Die Besteuerung in der Auszahlungsphase und andere Einzelheiten (Was passiert im Todesfall?) thematisiert der Koalitionsvertrag nicht, vermutlich sind Auszahlungen allerdings in voller Höhe steuerpflichtig (aufgeschobene Besteuerung). Das wäre zumindest systemkonf

Renteneintrittsalter und Aktivrente 

Seit geraumer Zeit wird immer wieder eine Anhebung des Renteneintrittsalters als notwendige Maßnahme zur Entlastung der Rentenkasse (kontrovers) diskutiert. Die Koalition plant dagegen, das gesetzliche Renteneintrittsalter konstant zu lassen und die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren beizubehalten. Tatsächlich steigt das Rentenalter derzeit ohnehin bis zum Jahr 2031 kontinuierlich auf 67 Jahre an. Es ist damit zu rechnen, dass danach weitere Erhöhungen beschlossen werden. 

Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht hat und freiwillig weiterarbeitet, soll sein Gehalt in einer Höhe von bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei vereinnahmen können. Nähere Details zu den steuerlichen Vorgaben finden Sie im Artikel „Neue Steuerbefreiungen und Pauschalen, aber wenig Bürokratieabbau“. Das Vorbeschäftigungsverbot wird laut Koalitionsvertrag aufgehoben, damit Arbeitnehmende nach dem Renteneintritt zum bisherigen Arbeitgeber zurückkehren und dort befristet weiterarbeiten können. Die Hinzuverdienstmöglichkeiten bei der Hinterbliebenenrente sollen ebenfalls verbessert werden.  

Wir gehen davon aus, dass für Rentner, die freiwillig weiterarbeiten, wie bisher die Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung entfällt, aber ein Verzicht auf die Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung möglich ist. Unabhängig davon müssen derzeit Arbeitgeber, die Rentner beschäftigen, für die Solidargemeinschaft den Arbeitgeberanteil zur Renten- und Arbeitslosenversicherung leisten. Es ist zu erwarten, dass dies so beibehalten wird.  

Alterssicherung von Selbständigen – reduzierte Risiken aus Scheinselbständigkeit? 

Die Deutsche Rentenversicherung empfiehlt schon seit Jahren, alle Selbständigen, die nicht bereits obligatorisch einem anderen Alterssicherungssystem gesichert zugeordnet sind (beispielsweise Ärzte, Rechtsanwälte und Steuerberater), in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Die Koalition will diesen Vorschlag in modifizierter Form für alle neuen Selbständigen gründerfreundlich umsetzen. Andere verlässliche Formen der Altersvorsorge bleiben weiterhin möglich. Durch diese Maßnahme würden die potenziellen Risiken aus einer Scheinselbständigkeit im Laufe der Zeit deutlich sinken. Ob dieser Punkt umgesetzt wird, lässt sich schwer einschätzen. Tatsächlich war er bereits 2017 im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD enthalten. 

Mütterrente 

Derzeit erhalten Elternteile, die Kinder erzogen haben, bis zu 2,5 Entgeltpunkte für vor dem 01.01.1992 geborene und bis zu 3 Entgeltpunkte für ab dem 01.01.1992 geborene Kinder. Die Erziehungszeiten sollen künftig – aus Steuern finanziert – einheitlich mit bis zu 3 Rentenpunkten je Kind honoriert werden.  

Künstlersozialversicherung 

Die Künstlersozialversicherung gewährt selbständigen Künstlerinnen und Künstlern sowie Publizistinnen und Publizisten den Versicherungsschutz der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Der Beitragssatz zur Künstlersozialversicherung soll stabilisiert werden. Die Koalitionsparteien wollen prüfen, wie das Abgabeverfahren vereinfacht werden kann, etwa durch eine Pauschalierung. Zudem soll künftig auch die digitale Verwertung künstlerischer Werke der Künstlersozialabgabe unterliegen. 

Riester-Rente 

Die Riester-Rente wird in ein neues Vorsorgeprodukt überführt, das auf zwingende Garantien verzichtet und mit weniger Verwaltungs-, Produkt- und Abschlusskosten belastet ist. Geplant ist eine staatliche Förderung für Personen mit kleinen und mittleren Einkommen. 

Krankenversicherung und Pflege 

Die Koalitionspartner wollen vermeiden, dass die Beitragszahler immer mehr belastet werden, und gleichzeitig den Anstieg der Ausgaben stoppen sowie eine hohe Qualität und ein hohes Niveau der Leistungen sichern. Konkrete Maßnahmen soll eine Kommission bis zum Frühjahr 2027 vorschlagen. 

Unter anderem ist geplant, im Rahmen einer Pflegereform die ambulante und häusliche Pflege zu stärken. Die Grundlagen der Reform soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände noch 2025 erarbeiten und vorlegen. Inwieweit sich eine Stärkung der häuslichen Pflege auf das Arbeitsangebot pflegender Angehöriger auswirkt, muss sich dann zeigen. 

Europäischer Sozialversicherungsausweis und A1-Bescheinigung 

Die Koalition unterstützt einen elektronischen Europäischen Sozialversicherungsausweis mit digitaler EU-Identität (EUDI-Wallet). Die Entsendemeldung in der EU soll erleichtert und mit dem A1-Verfahren gebündelt werden. Insbesondere die A1-Bescheinigung sollen künftig alle digital und sicher mit sich führen können. 

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Pläne von Schwarz-Rot im Bereich der Sozialversicherung im Zeichen des Bürokratieabbaus und der Stabilisierung der Sicherungssysteme stehen. Der Koalitionsvertrag fokussiert sich hier insbesondere darauf, die Finanzierung und die Höhe bzw. Qualität der Leistungen zu stabilisieren. Die Altersrente hat hier mit bereits relativ konkreten Vorhaben besonderes Gewicht. Für die Kranken- und Pflegeversicherung müssen erst noch Lösungsansätze erarbeitet werden.  

Die geplante Genehmigungsfiktion im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens bedeutet für Freelancer und Selbstständige und ihre Auftraggeber weniger Bürokratie und kürzere Wartezeiten im Arbeitsalltag. Projekte können zügiger starten und effizienter abgewickelt werden, da weniger bürokratische Hürden zu überwinden sind, schneller rechtliche Klarheit geschaffen wird und damit mehr Planungssicherheit besteht. 

Es bleibt abzuwarten, ob und wie die geplanten Maßnahmen konkret umgesetzt werden und ob sie tatsächlich die gesetzten Ziele erreichen. Dies wird unter anderem darüber entscheiden, ob es gelingt, das Vertrauen in die sozialen Systeme wieder zu stärken und die Attraktivität des Arbeitsmarktes in Deutschland zu erhöhen. 

Autorinnen: Ursula Beste, Nancy Adam

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