Wegzugsbesteuerung bei Übertragung der Anteile an im Ausland ansässige Person

Die „Wegzugsbesteuerung“ bei unentgeltlichen Anteilsübertragungen auf im Ausland ansässige Steuerpflichtige setzt nicht voraus, dass Deutschland ganz oder teilweise das Recht verliert, die in den unentgeltlich übertragenen Anteilen ruhenden stillen Reserven zu besteuern. So der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 08.12.2021 (I R 30/19, Pressemitteilung 022/22 vom 27.05.2022).

Schenkung an Sohn in den USA

Der Kläger übertrug 2009 einen Anteil an einer deutschen GmbH teilentgeltlich auf seinen in den USA ansässigen Sohn. In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang übertrug er weitere Anteile an seine Ehefrau. Das Vermögen der Gesellschaft bestand überwiegend aus inländischem Grundbesitz.

Steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn angesetzt

Das Veranlagungsfinanzamt ging davon aus, dass für den unentgeltlichen Teil der Übertragung auf den Sohn die Voraussetzungen der „Wegzugsbesteuerung“ nach § 6 Außensteuergesetz (AStG) erfüllt waren. Es setzte bei der Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer daher einen (weiteren) Veräußerungsgewinn an.

Der dagegen eingelegte Einspruch und die Klage vor dem Finanzgericht Köln blieben erfolglos.

BFH weist Revision zurück

Der BFH hat die Revision gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Köln zurückgewiesen. Er schließt sich damit der Auffassung an, dass § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG nicht einschränkend auszulegen ist.

Der Kläger war mindestens zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig und innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens 1 Prozent an der GmbH beteiligt. Zudem hat er Anteile teilentgeltlich auf seinen nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Sohn übertragen, was einer Beendigung der Steuerpflicht durch Wegzug gleichgestellt ist.

Keine einschränkende Auslegung

Die Besteuerung setze nicht voraus, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile durch die Übertragung ausgeschlossen oder beschränkt werde. Damit widerspricht der BFH einigen gewichtigen Stimmen der Fachliteratur. Der Gesetzgeber habe bewusst keine derartige Einschränkung im Gesetz verankert.

Tatsächlich steht Deutschland auch nach der Übertragung der Anteile das Besteuerungsrecht an dem Gewinn aus einem späteren Verkauf der Anteile zu (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG, Art. 13 Abs. 2 Buchst. b DBA-USA). Doch schon das FG hatte hervorgehoben, dass die abstrakte Gefahr bestand, dass die GmbH ihren Charakter als Immobiliengesellschaft verlieren könnte, ohne dass eine Besteuerung in Deutschland ausgelöst würde. Diese Gefahr rechtfertige den sofortigen Besteuerungszugriff.

Fazit und Handlungsempfehlung

Mit diesem neu veröffentlichten Urteil stellt der BFH klar, dass es entgegen der teilweise in der Literatur vertretenen Auslegung der Hauptanwendungsfälle der Vorschrift nicht darauf ankommt, ob tatsächlich ein Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Veräußerungsgewinns vorliegt. Ob diese Sichtweise auch bei einem Wegzug in einen EU-Mitgliedstaat so haltbar ist, muss sich noch zeigen. Der Europäische Gerichtshof könnte hier eine unzulässige Beschränkung der Grundfreiheiten annehmen.

Arbeitgeber, die ihre Beschäftigten auch im Ausland einsetzen, sollten insbesondere bei einer längerfristigen Tätigkeit im Ausland mit Aufgabe des deutschen Wohnsitzes auf das Risiko einer Wegzugsbesteuerung hinweisen. Wie der Streitfall zeigt, sind hier nicht nur eigene Anteile der Assignees an Kapitalgesellschaften relevant; auch unentgeltliche oder teilentgeltliche Übertragungen von Anteilen durch eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Person können die Wegzugsbesteuerung auslösen.