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Zwischen Fortschritt und Herausforderung: Integration von Eingewanderten in Deutschland

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Was Arbeitgeber tun können

Um den Fachkräftemangel zu bewältigen, genügt es nicht, Fachkräfte nur kurzfristig zu gewinnen. Entscheidend ist auch, dass Unternehmen diese Fachkräfte halten können. Eine erfolgreiche Integration ist daher unverzichtbar. Der kürzlich veröffentlichte OECD-Bericht 2024 zur Integration von Migranten in Deutschland zeigt, dass Deutschland zwar in einigen Bereichen gut abschneidet, in anderen jedoch noch viel zu tun ist. Dieser Artikel

  • fasst die für Arbeitgeber besonders relevanten Erkenntnisse des Berichts zusammen,
  • weist auf bereits getroffene Verbesserungsmaßnahmen des Gesetzgebers hin und
  • gibt Empfehlungen, wie Arbeitgeber die Integration ihrer Beschäftigten fördern können.

Immer noch zu wenig Fachkräfte aus dem EU-Ausland

Die verstärkten Bemühungen, Fachkräfte aus dem EU-Ausland zu gewinnen, tragen zwar bereits Früchte: Ihr Anteil an den dauerhaften Zuzügen ist 2022 auf 14 Prozent gestiegen und damit auch der Prozentsatz der Migranten mit hohem Bildungsniveau. Doch im internationalen Vergleich ist der Anteil der Arbeitsmigration aus Nicht-EU-Ländern immer noch (zu) gering.

Integration in den Arbeitsmarkt

70 Prozent der Eingewanderten in Deutschland sind erwerbstätig. Damit übertrifft Deutschland die meisten anderen EU-Vergleichsländer. Gleichzeitig bleibt die Erwerbstätigenquote der hoch qualifizierten Eingewanderten mit 80 Prozent deutlich hinter derjenigen der im Inland Geborenen von 91 Prozent zurück. Außerdem üben nur zwei Drittel dieser Personengruppe eine ihrer Qualifikation entsprechenden Tätigkeit aus.

Unzureichende Sprachkenntnisse als Barriere

Dies lässt sich teilweise auf die (geringeren) Sprachkenntnisse der Eingewanderten zurückführen. Laut einer Online-Studie der OECD sehen 65 Prozent der in Deutschland lebenden Befragten fehlende Deutschkenntnisse als das größte Hindernis im täglichen Leben und 48 Prozent wünschen sich mehr Sprachförderung.

Hürden bei der Anerkennung der beruflichen Qualifikation

Außerdem werden im Ausland erworbene Qualifikationen häufig gar nicht oder nicht als gleichwertig anerkannt. Dies gilt insbesondere für Arbeitskräfte aus Drittstaaten mit Hochschulabschluss. Nur drei Viertel der Eingewanderten, die die Anerkennung ihrer Qualifikation beantragt haben, gaben an, dass der Antrag (teilweise) erfolgreich gewesen sei. Doch die meisten Migranten haben auf den Antrag verzichtet. Als Grund nannten sie unter anderem die Kosten, die Komplexität und mangelnde Informationen über das Verfahren.

Die OECD verweist aber auch auf verschiedene Maßnahmen, die zumindest teilweise Abhilfe schaffen, darunter das Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2020. So können Arbeitgeber etwa das beschleunigte Fachkräfteverfahren nutzen, um die Anerkennung der ausländischen Qualifikation voranzutreiben.

Problemfeld Weiterqualifizierung

Besonders wesentliche Schwächen sieht die OECD bei der Weiterqualifizierung. In Deutschland nehmen weniger Personen an Aus- und Weiterbildungsangeboten für Erwachsene teil als in den meisten anderen EU-Ländern. Dadurch fällt es den Beschäftigten schwer(er), die sich ständig ändernden Anforderungen zu erfüllen.

Fehlende Kinderbetreuungsplätze

Eingewanderte Mütter mit einem oder mehreren Kleinkindern waren 2021 in Deutschland deutlich seltener erwerbstätig als im OECD-Durchschnitt. Ein wesentlicher Faktor sind fehlende Kinderbetreuungsplätze. Das IW Köln warnt vor den Folgen – insbesondere für Kinder von Migranten. Denn Kitas könnten Kindern, die zu Hause wenig oder gar kein Deutsch sprechen, bis zum Schulstart ausreichende Deutschkenntnisse vermitteln.

Diskriminierung

Bei der subjektiv wahrgenommenen Diskriminierung von Migranten aus Nicht-EU-Staaten bewegt sich Deutschland im Mittelfeld der europäischen Hauptzielländer. 2021 gab allerdings etwa eine von 13 erwerbstätigen Personen aus Nicht-EU-Staaten an, am Arbeitsplatz aufgrund ihrer ausländischen Herkunft diskriminiert zu werden, Tendenz steigend.

Fazit

Die OECD bescheinigt Deutschland, dass seine Investitionen in die Integration bereits Früchte getragen haben. Zudem hat der Gesetzgeber insbesondere im Hinblick auf die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen bereits Erleichterungen eingeführt. Doch es besteht weiterhin ein erheblicher Handlungsbedarf.

Quelle: OECD-Studie „Stand der Integration von Eingewanderten – Deutschland“ 

Handlungsempfehlungen von EY: Was können Arbeitgeber konkret tun?

Unternehmen ist unseres Erachtens zu empfehlen, selbst aktiv zu werden. Die OECD-Studie bietet reichlich Anhaltspunkte, wo Handlungsbedarf besteht:

Qualifizierte Tätigkeit ermöglichen

Arbeitgeber sollten ihre Beschäftigten ermutigen, ihre ausländische Qualifikation anerkennen zu lassen und ggf. inländische Qualifikationen zu erwerben. Denkbar ist beispielsweise eine (teilweise) Übernahme der Kosten und/oder Unterstützung beim Antragsprozess.

Auch Deutschkenntnisse sind ein Schlüsselfaktor, damit Migranten eine qualifizierte Tätigkeit ausüben können. Arbeitgeber könnten (ergänzend zu den staatlich geförderten Angeboten) interne oder externe Sprachkurse anbieten bzw. fördern. Maßgeschneiderte Angebote sind besonders erfolgversprechend.

Kinderbetreuung

Unzureichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten beeinträchtigen insbesondere im Ausland geborene Mütter und ihre Kinder. Arbeitgeber sollten daher ihre Beschäftigten bei der Suche nach einer Kinderbetreuung unterstützen bzw. in Betracht ziehen, ein eigenes Kinderbetreuungsangebot einzurichten. Leistungen des Arbeitgebers zur Unterbringung und Betreuung nicht schulpflichtiger Kinder von Beschäftigten in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen sind übrigens steuerfrei, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden (§ 3 Nr. 33 EStG).

Diskriminierung am Arbeitsplatz entgegenwirken

Eine Umfrage von Glassdoor im Jahr 2019 ergab, dass Rassismus (21 Prozent), Geschlecht (24 Prozent) und das Alter (22 Prozent) die häufigsten Gründe für Diskriminierung am Arbeitsplatz sind. Arbeitgebern ist daher dringend zu raten, hier aktiv zu werden.

Als erfolgreich haben sich beispielsweise Patenschafts- bzw. Mentoringprogramme erwiesen. Zu den 16 Best Practices zählt die Charta der Vielfalt etwa Workshops und Informationsmaterial für eine wertschätzende Kommunikation.

Laut einer EY-Studie im Herbst 2023 gibt es weniger Fälle von Diskriminierung, wenn die Führungsebene divers und inklusiv ist. Zudem sind Unternehmen mit einem überdurchschnittlich internationalen Führungsteam mit einer um 39 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit überdurchschnittlich profitabel als Unternehmen mit einer geringen Diversität. So die Studie „Diversity matters even more“ der Unternehmensberatung McKinsey.

Zum eigenen Unternehmen passende Lösungen finden

Um passende Lösungen zu finden, bietet sich zunächst eine Bedarfsanalyse an – idealerweise in Zusammenarbeit mit den betroffenen Personengruppen. Danach ist insbesondere zu klären, welche Maßnahmen zur Unternehmenskultur passen und welche Kosten jeweils damit verbunden sind. In jedem Fall ist eine Erfolgskontrolle anzuraten.

Autoren: Ursula Beste, Christian Bodenloher, Martina Unrau