BFH-Urteil vom 29.August 2024 zur Kettenzusammenfassung – Finanzverwaltung reagiert mit Nichtanwendungserlass

Mit seinem Urteil vom 29. August 2024 schränkte der BFH die Möglichkeit der sog. Kettenzusammenfassung mehrerer Betriebe gewerblicher Art stark ein. Ausgangspunkt ist dabei, dass mehrere von der öffentlichen Hand unterhaltene BgA nach § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG mit steuerlicher Wirkung zusammengefasst werden können, wenn sie

  • gleichartig sind (Nr. 1),
  • zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht (Nr. 2) oder
  • BgA i.S.d. § 4 Abs. 3 KStG (u.a. Versorgungs- und Verkehrsbetriebe) vorliegen (Nr. 3).

Für die Finanzverwaltung reichte es für die technisch-wirtschaftliche Verflechtung (Nr. 2) in der Vergangenheit grundsätzlich aus, wenn die Voraussetzungen zwischen einem BgA und einem weiteren bereits zusammengefassten BgA vorliegen (vgl. BMF-Schreiben vom 12.11.2009, Rz. 5). Mit seinem Urteil vom 29. August 2024 – V R 43/21 - hatte der BFH nun entschieden, dass die Zusammenfassungskriterien des § 4 Absatz 6 aufgrund ihrer systematischen Stellung in § 4 KStG bei einer Zusammenfassung von mehr als zwei BgA jeweils zwischen allen BgA einzeln vorliegen müssen.

Eine solche Einschränkung der Kettenzusammenfassung wäre ein großes Problem für viele Stadtwerke und Kommunen gewesen. Die reduzierten Möglichkeiten zur Verlustverrechnung im steuerlichen Querverbund hätten je nach Einzelfall erhebliche steuerliche Mehrbelastungen nach sich ziehen können.  Auswirkungen hätten sich auch auf die so genannte Mitschlepptheorie beim Bäderquerverbund ergeben, wonach Verluste aus mehreren Schwimmbädern mit Versorgungsgewinnen über eine technisch-wirtschaftliche Verflechtung (z.B. über ein BHKW) mit nur einem Bad verrechnet werden können. Von der BFH-Rechtsprechung betroffen gewesen wären auch kommunale Eigengesellschaften (GmbH, AG), da für diese in der Spartenrechnung (§ 8 Abs. 9 KStG) auch die Zusammenfassungsgrundsätze gelten.

Das Bundesfinanzministerium hatte bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung deutlich werden lassen, dass es die Sichtweise des Gerichtes nicht teilt. Dies schlägt sich nun folgerichtig im Nichtanwendungserlass vom 6. Juni 2025 – IV C 2 – S 2706/00061/002/081 - nieder, der die weitere Anwendung der Regeln des BMF-Schreiben vom 12. November 2009 durch die Finanzverwaltung anordnet.

Das Bundesfinanzministerium begründet seine mit den Ländern abgestimmte Auffassung im Einzelnen wie folgt:

  • Nach § 4 Absatz 6 Satz 1 KStG bestehe sowohl die Möglichkeit der Zusammenfassung eines BgA mit einem einzelnen BgA als auch mit mehreren bereits zusammengefassten BgA. Die Zusammenfassung aufgrund technisch-wirtschaftlicher Verflechtung (§ 4 Absatz 6 Satz 1 Nummer 2 KStG) erfordert, dass nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht. Diese Voraussetzung müsse zu jedem zusammenzufassenden BgA vorliegen – aber auch nur zu diesem. Anderer BgA in diesem Sinne könne sowohl ein noch nicht zusammengefasster originärer BgA i. S. d. § 4 Absatz 1 KStG als auch ein zuvor gemäß § 4 Abs. 6 S. 1 KStG zusammengefasster BgA sein.
  • Das Bundesfinanzministerium erkennt damit ausdrücklich die seit 2009 bestehenden und seitdem finanzgerichtlich unbeanstandeten Verwaltungsgrundsätzen weiter an.
  • Zudem sei eine Kettenzusammenfassung bereits aus Gründen der Gleichbehandlung geboten. Denn es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum nach § 4 Absatz 6 Satz 1 KStG zusammengefasste BgA insoweit strengeren Voraussetzungen unterliegen sollten als originäre BgA nach § 4 Abs. 1 KStG, die ihrerseits auch eine mehrere Betriebe umfassende (organisatorische) Einrichtung darstellen (können). 

Der Nichtanwendungserlass ist für kommunale Betriebe und Eigengesellschaften äußerst positiv, da eine Verlustverrechnung zwischen (dauer-)defizitären und gewinnbringenden Tätigkeiten nach den bisherigen Grundsätzen unverändert möglich ist. Zwar ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass der BFH in einem erneuten Verfahren die erweiterten Zusammenfassungsmöglichkeiten wieder in Frage stellt. Allerdings ist aufgrund der Bindungswirkung eine abweichende Auffassung der Finanzverwaltung nur in Ausnahmefällen zu erwarten. 

Es besteht jetzt Hoffnung, dass im nächsten Schritt der bereits weitgehend abgestimmte Erlassentwurf zu den neuen Zusammenfassungsmöglichkeiten im Bäderquerverbund kommen wird (siehe dazu unseren Beitrag „Weiterentwicklung des Bäder-Querverbunds mit klimafreundlicheren Technologien“ vom 11. Oktober 2024). Damit wäre endlich wieder die erforderliche Sicherheit für weitere Dispositionen im Zusammenhang mit Fragen des steuerlichen Querverbunds erreicht. Dies ist vor allen Dingen für solche Kommunen und Stadtwerke wichtig, die derzeit planen, vorhandene BHKW durch neue technisch zukunftsweisende Technologien zu ersetzen. 

Wir halten Sie über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden.

Direkt zum BMF-Schreiben vom 6. Juni 2025 kommen Sie hier.


Autor:innen: StB Gabriele Kirchhof, StB Judith Reckart