Gemeinsam stark: Kommunale Kooperationen für den digitalen Wandel

Gerade für Kommunen als die wirtschaftlichen und sozialen Zentren unserer Gesellschaft und als unmittelbare Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen besteht die Notwendigkeit zur Beschaffung digitaler Leistungen und Infrastruktur. Dies resultiert aus den Anforderungen der Verwaltungsdigitalisierung nach dem Onlinezugangsgesetz sowie den Bedürfnissen und gesellschaftlichen Anforderungen der örtlichen Gemeinschaft. Digitaler zu werden bezieht sich etwa auf Themen wie Verwaltung, Energieerzeugung und ­versorgung, Energieeffizienz, Umwelt- und Ressourcenschutz, Gesundheit, Verkehrssteuerung, ÖPNV, Tourismus, Stadtentwicklung oder Bildung. Sie dient dazu, als Standort für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen attraktiv und zukunftsfähig zu sein.

Zur Bewältigung der Herausforderungen, die sich Kommunen mit der fortschreitenden Digitalisierung und deren notwendigem Tempo angesichts des Fachkräftemangels sowie knapper Haushaltsmittel, aber auch wegen des schnelllebigen Marktes und dessen innovativer Durchdringung stellt, können Kooperationen und Allianzen mit anderen Kommunen bzw. Städten eine entscheidende Weichenstellung sein. Denn wie schon Henry Ford sagte: „Wenn alle gemeinsam vorankommen, dann stellt sich der Erfolg von selbst ein.“ In den Fokus sollte daher in diesem Sinne die Arbeitsteilung für die Bewältigung ähnlicher Herausforderungen und Ziele gerückt werden.

Doch wie können derartige Kooperationen mit anderen Kommunen aussehen und unter welchen Voraussetzungen sind Gestaltungsvarianten mit Erleichterungen oder gar Befreiungen von der Anwendbarkeit des Vergaberechts möglich?

Mögliche Formen kommunaler Kooperation

Die möglichen Formen kommunaler Kooperation sind vielfältig. Sie kann beispielsweise im bloßen Erfahrungsaustausch oder der gemeinsamen Erarbeitung technischer Lösungen bestehen, in der Nachnutzung von Software oder etwa bei der Beschaffung durch eine Bündelung von Bedarfen unterschiedlicher Kommunen. Sie kann aber auch institutioneller Art sein, etwa durch Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft mit entsprechenden Fachaufgaben, in der personelle Ressourcen und Wissen gebündelt werden.  

Vergabefreiheit verschiedener kommunaler Kooperationsformen

Verbindendes Erfordernis sämtlicher Formen kommunaler Kooperation ist die Prüfung, ob diese jeweils dem Vergaberecht unterliegen. So sind für Kommunen als Gebietskörperschaften ab Erreichen der jeweiligen EU-Schwellenwerte das sog. Kartellvergaberecht des GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) und die VgV (Vergabeverordnung) grundsätzlich anwendbar, mit der Konsequenz, dass über den entsprechenden Bedarf ein Vergabeverfahren durchzuführen ist. Doch wie immer gilt in der Welt des Rechts: Kein Grundsatz ohne Ausnahmen.

So kann es sich für eine institutionelle Kooperation, bei der etwa eine gemeinsame Gesellschaft gegründet wird bzw. bei der an eine (gemeinsam) beherrschte Gesellschaft ein bestimmter Auftrag von der sie kontrollierenden Kommune vergeben werden soll, um einen inhousefähigen Auftrag handeln. Liegen die vergaberechtlichen Voraussetzungen hierfür vor, bedarf es für den jeweils zu vergebenden Auftrag an die Gesellschaft keines Vergabeverfahrens und der entsprechende Auftrag kann direkt vergeben werden.

Eine weitere Möglichkeit zur Kooperation, ggf. im Zusammenhang mit dem Inhouse-Privileg nach § 108 GWB, besteht in der kommunalen Nachnutzung von IT-Komponenten. Ein wichtiger Faktor für eine Nachnutzung von IT wie auch für die digitale Souveränität von Kommunen ist dabei der Einsatz von Open-Source-Lösungen, um etwaigen Anbieterabhängigkeiten entgegenzuwirken. 

Auf interkommunaler Ebene besteht ebenfalls ein Handlungsspielraum über den vergaberechtlichen Ausnahmetatbestand der horizontalen Zusammenarbeit nach § 108 Abs. 6 GWB, der ebenfalls von der Anwendbarkeit des Vergaberechts befreit. Dieser Ausnahmetatbestand knüpft daran an, dass die Erbringung von Dienstleistungen nicht an Dritte ausgelagert werden muss, wenn eine öffentliche Stelle die Möglichkeit hat, ihre im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben mit ihren eigenen administrativen, technischen und anderen Mitteln zu erbringen. In Abgrenzung zu Dritten bzw. zu externen Einrichtungen zählt zu den eigenen Mitteln auch die Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen. Damit eröffnet die genannte Vorschrift – ebenso wie das Inhouse-Privileg des § 108 Abs. 1–5 GWB – die Ausschreibungsfreiheit der Eigenerledigung.

Gemeinsame Beschaffung von IT/Bedarfsbündelung

Ein weiteres kooperatives Instrument kann die gemeinsame Beschaffung von Digitalisierungsprodukten, etwa IT-Systemen, durch mehrere Kommunen sein. Eine gemeinsame Beschaffung wird in § 4 Abs. 2 Satz 1 VgV vorausgesetzt und ist daher vergaberechtlich zulässig. Damit können die jeweiligen Bedarfe der einzelnen Kommunen in einem Auftrag und damit in einem Vergabeverfahren zusammengefasst werden. Dabei ist eine Gestaltung in der Weise möglich, dass die unterschiedlichen Kommunen als Auftraggeber nicht zwingend dieselben/identischen IT-Systeme bzw. ­Komponenten beschaffen, sondern dass es auch technische bzw. funktionale Unterschiede geben kann, um flexibel auf unterschiedliche Anforderungen der jeweiligen Kommune als Auftraggeber an den Leistungsgegenstand reagieren zu können. 

In dieser Konstellation würde zudem die Einkaufstätigkeit der Vergabestelle zentralisiert werden, indem der Einkauf einer bestimmten Kommune, die als einer der Auftraggeber vorgesehen ist, die anderen Auftraggeber vertritt und daher im Namen auch der anderen Auftraggeber als Vergabestelle fungiert und in diesem Rahmen Erklärungen auch im Namen der anderen Auftraggeber abgibt und empfängt. 

Zur Bündelung von Bedarfen kommen zudem bei vordefinierten Produkten und Leistungen Rahmenvereinbarungen in Betracht. Als kooperatives Instrument können hier auf der Beschaffungsseite mehrere Kommunen als öffentliche Auftraggeber Rahmenvertragspartner und damit abrufberechtigt sein. Die ggf. zahlreichen Einzelabrufe und damit die konkrete Beschaffung der Leistungen erfordert dann keine weiteren Vergabeverfahren. Damit kann dann auch die Einkaufstätigkeit der Vergabestelle zentral und effizient aufgebaut werden. Für die Verwendung von Rahmenverträgen spricht außerdem, dass hiermit über entsprechende Skaleneffekte in aller Regel auch bessere Preise und günstige Einkaufsbedingungen erzielt und auch die Verhandlungsposition gegenüber der Anbieterseite deutlich verbessert werden können. 

Fazit

Insgesamt steht fest: Kommunen bzw. Städte als wirtschaftliche und soziale Zentren brauchen die digitale Transformation und müssen sie umsetzen, um wettbewerbsfähig zu sein und ihrer Verantwortung gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern gerecht zu werden. Sie wird allerdings nie „fertig“ sein, sondern unterliegt aufgrund der beständig wachsenden und sich auch wandelnden Aufgaben, Anforderungen und Themen sowie aufgrund der hohen Innovationskraft stets neuen Erfordernissen. Interkommunale Kooperationen sind eine entscheidende Weichenstellung, um diesen Aufgaben gerecht zu werden. Modelle und Formen von Kooperation sind dabei vielschichtig und lassen sich nicht pauschal beurteilen. Gerade vergaberechtliche Implikationen erfordern hier komplexe Kooperations- und Organisationsstrukturen, die wir in unserer Beratungspraxis auch mit Blick auf gesellschafts- und steuerrechtliche Anforderungen rechtssicher gestalten und für die wir vergaberechtliche Handlungsspielräume eröffnen.

AutorInnen: RA Dr. Oliver Wittig, RA Julia Fritz