Finanzverwaltung ändert Abschnitt 2.5 UStAE
Ein aktuelles BMF-Schreiben des Bundesfinanzministeriums ändert die bisherige Verwaltungsauffassung zur umsatzsteuerlichen Besteuerung des Direktverbrauchs von Energieerzeugungsanlagen.
Bislang nahm die Finanzverwaltung an, dass die Zahlung eines KWK-Zuschlags für nicht eingespeisten, sondern dezentral (selbst) verbrauchten Strom gem. § 4 Abs. 3a KWKG 2009 zu einer fiktiven Stromlieferung vom Anlagenbetreiber zum vorgelagerten Netzbetreiber und von diesem zurück an den Anlagenbetreiber führt (sog. Hin- und Rücklieferung). Ebenso wurde beim Direktverbrauch von Strom aus PV-Anlagen eine Hin- und Rücklieferung von Strom unterstellt, wenn der Anlagenbetreiber eine Vergütung nach § 33 Abs. 2 EEG in Anspruch genommen hat (dies gilt für bis zum 31.3.2012 errichtete Anlagen). Die Abrechnung über die Lieferung des Anlagebetreibers an den Netzbetreiber erfolgte regelmäßig im sogenannten Gutschriftsverfahren durch den Netzbetreiber.
In der Praxis löste die Besteuerung einer fiktiven Hin- und Rücklieferung bei Nichtunternehmern und insbesondere auch juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Rahmen des Betriebs von hoheitlichen KWK-Anlagen (z.B. Kläranlagenbetriebe) erhebliche Umsatzsteuer-Belastungen aus, da sie mangels Unternehmereigenschaft nicht zum Vorsteuerabzug für die fiktive Rücklieferung berechtigt waren.
In zwei Urteilen (XI R 18/21 vom 29.11.2022 und V R 22/21 vom 11. Mai 2023, siehe hierzu auch GPS Newsboard-Beitrag vom 1. Juni 2023), hat der BFH der bisherigen Verwaltungsauffassung widersprochen und klargestellt, dass die Zahlung eines KWK-Zuschlags für dezentral verbrauchten Strom nicht zu einer Lieferung oder einer sonstigen Leistung des Anlagenbetreibers und des Netzbetreibers führt. Vielmehr handelt es sich nach der Rechtsprechung des BFH bei der Gewährung des KWK-Zuschlags im Fall des Direktverbrauchs um einen reinen Zahlungsvorgang, der keine Leistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts begründet.
Zudem hat der BFH zwei weitere Entscheidungen zur Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage für die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe bei der Abgabe von Wärme aus einem Blockheizkraftwerk bzw. aus einer Biogas-Anlage getroffen (V R 34/20 vom 15. März 2022 und XI 31/19 vom 9. November 2022).
Diese Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung nun in ihrem aktuellem BMF-Schreiben vom 31.03.2025 zum Betrieb von Energieerzeugungsanlagen übernommen und den Abschnitt 2.5 des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) umfangreich angepasst.
Insbesondere die folgenden Neuregelungen können für Netzbetreiber und juristische Personen des öffentlichen Rechts als Anlagenbetreiber von Bedeutung sein:
- Photovoltaikanlagen: Nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) muss der Netzbetreiber die gesamte vom Betreiber einer Photovoltaikanlage erzeugte Elektrizität abnehmen und vergüten. Umsatzsteuerrechtlich umfasst die Stromlieferung sowohl den physisch eingespeisten als auch den nicht im Rahmen einer Kundenanlage kaufmännisch-bilanziell weitergegebenen Strom (siehe Abschn. 2.5. Abs. 2 UStAE n.F.), wobei die Einspeisevergütung als Entgelt gilt.
Der nicht eingespeiste, dezentral verbrauchte Strom ist nicht Gegenstand einer Lieferung. Soweit bei einem Direktverbrauch der Anlagenbetreiber noch nach dem EEG vergütet wird, ist diese Vergütung als nicht steuerbarer Zuschuss an den Anlagenbetreiber zu behandeln (kein Leistungsaustausch).
- KWK-Anlagen: Nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) wird der Direktverbrauch (dezentraler Verbrauch von Strom durch den Anlagenbetreiber oder einen Dritten) von Strom durch den sog. KWK-Zuschlag gefördert. Aus umsatzsteuerlicher Sicht zählt nur der eingespeiste oder nicht unter Abschn. 2.5. Abs. 2 UStAE n.F. fallende kaufmännisch-bilanziell weitergegebene Strom als Lieferung. Dagegen gilt der nicht eingespeiste, dezentral verbrauchte Strom entsprechend der BFH-Rechtsprechung als nicht geliefert (keine Hin- und Rücklieferung entsprechend BFH-Rechtsprechung).
Hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Behandlung der Zuschläge ist folgendes zu beachten: Der KWK-Zuschlag für den nicht eingespeisten Strom ist als ein nichtsteuerbarer echter Zuschuss zu beurteilen. Gleiches gilt für den KWK-Zuschlag im Rahmen einer Direktvermarktung. Denn in diesem Fall besteht das Leistungsaustauschverhältnis nur zwischen dem Anlagebetreiber und seinem Stromkunden, nicht aber zwischen dem Anlagebetreiber und dem Netzbetreiber.
Bei physisch eingespeistem Strom kann der Anlagenbetreiber vom Netzbetreiber neben dem KWK-Zuschlag eine erhöhte Vergütung nach dem EEG für den von ihm eingespeisten Strom (sog. KWK-Bonus) erhalten. Hierbei handelt es sich unverändert um ein zusätzliches gesetzlich vorgeschriebenes Entgelt für die Stromlieferung des Anlagenbetreibers an den Netzbetreiber und damit nicht um ein Entgelt von dritter Seite für die unentgeltliche Lieferung von selbst erzeugter Wärme.
Abschnitt 2.5 des Umsatzsteueranwendungserlasses enthält weitere Regelungen zur Zuordnung einer Anlage zum Unternehmensvermögen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und einer entsprechenden Korrektur des Vorsteuerabzugs (u.a. durch Entnahmebesteuerung), auf die wir hiermit verweisen möchten.
Anwendungsregelung eröffnet Möglichkeit zur Optimierung
Nach der Anwendungsregelung sind die Grundsätze des Schreibens in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn für die vor dem 01.01.2026 ausgeführten Umsätze (wir gehen davon aus, dass hier auch der Direktverbrauch als Umsatz anzusehen ist) übereinstimmend die bisher geltende Auffassung der Finanzverwaltung angewendet wird.
Zudem wird es für die vor dem 01.01.2026 ausgeführten Lieferungen im Rahmen der Direktvermarktung von KWK-Anlagen nicht beanstandet, wenn der KWK-Zuschlag als ein steuerbares und steuerpflichtiges Entgelt beurteilt wird. Die umsatzsteuerliche Behandlung des KWK-Zuschlags im Rahmen der Direktvermarktung war bisher nicht im UStAE geregelt. Im Ergebnis besteht damit für diesen Zuschlag ebenfalls ein Wahlrecht.
Zusammenfassend empfehlen wir den Netzbetreibern, ihre umsatzsteuerliche Praxis bei der Ausstellung von Gutschriften im Rahmen der Zahlung von KWK-Zuschlägen zeitnah anzupassen (keine Hin- und Rücklieferung). Dies müsste spätestens bis zum 1.01.2026 erfolgen. Sofern einige Anlagenbetreiber eine rückwirkende Anwendung der Grundsätze in dem BMF-Schreiben beanspruchen, sollte dies beim Netzbetreiber sowohl aus rechtlicher Sicht als auch aus steuerlicher Sicht näher angesehen werden.
Öffentliche Körperschaften, die nicht zum Abzug von Vorsteuer aus der Rücklieferung beim Direktverbrauch berechtigt sind, sollten prüfen, für welche Jahre sie durch eine möglichst frühzeitige Anwendung der neuen Grundsätze einen Umsatzsteuervorteil erzielen können. Hierbei ist stets der konkrete Einzelfall unter Beachtung der Änderungsmöglichkeit von Steuerbescheiden nach der AO und der Vorschrift zur Berichtigung von Rechnungen nach § 14c UStG anzusehen.
Werden die Rücklieferungen hingegen beim Anlagenbetreiber im unternehmerischen Bereich unter Aufteilung von Vorsteuer verwendet, so kann eine möglichst lange Anwendung der Altregelung ggf. günstiger sein, um Vorsteuerkorrekturen nach § 15a UStG bzw. unentgeltliche Wertabgaben zu vermeiden (z.B. bei anteiligem Verbrauch für das Schulschwimmen).
Direkt zum BMF-Schreiben kommen Sie hier.
Autorinnen: StB Gabriele Kirchhof, StB Judith Reckart