Ähnlich turbulent wie die letzten Tage der Ampel-Koalition, zeigte sich auch das Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich der Vorschrift des § 4 Nr. 21 UStG. Die Norm zur Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen sollte ursprünglich umfassend überarbeitet werden. Wie es im Steuerrecht jedoch des Öfteren der Fall ist, kam es im Zuge der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 2024 anders als ursprünglich geplant.
Bisherige Rechtslage
Bestimmte Leistungen im Bildungsbereich sind gemäß § 4 Nr. 21 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Dies gilt für Leistungen von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, sofern es sich um eine Ersatzschule handelt oder eine Bescheinigung der jeweiligen Landesbehörde vorliegt. Die Behörde muss bescheinigen, dass die Unterrichtsleistungen auf einen Beruf oder eine Prüfung vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts vorbereitet.
Ebenso sind die Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer an Hochschulen und öffentlichen/ beruflichen Schulen steuerfrei, wenn diese unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienen.
Die Leistungen selbständiger Lehrer an privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden/ berufsbildenden Einrichtungen sind steuerfrei, wenn es sich um eine Ersatzschule handelt oder eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vorliegt.
Die EU-Kommission sowie der EuGH beurteilten die bisherige Rechtslage in der Vergangenheit als nicht mit der MehrwertsteuerSystemRichtlinie (MwStSystRL) vereinbar. Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024 wurde daher eine Anpassung der deutschen Regelung an die europäischen Vorgaben gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL vorgenommen.
Jahressteuergesetz 2024
Der 1. Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 sah vor, das bisherige Bescheinigungsverfahren grundsätzlich neu zu regeln. Die Entscheidung über die Steuerbefreiung sollte nicht mehr von der jeweiligen Landesbehörde getroffen werden, sondern direkt vom zuständigen Finanzamt selbst. Hiermit sollte Verwaltungsaufwand verringert und das Verfahren vereinfacht werden.
Das Jahressteuergesetz 2024 wurde am 18. Oktober 2024 mit einigen Änderungen im Bundestag beschlossen und erhielt am 22. November 2024 die Zustimmung des Bundesrats. Demnach wird die Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 21 UStG zukünftig auch Bildungsleistungen umfassen, die von Körperschaften des öffentlichen Rechts erbracht werden, sofern diese mit solchen Aufgaben betraut sind. Der Umfang der begünstigten Leistungen wird auf „Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen“ ausgedehnt.
Das Bescheinigungsverfahren wird nun doch grundsätzlich weiterhin bestehen bleiben. Aus der (neuen) Bescheinigung muss ersichtlich sein, dass es sich bei der Leistung um Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung handelt. Auch natürliche Personen (sog. „Privatlehrer“) werden zukünftig von der Steuerbefreiung erfasst. Für diese ist keine Bescheinigung erforderlich.
Die Vorschrift des § 4 Nr. 22 UStG, die u.a. eine Steuerbefreiung von bestimmten Umsätzen aus Vorträgen, Kursen und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art von bestimmten Unternehmern regelt, bleibt entsprechend der bisherigen Gesetzeslage unverändert bestehen. Die ursprünglich geplante Einführung einer Steuerbefreiung für die Ausübung von Sport gem. § 4 Nr. 22 c) UStG wurde erstmal nicht umgesetzt, sondern soll zuerst genauer auf ihre Auswirkungen hin untersucht werden.
Auswirkungen in der Praxis und Ausblick
Durch die Anpassungen im Jahressteuergesetz 2024 haben Bildungsanbieter für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2025 neue Bescheinigungen bei der zuständigen Landesbehörde zu beantragen. Dies erscheint aufgrund der gegebenen Kürze im Zeitablauf als nicht in der Praxis umsetzbar.
Ebenso müssen betroffene juristische Personen des öffentlichen Rechts ihre Satzung prüfen und ggf. ergänzen, dass sie mit solchen (Bildungs-)aufgaben betraut sind. Sofern Bildungsanbieter zukünftig keine den neuen Vorschriften entsprechende Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vorweisen, liegt in der Unterrichtserbringung eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistung vor. Korrespondierend hierzu ist dafür die Möglichkeit für Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen eröffnet. Bildungsanbietern steht es somit frei, ob sie von der Steuerbefreiung Gebrauch machen möchten.
Angesichts der kurzen Frist bis zum Inkrafttreten der neuen Regelung im Jahr 2025 wäre es sehr begrüßenswert, dass zeitnah eine Übergangsregelung zur Vorlage neuer Bescheinigungen geschaffen wird.
Autorinnen: StB Bianca Sparacio, StB Sabrina Ohnstedt