Verpackungssteuer: Ein Modell mit Potenzial für Länder und Kommunen?

Die Diskussion um kommunale Verpackungssteuern hat durch die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) neuen Schwung erhalten. Am 27.11.2024 entschied das BVerfG, dass die Verpackungssteuer der Universitätsstadt Tübingen verfassungsgemäß ist. Diese Entscheidung schafft Klarheit für Kommunen, die ähnliche Maßnahmen planen, und könnte als Vorbild für andere Städte dienen.

Zielsetzung der Steuer

Die Verpackungssteuer verfolgt mehrere Ziele: Zum einen soll sie Einnahmen für die kommunalen Haushalte generieren, zum anderen die Vermüllung durch Einwegverpackungen reduzieren. Gleichzeitig setzt sie Anreize für die Einführung von Mehrwegsystemen. Die Steuer wird auf Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck erhoben, die für den unmittelbaren Verzehr von Speisen und Getränken an Ort und Stelle genutzt werden. Endverkäufer, wie Restaurants oder Cafés, tragen die Steuerlast, was sie dazu motivieren soll, nachhaltigere Alternativen anzubieten. Die Tübinger Verpackungssteuer erhebt beispielsweise 0,50 EUR pro Einwegverpackung und 0,20 EUR pro Einwegbesteckset.

Gerichtliche Prüfung

Das BVerfG bestätigte, dass die Tübinger Verpackungssteuer mit dem Grundgesetz vereinbar ist (BVerfG, Beschluss vom 27.11.2024 – Az. 1 BvR 1726/23). Insbesondere wurde geprüft, ob die Verpackungssteuer eine örtliche Verbrauchsteuer und ob sie einer bundesgesetzlich geregelten Steuer gleichartig ist, Art. 105 Abs. 2a S. 1 GG. In diesem Fall obliegt den Ländern bzw. über diese, den Kommunen, die notwendige Gesetzgebungskompetenz.

Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die Tübinger Verpackungssteuer eine örtliche Verbrauchsteuer darstellt, da deren Steuergegenstand, sprich die Verpackungen, typischerweise an Ort und Stelle, damit im Gemeindegebiet und mithin örtlich verbraucht werden. Die Tübinger Verpackungssteuer ist zudem keiner Bundessteuer gleichartig. Auch wurde der Grundsatz der Bundestreue nicht verletzt. Eine Verletzung hätte vorliegen können, wenn der Einwegkunststoffabgabe, die der Verpackungssteuer in gewisser Hinsicht ähnelt, missbräuchlich die finanzielle Grundlage entzogen wäre.

Vergleicht man aber das Ziel der Einwegkunststoffabgabe mit dem der Verpackungssteuer, stellt man fest, dass sich diese nicht entgegenstehen, sondern eher unterstützen. Das Ziel der Einwegkunststoffabgabe liegt darin die Maßnahmen zur Bewältigung der Umweltauswirkungen durch den Abfall zu finanzieren. Die Verpackungssteuer zielt darauf ab, auf Mehrwegartikel oder alternativ zum Recyclen umzustellen. Obendrein werden von der Verpackungssteuer nur einige Verpackungen besteuert, nämlich diese, in denen Speisen und Getränke zum örtlichen Verzehr verkauft werden. Dahingegen umfasst die Einwegkunststoffabgabe deutlich mehr Produkte, z.B. Feuchttücher, Luftballons oder Tabakprodukte, sodass ihr trotz Überschneidungen mit der Verpackungssteuer noch ein eigener Steuergegenstand zur Finanzierung ihrer Ziele verbleibt.

Zudem wird die Verpackungssteuer vom Endverkäufer und die Einwegkunststoffabgabe vom Hersteller entrichtet. Deshalb kann von einem missbräuchlichen Entzug der finanziellen Grundlage der Einwegkunststoffabgabe durch die Verpackungssteuer nicht ausgegangen werden. Zu guter Letzt wurde auch nicht gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung verstoßen. Einfach gesagt, soll mit diesem Grundsatz verhindert werden, dass sich Landesrecht und Bundesrecht nicht entgegenstehen.

Chancen und Grenzen für andere Kommunen

Die Entscheidung des BVerfG eröffnet anderen Kommunen die Möglichkeit, ähnliche Steuern einzuführen, solange sie sich innerhalb der rechtlichen Rahmenbedingungen bewegen. Wichtig ist, dass die Steuer nicht mit bestehenden Bundessteuern gleichartig ist, zu ihnen keinen Widerspruch begründet (Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung), ihnen nicht missbräuchlich die Grundlage entzieht (Grundsatz der Bundestreue) und das Örtlichkeitskriterium erfüllt (siehe ausführlich Zawodsky/Schuster/Schmidt, DStR 2025, 1184 (1186 f.)).

Zudem müssen Kommunen sicherstellen, dass ihre Satzungen rechtlich einwandfrei formuliert und zustande gekommen sind, um nicht an den weiteren Voraussetzungen der formellen Verfassungsmäßigkeit zu scheitern. Darüber hinaus handelt es sich bei der Verpackungssteuer um ein Eingriffsrecht, weshalb der Eingriff in die Grundrechte verhältnismäßig sein muss. Diese Hürden hat die Tübinger Verpackungssteuer nehmen können, wodurch diese als Ausgangsmodell für andere Kommunen oder Länder taugt. Die Stadt Konstanz hat bereits eine ähnliche Steuer eingeführt, und weitere Städte könnten folgen.

Ausblick: Bundes- und EU-Regelungen

Die Einführung einer bundesweiten Verpackungssteuer bleibt eine Option, um eine zersplitterte Steuerlandschaft zu vermeiden. Allerdings muss sich auch der Bund an den Grundsatz der Bundestreue halten und darf einer örtlichen Verbrauchsteuer nicht missbräuchlich die finanzielle Grundlage entziehen. Auf EU-Ebene tritt 2026 die neue Verpackungsverordnung in Kraft, die ökologische Anforderungen an Verpackungen stellt, jedoch keine direkte Steuer vorsieht. Diese Entwicklungen könnten die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Verpackungssteuern weiter beeinflussen.

Die Tübinger Verpackungssteuer zeigt, dass lokale Lösungen möglich und wirksam sein können. Kommunen, die ähnliche Maßnahmen planen, sollten jedoch die rechtlichen Vorgaben genau prüfen und die Entwicklungen auf Bundes- und EU-Ebene im Blick behalten.

Autoren: StB Dr. Florian Zawodsky; Antonio Schmidt