Vorsteuerabzug bei Photovoltaikanlagen: BFH stärkt Rechte der Vermieter

Stellt die Lieferung von Mieterstrom eine unselbständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung oder eine selbständige Hauptleistung dar, sodass aus der Anschaffung einer Photovoltaikanlage ein Vorsteuerabzug resultiert?

Hintergrund

Umsatzsteuerlich ist die Vermietung von Immobilien grundsätzlich nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei. Nebenleistungen zu dieser Vermietungsleistung sind in dieser Konsequenz ebenfalls als steuerfrei zu behandeln. Diese Auffassung vertritt die Finanzverwaltung zumindest auch für viele Nebenleistungen (u.a. die Lieferung von Strom) explizit im Umsatzsteuer-Anwendungserlass gemäß Abschn. 4.12.1. Abs. 5 S. 3 UStAE. Keine Nebenleistungen sind die Lieferungen von Heizgas und -öl. Der Europäische Gerichtshof vertritt in Teilen jedoch seit längerem eine strengere Auffassung und betrachtet insbesondere die klassischen Nebenleistungen wie Strom oder Wasser unter gewissen Umständen als selbständig zu beurteilende und damit steuerpflichtige Leistungen. Die Finanzverwaltung hat diese Urteile bisher nicht angewendet, was auch ursächlich für das nachfolgende Verfahren beim Bundesfinanzhof war.

Das Urteil des Bundesfinanzhof vom 17.07.2024 – XI R 8/21 - befasst sich mit der Frage, ob die Lieferung von Strom aus einer Photovoltaikanlage an Mieter als unselbständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung oder als selbständige Hauptleistung zu betrachten ist. Diese Unterscheidung ist entscheidend für den Vorsteuerabzug, da nur bei selbständigen Hauptleistungen der Vorsteuerabzug möglich ist.

Sachverhalt

Im konkreten Fall hatte der Kläger Photovoltaikanlagen auf zwei Immobilien installiert und den erzeugten Strom an seine Mieter als selbstständige Leistung umsatzsteuerpflichtig geliefert. Die Stromlieferung wurde getrennt von der Miete abgerechnet, und die Mieter hatten die Möglichkeit, den Stromliefervertrag unabhängig vom Mietvertrag zu kündigen. Die mit Umsatzsteuer belasteten Eingangsleistungen des Klägers hatte dieser als Vorsteuer geltend gemacht. Das Finanzamt hat zunächst den Vorsteuerabzug verweigert, da es die Stromlieferung als unselbständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Vermietung betrachtete. Dem hat das FG Niedersachsen in seinem Urteil vom 25.02.2021 widersprochen und festgestellt, dass die Stromlieferung eine selbständige Leistung sei.

Sichtweise des Bundesfinanzhof

Der Bundesfinanzhof bestätigte diese Sichtweise des FG in seinem Urteil vom 17.07.2024. Er entschied, dass die Lieferung von Mieterstrom keine unselbständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung ist, sondern eine selbständige umsatzsteuerpflichtige Leistung darstellt.

  1. Selbständige Leistung: Die Stromlieferungen wurden als selbständige Leistungen angesehen, da die Mieter die Freiheit hatten, ihren Stromanbieter zu wählen. Der BFH betonte in diesem Zusammenhang, dass die Mieter kraft Gesetzes das Recht haben, ihren Stromlieferanten frei zu wählen. Dies wird durch das gesetzliche Koppelungsverbot von Miet- und Energieversorgungsverträgen gemäß § 42a Abs. 2 EnWG unterstützt.
  2. Vorsteuerabzug: Der Steuerpflichtige konnte die Vorsteuer aus der Anschaffung der PV-Anlage vollständig abziehen, da die Kosten der Photovoltaik-Anlage zu den Kostenelementen der besteuerten Ausgangsumsätzen gehörten und in das Entgelt für den gelieferten Strom einflossen.

Damit hat sich der BFH hinsichtlich der Steuerbefreiung von Stromlieferungen in Vermietungsfällen nun explizit gegen die Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. Abschnitt 4.12.1 Abs. 5 S. 3 UStAE) gewandt. Entsprechend dürfte vorerst geklärt sein, dass zumindest die Rechtsprechung eine eigenständige Beurteilung von Stromlieferungen für Zwecke der Umsatzsteuer verlangt, sofern die im Urteil genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Ansätze könnten auch auf Lieferungen von Wasser und Wärme (also auf die sonstigen Nebenkosten) übertragbar sein.

Interessant ist zu erwähnen, dass der BFH den von der Finanzverwaltung angebrachten Grund einer stark verkomplizierten Nebenkostenabrechnung durch Atomisierung der Leistungsbestandteile eine klare Absage erteilt hat (vgl. Tz. 41 des oben genann Urteils). Die klare Absage führt nun zu erheblichen Handlungsdruck seitens der Finanzverwaltung.

Fazit

Das Urteil des BFH verdeutlicht, dass die Lieferung von Mieterstrom unter bestimmten Bedingungen als selbständige steuerpflichtige Leistung behandelt werden kann, was den Vorsteuerabzug ermöglichen könnte.

Hinweis: Die Finanzverwaltung hat bislang noch nicht auf das Urteil reagiert. Abschnitt 4.12.1 Abs. 5 S. 3 UStAE besagt unverändert, dass die Lieferung von Strom als unselbständige Nebenleistung ebenfalls umsatzsteuerfrei zu behandeln ist. Es gibt bereits weitere Urteile (z.B. FG Münster, Urteil vom 18.02.2025, 15 K 128/21 U), die die vorstehend erläuterte Auffassung des BFH bestätigen. Es bleibt somit abzuwarten, ob und wie die Finanzverwaltung auf die Entwicklung in der Rechtsprechung reagieren wird.

Vermieter, die in erneuerbare Energien investieren und ihre Mieter mit eigenproduziertem Strom versorgen, könnten sich auf das vorstehende Urteil beziehen und den Strom umsatzsteuerpflichtig liefern. Dies wird jedoch bei neuangeschafften PV-Anlagen wegen des 0%-Steuersatzes bei bestimmten Anschaffungen oftmals keine Auswirkung haben und damit im Ergebnis lediglich die Miete unnötig verteuern. Solange die Finanzverwaltung nicht auf das Urteil reagiert, ist es in Abhängigkeit der individuellen Umstände i. d. R. empfehlenswert, den Strom weiterhin als steuerfreie Nebenleistung zu deklarieren.

Vermieter, die Strom einkaufen und an ihre Mieter weiterbelasten, hätten bei umsatzsteuerpflichtigen Stromausgangsumsätzen einen Vorsteuerabzug auf die eingekauften Stromlieferungen. Eine steuerpflichtige Weiterbelastung wäre jedoch nur bei vorsteuerabzugsberechtigten Mietern mit einem Vorteil verbunden. Bei nicht vorsteuerabzugsberechtigten Mietern sollte sich durch eine steuerpflichtige Weiterbelastung im Ergebnis nichts ändern. Ob nun EUR 119 (inkl. Umsatzsteuer) eingekauft und als Bruttobetrag weiterbelastet wird oder ob EUR 100 + EUR 19 Umsatzsteuer ohne Vorsteuerabzug beim Mieter weiterbelastet wird, ändert im wirtschaftlichen Ergebnis des Mieters nichts. In beiden Fällen ist er mit EUR 119 belastet. Es ist daher individuell zu prüfen, inwiefern eine frühzeitige Anwendung der BFH-Rechtsprechung sinnvoll erscheint.

Zudem bleibt in Bezug auf weitere Nebenleistungen abzuwarten, ob (falls überhaupt) die Finanzverwaltung sich nur zu der Lieferung von Strom äußert oder ob auch andere Nebenleistungen umfasst sein werden.

AutorInnen: StB Sebastian Heuser, StB Lisa Hüllbüsch