Bei fehlender und mangelhafter Buchführung ist die Finanzverwaltung grundsätzlich berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Dies führt sowohl hinsichtlich der Schätzungsbefugnis als auch der heranzuziehenden Schätzungsmethoden häufig zu Streit zwischen Steuerpflichtigen und Finanzämtern. Insbesondere zu Letzterem äußert sich der BFH in einem aktuellen Urteil.
Der BFH stellt zunächst fest, dass es sich bei der Auswahl der Schätzmethode um eine Ermessensentscheidung gem. § 5 AO handelt. Echte Wahlfreiheit bei Auswahl der Methode käme dem Finanzamt aber nur dann zu, wenn mehrere gleich geeignete Schätzungsmethoden zur Auswahl stünden. Ansonsten müsse sich das Finanzamt für diejenige Schätzungsmethode entscheiden, welche die größere Gewähr dafür bietet, mit zumutbarem Aufwand das wahrscheinlichere Ergebnis zu erzielen. Genauere Methoden haben hierbei im Rahmen des Ermessens tendenziell Vorrang vor ungenaueren Methoden. Diese Maßstäbe hat der BFH auch im Besprechungsurteil angewandt und kam hierbei für die sog. Richtsatzsammlung zu neuen Erkenntnissen.
Konkret ging es um die Anwendung eines äußeren Betriebsvergleichs mittels der sog. Richtsatzsammlung im Verhältnis zum sog inneren Betriebsvergleich. Bei den Methoden zur Schätzung von Besteuerungsgrundlagen wird zwischen beiden unterschieden. Beim inneren Betriebsvergleich werden Kennzahlen innerhalb desselben Betriebs, in der Regel über mehrere Zeiträume, herangezogen. Beim äußeren Betriebsvergleich erfolgt ein Vergleich mit ähnlichen Betrieben derselben Branche.
Zum Verhältnis dieser beiden Ansätze zueinander äußerte sich der BFH mit seinem Urteil vom 18.06.2025 (X R 19/21). Der Senat führte aus, dass Finanzämter und Finanzgerichte grundsätzlich im Rahmen ihres Ermessens sowohl auf den inneren Betriebsvergleich als auch den äußeren Betriebsvergleich zurückgreifen können. Generell gelte es zu beachten, dass der innere Betriebsvergleich als die grundsätzlich zuverlässigere Schätzungsmethode vorzugswürdig sei. Die Schätzung und die ihr zu Grunde gelegte Methode müsse durch das Finanzamt bzw. Finanzgericht nachvollziehbar begründet werden.
Auf den äußeren Betriebsvergleich sei nach Ansicht des BFH zurückzugreifen, wenn andere, tendenziell genauere, Methoden im Einzelfall nicht zur Verfügung stehen oder mit zumutbarem Aufwand nicht anwendbar sind. Dabei sollen für den Vergleich möglichst Betriebe herangezogen werden, die aus der gleichen Branche stammen und sich auch im Hinblick auf Betriebsgröße, Lage, Organisation und Kundenstamm ähneln.
Im konkreten Fall äußerte sich der BFH zur Richtsatzschätzung (amtliche Richtsatzsammlung des BMF) als besondere Form des äußeren Betriebsvergleichs. Diese werde von höchstrichterlicher Rechtsprechung bislang als grundsätzlich zulässig erkannt. Allerdings äußerte der BFH grundlegende Zweifel hinsichtlich der Repräsentativität der erhobenen Daten innerhalb der Sammlung, bspw. wegen des a priori Ausschlusses von Verlustbetrieben aus der Grundgesamtheit. Laut BFH käme eine Schätzung nach amtlichem Richtsatz insofern nur bei Betrieben in Betracht, bei denen Aufzeichnungen derart lückenhaft oder inhaltlich zweifelhaft geführt wurden, dass sie als Grundlage für einen inneren Betriebsvergleich nicht in Betracht kommen.
Bereits in der vergangenen Woche hatte sich der BFH in einem weiteren für Betriebsprüfungen relevanten Urteil geäußert, in dem er ausführte, dass steuerrelevante E-Mails grundsätzlich aufbewahrungspflichtige Unterlagen sind, ein Verlangen des Außenprüfers auf Vorlage des Gesamtjournals aber regelmäßig abzulehnen ist (vgl. EY-Steuernachricht v. 18.09.2025).
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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