BFH zum Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung bei Parallelimporten

Die Frage der Vorteilszuwendung von deutschen Pharmavertriebsgesellschaften an ihre ausländischen Muttergesellschaften aufgrund sog. Parallelimporte von (Original-)Arzneimitteln führt zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen regelmäßig zu Diskussionen. Die Finanzverwaltung vertritt regelmäßig den Standpunkt des Vorliegens einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA), da angeblich eine zusätzliche Vergütung der inländischen Pharmavertriebsgesellschaft aufgrund ihrer Marketingaktivitäten, die auch den Absatz der Parallelimporte steigern, fehlt. Nun hat sich der BFH positioniert und im Grundsatz bestätigt, dass in einem solchen Fall eine vGA vorliegen kann. Wegen rechtsfehlerhafter Prüfung der Vorinstanz und unzureichenden Feststellungen musste der BFH jedoch an die Vorinstanz zurückverweisen. Diese muss nun im zweiten Rechtsgang die Vorgaben des BFH beachten und sich insbesondere auch mit der Frage der Höhe der vGA auseinandersetzen.  

Der BFH hatte über einen Fall zu entscheiden, in welchem das Wirkungsgefüge zwischen den Marketingaktivitäten der inländischen Vertriebsgesellschaft eines ausländischen Pharmakonzerns und sogenannten Parallelimporten im Fokus stand.  Sog. Parallelimporte von Arzneimitteln sind bedingt durch Preisunterschiede in unterschiedlichen europäischen Märkten und erfolgen außerhalb der Konzernsphäre, d.h. der sog. Parallelimporteur ist keine Konzerngesellschaft des Pharmakonzerns. Der Parallelimporteur kauft bei Großhändlern in Mitgliedstaaten der EU mit einem verhältnismäßig niedrigen Preisniveau pharmazeutische Originalprodukte ein, um diese im Anschluss in einem anderen Land, z.B. Deutschland, mit einem verhältnismäßig hohen Preisniveau zu verkaufen. Parallelimporteure treten damit als Konkurrenten der jeweiligen Landesvertriebsgesellschaften des Pharmakonzerns am Markt auf. Im pharmazeutischen Bereich besteht zudem in Deutschland die Besonderheit, dass für inländische Apotheken eine gesetzliche Verpflichtung besteht, einen gewissen Anteil an Originalprodukten von den Parallelimporteuren zu beziehen, sofern diese preislich deutlich günstiger sind (§ 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Das bedeutet, die Entscheidung darüber, ob ein parallel importiertes Originalprodukt oder ein über die inländische Vertriebsgesellschaft des Herstellers bezogenes Originalprodukt abgegeben wird, obliegt allein der jeweiligen Apotheke.

In der Praxis herrscht insbesondere zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung Streit darüber, ob der inländischen Pharmavertriebsgesellschaft eine zusätzliche Vergütung für Parallelimporte zusteht. Die Finanzverwaltung ist hierbei der Auffassung, dass die Marketingaktivitäten der inländischen Konzernvertriebsgesellschaft bei den Parallelimporteuren und sodann auch mittelbar bei der Muttergesellschaft des Pharmakonzerns zu wirtschaftlichen Vorteilen führen, da der Umsatz/Gewinn bei der Muttergesellschaft durch den Verkauf der Originalprodukte insgesamt steigt. Dies müsse daher entsprechend bei der Pharmavertriebsgesellschaft vergütet werden, andernfalls liege bei dieser eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) aufgrund einer verhinderten Vermögensmehrung vor. Diese Auffassung vertrat auch das Finanzamt im vorliegenden Fall.

Nachdem das FG Nürnberg die Annahme einer vGA zunächst abgelehnt hat (Urteil vom 20.07.2021, 1 K 1388/19), hat nun der BFH mit Urteil vom 11.12.2024 (I R 41/21) im Grundsatz bestätigt, dass in einem solchen Fall eine vGA vorliegen kann. Eine abschließende Würdigung konnte der BFH jedoch nicht vornehmen, da der von der Vorinstanz im Rahmen der Prüfung einer vGA durchgeführte Fremdvergleich (Ansatz einer vGA „dem Grunde nach“) nicht rechtsfehlerfrei erfolgt sei. Dieser war daher vom BFH zu verwerfen und ist nun vom FG auf Basis der Vorgaben des BFH erneut durchzuführen. Auch hat das FG im zweiten Rechtsgang Feststellungen hinsichtlich des Ansatzes einer vGA „der Höhe nach“ nachzuholen. 

Richtungsweisend stellte der BFH klar, dass im konkreten Fall die aufgestellten Grundsätze zu einer Vermögensverlagerung durch eine Aufwandsersparnis beim Gesellschafter zu beachten sind. Danach kann sich eine Vorteilseignung bei einer vGA in Form einer verhinderten Vermögensmehrung insbesondere daraus ergeben, dass der Gesellschafter (hier: die ausländische Muttergesellschaft des Pharmakonzerns) eigenen Aufwand erspart, weil die Gesellschaft ihn trägt (hier: Marketingaktivitäten der inländischen Pharmavertriebsgesellschaft). Die Aufwandsersparnis liegt in dem durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Verzicht auf die Vereinbarung eines Erstattungs- beziehungsweise Ausgleichsanspruchs begründet. Eine solche Aufwandsersparnis bei der Konzernmuttergesellschaft bejahte der BFH im konkreten Fall mangels Erstattungsanspruch der inländischen Pharmavertriebsgesellschaft. Auch verwarf der BFH die Argumentation der Vorinstanz, wonach eine verhinderte Vermögensmehrung zugunsten der Konzernmuttergesellschaft bereits dadurch ausscheide, dass der Parallelimport nicht im eigentlichen Interesse der Konzernmutter erfolgt sei. Denn die Vertriebsgesellschaft übt ihre Marketingaktivitäten im Interesse des Gesamtkonzerns aus, welcher wirtschaftlich eben auch von den Parallelimporten profitiert. Dass der Konzerngewinn insgesamt höher wäre, wenn die Arzneimittel im Inland allein über die inländische Pharmavertriebsgesellschaft und nicht über die Parallelimporteure vertrieben worden wäre, ist für den BFH unbeachtlich. Auch widerspricht der BFH der Auffassung der Vorinstanz, wonach der Vorteil in Form von Mehr-Absatz der Produkte aus den Parallelimporten aufgrund der erbrachten Marketingaktivitäten der inländischen Pharmavertriebsgesellschaft nicht zu vergüten sei. Die Argumentation, dass die Vertriebsgesellschaft kein "Druckmittel" gegenüber der Konzernmuttergesellschaft gehabt habe, um eine Vergütung einzufordern und auch ein fremder Dritter keine erfolgversprechende Verhandlungsposition gehabt hätte, wird laut BFH nicht entsprechend belegt. Insbesondere der Umstand, dass bei der fremdüblichen Vergütung der Außendienstmitarbeiter die Umsätze aus den Parallelimporten einbezogen werden, spreche für eine Fremdüblichkeit der Weiterbelastung dieser Kosten.

Zudem rügte der BFH die rechtsfehlerhafte Prüfung der Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis. Zum einen führte der BFH die unterlassene Prüfung der Vorinstanz sowohl hinsichtlich der Höhe des Anteils der Boni für die Parallelimporte an der Gesamtvergütung der Außendienstmitarbeiter als auch betreffend der Höhe des Vorteils bei der Muttergesellschaft aus den Parallelimporten an. Denn daraus wären laut BFH Rückschlüsse auf das Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters möglich. Zum anderen habe die Vorinstanz die vorgelegten Mitvertriebsverträge und Marktstudien nicht ausreichend gewürdigt, um eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis abzulehnen. Auch rechtfertige laut BFH die fremdübliche, aber überdurchschnittliche Höhe der Marge der inländischen Vertriebsgesellschaft für sich genommen nicht schon die Schlussfolgerung, dass diese die Umsätze von Parallelimporten mitumfasse. 

Das FG hat daher im Rahmen des zweiten Rechtsgangs zunächst festzustellen, ob die Vergütung der Außendienstmitarbeiter der Pharmavertriebsgesellschaft unter Einbeziehung der Umsätze aus Parallelimporten nahelege, dass eine Weiterbelastung der Kosten fremdüblich wäre und daher eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen werden kann. Hierfür relevant ist auch die Höhe des wirtschaftlichen Vorteils bei der Muttergesellschaft aus den Parallelimporten. 

Sofern das FG gemäß den Vorgaben des BFH eine vGA dem Grunde nach bejaht, ist sodann die Höhe zu bestimmen. Hierbei könnte laut BFH die (anteilige) Entlohnung der Außendienstmitarbeiter der inländischen Pharmavertriebsgesellschaft für die Umsätze aus den Parallelimporten den Mindestwert der vGA vorgeben. Dabei wäre ein angemessener Aufschlag auf diesen Mindestwert anzusetzen, der sich auch nach dem Gewicht der Parallelimporte in Bezug auf die Gesamtumsätze des Konzerns im Inland orientieren könnte. 

Für die Praxis bleibt daher mit Spannung die Entscheidung des FG abzuwarten. Insbesondere wird für betroffene Unternehmen relevant sein, ob und inwiefern sich das FG für die Frage der Höhe nach mit dem in der Verrechnungspreispraxis gängigen sog. synthetischen Ansatz auseinandersetzen wird. Mittels dieses Ansatzes werden sämtliche Marketingaufwendungen der Pharmavertriebsgesellschaft bereits zuzüglich eines Kostenaufschlags im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung fremdüblich vergütet. Daher bleibt abzuwarten, ob für das FG eine solche Vergütung im Rahmen des synthetischen Ansatzes bereits ausreichend ist und es daher keiner zusätzlichen Vergütung – wie von der Verwaltung gefordert - bedarf. In der Folge beliefe sich möglicherweise der Korrekturbetrag der vGA auf nahe Null. 

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

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