Ertragsteuerliche Organschaft bei Beteiligung von atypisch stillen Gesellschaftern

Der BFH hatte in zwei Urteilen darüber zu entscheiden, wie sich eine atypisch stille Beteiligung an den jeweiligen Vertragspartnern eines Organschaftsverhältnisses auf die Anerkennung einer ertragsteuerlichen Organschaft auswirkt. Erfreuliche Neuigkeiten gibt es im Fall einer atypisch stillen Beteiligung an der Organgesellschaft: Für körperschaftsteuerliche Zwecke ist die Organschaft anzuerkennen. Bei der atypisch stillen Beteiligung an der Organträgerin verbleiben dagegen Rechtsunsicherheiten. Denn nur für den hier zu entscheidenden Sonderfall (atypisch stille Beteiligung an bestimmten Niederlassungen) steht diese der Anerkennung der Organschaft wohl nicht entgegen. 

Atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft 

Mit Urteil vom 11.12.2024 (I R 33/22) entschied der BFH, dass eine Kapitalgesellschaft auch dann Organgesellschaft im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft sein kann, wenn sie einen Gewinnanteil an einen atypisch stillen Gesellschafter abführen muss. Im vorliegenden Fall war die Organträgerin selbst atypisch still am gesamten Betrieb der Organgesellschaft beteiligt.

Die Vorinstanz vertrat unter Rückgriff auf die bisher ergangene finanzgerichtliche Rechtsprechung (FG Hamburg, Urteil vom 26.10.2010, 2 K 312/09) und Verlautbarungen der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 20.08.2015; OFD Frankfurt, Verfügung vom 30.01.2013) die Auffassung, dass eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft einer Anerkennung der Organschaft entgegenstehe. Denn die atypisch stille Beteiligung gelte zivilrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag nach § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG und stünde somit dem Abschluss eines auf Vollgewinnabführung gerichteten Vertrages entgegen. Daher könne nicht mehr der „ganze Gewinn“ im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 KStG an den Organträger abgeführt werden. Dieser Auffassung widerspricht der BFH unter Rückgriff auf die folgenden Punkte: 

  • Der in § 14 Abs. 1 S. 1 KStG vorausgesetzte Gewinnabführungsvertrag nach § 291 Abs. 1 AktG verweist auf das Zivilrecht, weshalb auf einer ersten Stufe eine zivilrechtliche Betrachtungsweise geboten ist. Voraussetzung der ertragsteuerlichen Organschaft sind folglich zunächst der wirksame Vertragsabschluss und das Erfüllen der zivilrechtlichen Verpflichtungen (u.a. die Gewinnabführung). Maßgeblicher Anknüpfungspunkt der Gewinnabführung ist der Jahresüberschuss i.S.d. § 301 S. 1 AktG und die nach handelsrechtlichen Grundsätzen erfolgte Gewinnermittlung. Im Rahmen der handelsrechtlichen Gewinnermittlung ist der Gewinnanteil des atypisch stillen Beteiligten als Aufwand zu erfassen. Der danach verbleibende Jahresüberschuss stellt den „ganzen Gewinn“ nach § 291 Abs. 1 S. 1 AktG dar. 
  • Etwas anderes ergibt sich laut BFH auch nicht aus der zivilrechtlichen Qualifikation einer atypisch stillen Beteiligung als Teilgewinnabführungsvertrag i.S.d. § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG (BGH-Urteil, vom 21.07.2003, II ZR 109/02). Bei diesem handelt es sich im Kern um einen schuldrechtlichen Austauschvertrag, der somit die vorgelagerte Ebene der Gewinnermittlung betreffen würde.  

Zu den Auswirkungen auf die gewerbesteuerliche Organschaft musste sich der BFH vorliegend nicht äußern. In diesem Zusammenhang vertrat der BFH bisher die Auffassung, dass die atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft einer Anerkennung der gewerbesteuerlichen Organschaft entgegenstehe (BFH-Urteil vom 25.10.1995, I R 76/93). Diese pauschale Versagung der Rechtsfolgen der gewerbesteuerlichen Organschaft schränkte der BFH nunmehr in seinem zweiten Urteil vom 11.12.2024 (I R 17/21) dahingehend ein, dass eine gewerbesteuerliche Organschaft zumindest möglich sei, wenn sich der atypisch stille Gesellschafter bei Vorliegen mehrerer sachlich hinreichend abgegrenzter Geschäftsbereiche der Organgesellschaft lediglich an einem dieser Geschäftsbereiche beteiligt.

Atypisch stille Beteiligung an der Organträgerin 

Der BFH befasste sich zusätzlich in seinem Urteil vom 11.12.2024 (I R 17/21) mit der atypisch stillen Beteiligung an der Organträgerin. Diese Frage wird kontrovers in der Literatur diskutiert. Zumindest in der dem BFH vorgelegten Sonderkonstellation (Beteiligung von Partnern an einzelnen Niederlassungen der Organträgerin) steht die atypische Beteiligung an der Organträgerin der ertragsteuerlichen Anerkennung der Organschaft wohl nicht entgegen. 

Vorliegend waren die atypisch still Beteiligten nur am Gewinn und Verlust sowie den stillen Reserven der jeweiligen Niederlassungen beteiligt und nicht am „Gesamtunternehmen" der Organträgerin. D.h. der Organträgerin als Inhaberin des Handelsgewerbes verblieb möglicherweise weiterhin ein abtrennbarer Geschäftsbereich, an dem weder zivilrechtlich noch steuerrechtlich andere Personen beteiligt sind. Nach Ansicht des BFH kann einem solchen „freien“ Geschäftsbereich die Beteiligung an der (jeweiligen) Organgesellschaft zugeordnet werden mit den folgenden Implikationen: 

  • Gewinnabführung der Organgesellschaft stünde allein der Organträgerin zu; 
  • Vorliegen einer organträgertauglichen Vertragspartnerin des Gewinnabführungsvertrages, die als einziges anderes gewerbliches Unternehmen die Gewinnabführung erhält;
  • Alleinige finanzielle Eingliederung der Organgesellschaften bei der Organträgerin.

Im Ergebnis sind nach Ansicht des BFH die Voraussetzungen der Organschaft in diesem Fall erfüllt.

Mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen konnte der BFH das Verfahren nicht abschließend beurteilen, weshalb sich das FG mit dem Fall erneut befassen muss. Es fehlen u. a. nähere Feststellungen dazu, ob an sämtlichen Niederlassungen der Organträgerin atypisch stille Beteiligungen bestanden oder ob ein gesonderter Geschäftsbereich bestand, der allein der Organträgerin zuzuordnen ist und zu dem die zahlreichen Organschaftsbeteiligungen gehören.

Die Volltexte der beiden Urteile stehen Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

Direkt zum BFH-Urteil I R 33/22 kommen Sie hier.

Direkt zum BFH-Urteil I R 17/21 kommen Sie hier.