Bürokratieabbau stellt auch auf der Ebene der Europäischen Union ein ausgewiesenes Ziel dar. In diesem Rahmen stellt die EU-Kommission umfassende Vorschläge zur Vereinfachung der ATAD vor, die u.a. KMU von verschiedenen Regelungen der ATAD ausnehmen sollen. Die Mitgliedstaaten sind aufgerufen, dazu Stellung zu nehmen.
Die Regelungen der Richtlinie 2016/1164 zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes (Anti-Tax Avoidance Directive, kurz: ATAD) sind unionsweit teilweise bereits seit dem Jahr 2016 verpflichtend. In Deutschland existieren darin enthaltene Mechanismen, wie beispielsweise die Zinsschranke, bereits länger.
Die Kommission der Europäischen Union hat nun, im Rahmen der Evaluierung der Regelungen der ATAD sowie auf Basis der am 11.03.2025 beschlossenen Agenda zur Vereinfachung und „Decluttering“ der Steuern in der EU, Vorschläge zur Vereinfachung der ATAD erarbeitet. Diese sind nach Prüfung des Entwurfs des Abschlussberichts zur Bewertung der ATAD und nach Konsultationen mit anderen Stakeholdern entstanden und sollen nun von den Mitgliedstaaten kommentiert werden.
Allen voran steht der Grundgedanke, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von den Zinsabzugsbeschränkungsregelungen, der Hinzurechnungsbesteuerung und den Regelungen zu hybriden Gestaltungen auszunehmen. Dies könnte durch gesetzliche Ausnahmen oder Schwellenwerte geschehen. Über die Vorschläge zu KMU hinaus werden die folgenden Änderungen vorgeschlagen:
Zinsschranke (Interest Limitation Rule): Die Kommission schlägt u.a. vor, Fremdfinanzierungen durch Dritte von der Zinsschranke auszunehmen, da diese weniger missbrauchsanfällig sind als konzerninterne Finanzierungen. Zudem könnten bestimmte Optionen wie der Verlustvortrag/-rücktrag und die Gruppenfreistellung harmonisiert werden und/oder verpflichtend anzuwenden sein, um Investitionen zu erleichtern und die Rechtssicherheit zu erhöhen. Weitere Überlegungen betreffen sektorbezogene Ausnahmen, eine Anpassung der Schwellenwerte an die wirtschaftliche Entwicklung sowie eine allgemeine wirtschaftliche Schutzklausel für Krisenzeiten.
Hinzurechnungsbesteuerung (CFC-Taxation): Zur Vereinfachung wird u.a. erwogen, nur noch ein einheitliches Modell der Hinzurechnungsbesteuerung (Model A) zuzulassen und das komplexere Model B zu streichen. Außerdem soll die Überschneidung mit den neuen OECD-Regeln zur Mindestbesteuerung (Pillar 2) adressiert werden, etwa durch „Deaktivierung“ der Hinzurechnungsbesteuerung für betroffene Gruppen oder Anrechnung der Mindeststeuer auf die Hinzurechnungsbesteuerung.
Hybride Besteuerungsinkongruenzen (Hybrid-Mismatches): Die Hybrid-Mismatch-Regeln werden als sehr komplex kritisiert. Die Kommission erwägt, unverbindliche Leitlinien zur Auslegung zu veröffentlichen und die Regelungen zu importierten Besteuerungsinkongruenzen (Imported Hybrid-Mismatches) zu streichen, sofern eine Kosten-Nutzen-Analyse dies rechtfertigt.
Allgemeine Missbrauchsvermeidungsklausel (GAAR): Die allgemeine Missbrauchsvermeidungsklausel wird als wichtiges Sicherungsinstrument angesehen. Jedoch gibt es Unsicherheiten bei der Auslegung, insbesondere im Zusammenspiel mit den neuen OECD-Regeln zur Mindestbesteuerung (Pillar 2). Die Kommission schlägt vor, die Regelung zu präzisieren, um Rechtssicherheit zu schaffen und Doppelregelungen zu vermeiden.
Die Vorschläge der Generaldirektion Steuern und Zollunion sollen nun von den Mitgliedstaaten kommentiert werden. Betont sei dabei, dass die Regelungen der ATAD einen Mindeststandard setzen und die Umsetzung in den Mitgliedstaaten restriktiver erfolgen konnte und auch erfolgt ist. Auch bei einer inhaltlichen Vereinfachung bleibt es den Mitgliedstaaten offen, vorgeschlagene Maßnahmen nicht zu übernehmen und strengere bzw. breiter anwendbare Regelungen beizubehalten.