EuGH zur umsatzsteuerlichen Betriebsstätte

Eine in einem Mitgliedstaat vermietete Immobilie stellt laut EuGH keine feste Niederlassung (Betriebsstätte) dar, wenn der Eigentümer nicht über eigenes Personal verfügt.

In einem österreichischen Vorabentscheidungsersuchen hatte der EuGH zu einer auch in Deutschland relevanten Thematik zu entscheiden. Fraglich war, ob eine vermietete Immobilie ohne eigenes Personal für die Leistungsbewirkung eine feste Niederlassung i.S.d. Mehrwertsteuersystemrichtlinie darstellt. Sowohl die österreichische als auch die deutsche Finanzverwaltung vertreten diese Auffassung (siehe Abschn. 13b.11 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 UStAE).

Im Urteilsfall hat die Einstufung als feste Niederlassung entscheidende Auswirkungen auf die richtige Zuordnung der Steuerschuldnerschaft. Hat – wie im Vorlagefall – ein Unternehmer aus einem Drittstaat mit einer Immobilie keine feste Niederlassung, tritt beim Leistungsempfänger die Umkehr der Steuerschuldnerschaft ein. Liegt eine feste Niederlassung vor, hat der Leistungserbringer die Steuer zu erheben.

Der EuGH hielt mit Urteil vom 03.06.2021 (C‑931/19, Titanium) an seiner ständigen Rechtsprechung fest. Diese verlangt einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderliche Personal- und Sachmittel gebildeten Mindestbestand. Bestätigt sieht er seine Auffassung in Art. 11 der Mehrwertsteuer-Durchführungsverordnung. Dieser erfordert für eine feste Niederlassung eine von der personellen und technischen Ausstattung geeignete Struktur.

Im Ergebnis stellt der EuGH nüchtern fest, dass eine Immobilie ohne personelle Ausstattung nicht die Kriterien für eine Einstufung als feste Niederlassung erfüllt. Ob eine personelle Ausstattung für eine Niederlassung wirtschaftlich benötigt wird, ist irrelevant. Der EuGH definiert jedoch nicht, was er unter „eigenes Personal“ versteht und geht nicht auf die Problematik ein, ob und inwieweit das Personal eines Dritten dem Vermieter zugerechnet werden kann.

Die Lösung des EuGH müsste auf andere technische Infrastrukturen (z. B. IT-Anlagen) übertragbar sein.

Ob und wie Österreich oder Deutschland auf diese EuGH-Rechtsprechung reagieren könnten, ist zu diesem frühen Zeitpunkt noch offen. Bspw. könnten sie ihre Verlautbarungen dahingehend ergänzen, dass steuerpflichtig vermietete Grundstücke nur bei Vorhandensein personeller Sachmittel eine feste Niederlassung bilden. Denkbar ist aber auch, dass der jeweilige Gesetzgeber aktiv wird. So wäre unionsrechtlich zulässig und daher eine Gesetzesänderung denkbar, dass steuerpflichtige Grundstücksvermietungen vom Reverse-Charge-Verfahren ausgenommen wären.

Das Urteil des EuGH steht im Kontrast zu vereinzelten deutschen Urteilen der erstinstanzlichen Finanzgerichte, die auch ohne personelle Ausstattung eine Betriebsstätte bejaht haben. Der BFH hat sich zu dieser Frage noch nicht geäußert.

Betroffene Steuerpflichtige sollten prüfen, ob sie durch die Interpretation des EuGH ggf. keine Betriebsstätte begründen. Die Möglichkeit einer Rückzahlung von Umsatzsteuer durch das Finanzamt sollte auch sorgfältig untersucht werden.

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des EuGHs zur Verfügung.

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