Europa- und verfassungsrechtliche Zweifel an Übergewinnsteuer

Das FG Köln äußert europa- und verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des im Jahr 2022 eingeführten - auch als Übergewinnsteuer bekannten – EU-Energiekrisenbeitrags für bestimmte Unternehmen der Energiebranche und hebt die Vollziehung zur Anmeldung im vorläufigen Rechtsschutz auf.

Das im Rahmen des JStG 2022 eingeführte EU-Energiekrisenbeitragsgesetz (EU-EnergieKBG) vom 16.12.2022 (BGBl. I 2022, S. 2294, 2325) basiert auf der Verordnung (EU) 2022/1854, die in Reaktion auf die stark gestiegenen Energiepreise in der EU infolge des Kriegs in der Ukraine erlassen wurde. Das Gesetz erhebt von im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich tätigen Unternehmen einen für die Wirtschaftsjahre 2022 und 2023 befristeten Solidaritätsbeitrag auf unerwartet hohe Gewinne der betreffenden Unternehmen. Bemessungsgrundlage ist der Teil des nach den einkommen- oder körperschafsteuerlichen Vorschriften ermittelten steuerlichen Gewinns, der den um 20 Prozent erhöhten durchschnittlichen Gewinn der Wirtschaftsjahre 2018 bis 2021 übersteigt. Der Steuersatz beträgt 33 Prozent. 

Das FG Köln äußert mit Beschluss vom 20.12.2024 (2 V1597/24) erhebliche unionsrechtliche und verfassungsmäßige Zweifel am Solidaritätsbeitrag und hebt die Vollziehung der Steueranmeldung im vorläufigen Rechtsschutz auf. Die EU-Verordnung zum EU-EnergieKBG basiert auf Art. 122 Abs. 1 AEUV, der bei gravierenden Versorgungsschwierigkeiten insbesondere im Energiebereich angemessene Maßnahmen vorsieht. Insbesondere mangels des in Steuerangelegenheiten eigentlich vorgeschriebenen einstimmigen Beschlusses des Rates der Europäischen Union sieht das FG erhebliche Zweifel an der Unionsrechtmäßigkeit. Zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit ist bereits vom belgischen Verfassungsgerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH unter C-358/24 anhängig. Zudem sind vor dem EuG Nichtigkeitsklagen (T-775/22; T-802/22) hinsichtlich der EU-Verordnung anhängig. 

Neben der Vereinbarkeit mit Europarecht zweifelt das Gericht auch die (deutsche) Verfassungskonformität an. Es bestünden zum einen Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund der Beschränkung auf eine kleine Zahl von Unternehmen in der Energiebranche, sowie zum anderen hinsichtlich einer erdrosselnden Wirkung der gewöhnlichen Ertragsteuern zusammen mit dem Energiekrisenbeitrag (Art. 14 Abs. 1 GG). Zudem sieht das FG Köln bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit keine zusätzliche Bedingung in Form des besonderen Aussetzungsinteresses. Eine Gefährdung des Bundeshaushalts sei aufgrund des zu erwartenden Steueraufkommens von 1 bis 3 Mrd. Euro im Vergleich zum Gesamtsteueraufkommen nicht zu erwarten. 

Vor diesem Hintergrund hat das FG Köln ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steueranmeldung im vorliegenden Fall und hebt die Vollziehung der Anmeldung des Energiekrisenbeitrags auf. Gegen den Beschluss ist beim BFH unter II B 5/25 (AdV) Beschwerde anhängig. Aufgrund der Äußerungen des FG Köln ist eine Vorlage an ein europäisches Gericht im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich. 

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des FG Köln zur Verfügung. 

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