Mit einem aktuellen Beschluss verdeutlicht das FG Baden-Württemberg das Erfordernis der fristgemäßen und vollständigen doppelten Anzeige bei Anteilseignerwechseln an grundbesitzenden Gesellschaften, in Fällen in denen das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft (Signing) und das dingliche Verfügungsgeschäft (Closing) zeitlich auseinanderfallen. Das FG sieht in der doppelten Festsetzung bei unterlassener Anzeige keine ernstlichen Zweifel und verneinte zulasten des Steuerpflichtigen die begehrte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Die Entscheidung bringt eine neue Dynamik in die zwischen Steuerpflichtige und Finanzverwaltung strittige „Signing/Closing-Thematik“.
Die sog. Share-Deal-Regelungen gemäß § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG besteuern die Übertragung von mindestens 90 Prozent der Anteile an einer grundbesitzenden Personen- bzw. Kapitalgesellschaft auf sog. Neugesellschafter. Dagegen besteuern die Regelungen des § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG nicht den Übergang der Anteile, sondern die (wirtschaftliche) Anteilsvereinigung an grundbesitzenden Gesellschaften. Während die Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG im Zeitpunkt des Abschlusses des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts (Signing) verwirklicht werden, stellen die Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG auf den Zeitpunkt des Verfügungsgeschäfts ab; d.h. auf den dinglichen Übergang der Anteile (Closing). Zwar sind § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung grundsätzlich nur subsidiär anwendbar, „soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt“. In Fällen, in denen jedoch Signing und Closing nicht zeitgleich stattfinden und somit die Erwerbsvorgänge zu unterschiedlichen Zeitpunkten verwirklicht werden, vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass sowohl im Zeitpunkt des Signing als auch im Zeitpunkt des Closing Grunderwerbsteuer festzusetzen ist (doppelte Festsetzung; Gleich lautende Ländererlasse vom 10.05.2022, Tz. 8.1, BStBl I 2022, S. 801). Um eine doppelte Grunderwerbsteuer in diesen Fällen zu vermeiden, reagierte der Gesetzgeber mit Einführung des § 16 Abs. 4a, Abs. 5 Satz 2 GrEStG durch das JStG 2022. Danach wird für Fälle ab dem 21.12.2022 die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder Abs. 3a GrEStG aufgehoben bzw. geändert, allerdings nur, sofern beide Erwerbsvorgänge, d.h. sowohl § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG als auch § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG, fristgerecht und vollständig angezeigt werden.
Das doppelte Anzeigeerfordernis stellt in der Praxis Steuerpflichtige regelmäßig vor enorme Herausforderungen, insbesondere aufgrund der sehr kurzen Anzeigefrist. Diese beläuft sich auf zwei Wochen nach Kenntnis des anzeigepflichtigen Vorgangs; sie verlängert sich für ausländische Steuerschuldner auf einen Monat.
Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat sich nun in einem AdV-Verfahren mit der doppelten Festsetzung bei unterlassener Anzeige im Zeitpunkt des Closing (hier: Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG) auseinandergesetzt und ernstliche Zweifel an der doppelten Grunderwerbsteuerfestsetzung zulasten des Steuerpflichtigen verneint (Beschluss vom 16.05.2025, 5 V 846/25). Dem FG lag ein Fall zugrunde in dem sowohl Signing als auch Closing nach Inkrafttreten des JStG 2022 erfolgt sind.
Laut FG unterliegen sowohl das Verpflichtungsgeschäft (Signing) als auch das Verfügungsgeschäft (Closing) der Grunderwerbsteuer. Dies folge zum einen aus der stichtagsbezogenen Betrachtungsweise als zentraler Grundsatz des Grunderwerbsteuergesetzes, von dem nur in wenigen Ausnahmefällen (z.B. § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG) abgewichen werden könnte. Zum andern sprechen hierfür die Gesetzesmaterialien zum JStG 2022, wonach es sich um zwei Erwerbsvorgänge innerhalb eines Lebenssachverhalts handelt. Dies gelte für das FG in jedem Fall nach der Gesetzesänderung durch das JStG 2022 und somit mit Wirkung für die Zukunft. Ob die Regelung ggf. nur klarstellende Wirkung hat und damit auch für die Vergangenheit gelte, musste das FG nicht entscheiden und ließ diese Frage daher offen. Zudem war das Grundstück der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld auch zuzurechnen. Ein vom Kläger begehrter rückwirkender Entfall der Zurechnung des Grundstücks aufgrund einer Rückabwicklung gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG lehnte das FG ebenso ab, wie eine Änderung der Festsetzung gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Würde jeweils der Vollzug des Rechtsgeschäfts (Closing) auf die Steuerfestsetzung gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG im Sinne eines rückwirkenden Ereignisses zurückwirken, wären die Vorschriften des § 16 Abs. 4a, Abs. 5 Satz 2 GrEStG nicht erforderlich, so das FG. Auch sah das FG die Voraussetzungen für eine widerstreitende Steuerfestsetzung i.S.d. § 174 AO nicht gegeben, da § 1 Abs. 2b GrEStG und § 1 Abs. 3 GrEStG unterschiedliche Sachverhalte besteuern.
Auch sieht das FG für Fälle, in denen sowohl das Signing als auch das Closing nach Einführung des § 16 Abs. 4a, Abs. 5 Satz 2 GrEStG erfolgt sind, keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken, weder gegen das Übermaßverbot nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Dies begründet das FG abermals mit dem Umstand, dass es sich laut Auffassung des „neueren Gesetzgebers“ um zwei Vorgänge eines Lebenssachverhalts handelt, die der Grunderwerbsteuer unterliegen. Entsprechend hat der Gesetzgeber die verfahrensrechtlich notwendigen und angemessenen Konsequenzen mit Einführung des § 16 Abs. 4a, Abs. 5 Satz 2 GrEStG gezogen. Zwar mag es laut FG sein, dass durch die doppelte Anzeige ein erhöhter Aufwand bei den Vertragsbeteiligten entsteht, anderseits erscheint es jedoch für das FG zumutbar und möglich, die erforderlichen vollständigen Anzeigen nach §§ 19 und 20 GrEStG bei den zuständigen Finanzämtern abzugeben. Zudem wenden sich die Erwerbsvorgänge jeweils an andere Steuerpflichtige. Steuerschuldner im Zeitpunkt des Signing ist der Anteilseigner (§ 13 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG), im Zeitpunkt des Closing hingegen die grundbesitzende Gesellschaft (hier: Kapitalgesellschaft, § 13 Nr. 7 GrEStG i.V.m. § 1 Abs. 2b GrEStG).
Das FG gewährte daher im Ergebnis keine AdV. Die Beschwerde wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Betroffene Unternehmen sollten sich daher umgehend mit der Entscheidung des FG auseinandersetzen und die weiteren Entwicklungen beobachten.
Der Volltext des Beschlusses steht Ihnen auf der Internetseite des FG Baden-Württemberg zur Verfügung.
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