Soweit ersichtlich hat sich das FG Baden-Württemberg in zwei Urteilen erstmals mit der durch die Grunderwerbsteuerreform im Jahr 2021 eingeführten Regelung des § 1 Abs. 2b GrEStG (Gesellschafterwechsel an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften) befasst. In einem Urteil hat das FG in Übereinstimmung mit der Verwaltungsauffassung die unmittelbare Verkürzung der Beteiligungskette als grunderwerbsteuerbar eingestuft. In einem weiteren Urteil hat das FG auch die bloße Verlängerung der Beteiligungskette als Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG qualifiziert. Die abschließenden Entscheidungen durch den BFH bleiben mit Spannung zu erwarten.
Unmittelbare Verkürzung der Beteiligungskette
Vor der Grunderwerbsteuerreform im Jahr 2021 stellte die Verkürzung der Beteiligungskette von Kapitalgesellschaften beispielsweise durch Verschmelzung oder Verkauf keinen grunderwerbsteuerbaren Vorgang gemäß § 1 Abs. 3 oder § 1 Abs. 3a GrEStG dar, sofern bereits eine Beteiligung von mindestens 95 Prozent bestand bzw. sich die Beteiligung durch den Vorgang nicht erstmals auf 95 Prozent erhöhte. Dies galt sowohl in Fällen einer unmittelbaren als auch einer mittelbaren Verkürzung der Beteiligungskette.
Seit Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG (Gesellschafterwechsel an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften) war fraglich, ob die unmittelbare Verkürzung der Beteiligungskette von Kapitalgesellschaften als unmittelbarer Gesellschafterwechsel den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllt und der Vorgang daher im Ergebnis der Grunderwerbsteuer unterliegt. Mit ihren gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.05.2022 positionierte sich die Verwaltung zu dieser Frage. Danach bleibt die Eigenschaft als Altgesellschafterin der unmittelbar oder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft erhalten, wenn sich lediglich die Kette der an ihr (!) beteiligten Kapitalgesellschaften verkürzt (Gleich lautende Erlasse v. 10.05.2022, BStBl. I S. 801, Tz. 5.2.3.1). Mit anderen Worten vertritt die Verwaltung die Auffassung, dass die unmittelbare Verkürzung einen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand gemäß § 1 Abs. 2b GrEStG auslöst, im Gegensatz zur mittelbaren Verkürzung.
Dies bestätigte nun auch das FG Baden-Württemberg und urteilte soweit ersichtlich erstmals zur Neuregelung des § 1 Abs. 2b GrEStG (Urteil vom 26.04.2024, 5 K 2022/23, Revision beim BFH anhängig unter II R 24/24).
Im konkreten Fall verkaufte die unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft (Mutterkapitalgesellschaft) ihre 100-prozentige Beteiligung an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft (Tochterkapitalgesellschaft) an ihre Alleingesellschafterin (Großmutterkapitalgesellschaft). Durch Vereinigung aller Anteile auf Ebene der Großmutterkapitalgesellschaft wurde bereits 2 Jahre zuvor Grunderwerbsteuer festgesetzt. Dass im konkreten Fall die Großmutterkapitalgesellschaft – auch nach Erwerb der Anteile - als (letztlich) beteiligter Gesellschafter identisch bleibt, war für das FG unerheblich. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG setzt laut FG entweder eine unmittelbare oder eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes voraus. In dem Falle, in dem bereits eine unmittelbare Änderung vorliegt, spielen daher die mittelbaren Beteiligungsverhältnisse für die Frage der Tatbestandsmäßigkeit des Vorgangs keine Rolle mehr. Weder sei der mittelbar beteiligte Gesellschafter als Altgesellschafter anzusehen noch liege eine unschädliche Verkürzung der Beteiligungskette vor. Diese müssen somit nicht mehr geprüft werden. Im Falle einer unmittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands kommt es laut dem FG allein darauf an, ob ein zivilrechtlicher Übergang eines Mitgliedschaftsrechts vorliegt und nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte. Eine wirtschaftliche Sichtweise ist schließlich nur im Falle einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands entscheidend, da in diesen Fällen eine Anknüpfung an das Zivilrecht ausscheidet.
Auch verneinte das FG eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass die Großmutterkapitalgesellschaft mit Blick auf ihre zuvor bestehende mittelbare Beteiligung als Altgesellschafterin anzusehen ist, sodass der Erwerb der 100-prozentigen unmittelbaren Beteiligung nicht dem Tatbestand des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG unterfällt.
Zudem bestehen laut dem FG gegen die Anwendung der Regelung des § 1 Abs. 2b GrEStG auf den Vorgang der Verkürzung der Beteiligungskette keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Bloße Verlängerung der Beteiligungskette
Unter Heranziehung derselben Grundsätze entschied das FG zudem am gleichen Tag, dass auch die bloße Verlängerung der Beteiligungskette durch Ausgliederung zur Aufnahme den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllt (Urteil vom 26.04.2024, 5 K 1696/23, Revision beim BFH anhängig unter II R 16/24). Auch verneinte das FG eine Anwendung der Steuerbegünstigungsvorschrift des § 5 Abs. 2 GrEStG auf Fallkonstellationen des § 1 Abs. 2b GrEStG. Zudem fand im konkreten Fall die Konzernklausel des § 6a GrEStG mangels Einhaltens der Vorbehaltensfrist keine Anwendung. Da es sich um eine Aufgliederung zur Aufnahme auf eine 3 Wochen zuvor gegründete Gesellschaft handle und nicht um eine Ausgliederung zur Neugründung, ist laut FG die Einhaltung der Vorbehaltensfrist im konkreten Fall nicht aus Rechtsgründen aufgrund des Umwandlungsvorgangs unmöglich. Diese muss daher auch beachtet werden.
In diesem Zuge sei anzumerken, dass der BFH im Falle der Verlängerung der Beteiligungskette einer grundbesitzenden Personengesellschaft die dazwischengeschaltete mittelbar beteiligte Personengesellschaft nicht als neuen Gesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG qualifiziert. In der Folge war der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht erfüllt und es wurde insoweit keine Grunderwerbsteuer ausgelöst (vgl. EY-Steuernachricht vom 23.01.2025).
In beiden Urteilsfällen ist Revision beim BFH anhängig. Vergleichbare Fälle sollten daher bis zur Entscheidung durch den BFH offengehalten werden.
Die Volltexte der Urteile stehen Ihnen auf der Internetseite des FG Baden-Württemberg zur Verfügung.
Direkt zum FG-Urteil 5 K 2022/23 kommen Sie hier.
Direkt zum FG-Urteil 5 K 1696/23 kommen Sie hier.