Die Grundsätze für die Rückabwicklung eines Grundstückserwerbs für Zwecke der Nichtfestsetzung oder Aufhebung der GrESt wurden in ständiger Rechtsprechung herausgearbeitet. In einem aktuellen Urteil verneint der BFH konsequenterweise die Wiedererlangung der ursprünglichen Rechtsstellungen der Vertragsparteien, wenn der Ersterwerber bei der Rückgängigmachung des Grundstückserwerbs den aufgrund der Auflassungsvormerkung bestehenden Anschein einer Rechtsposition in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat.
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Rückabwicklung eines Grundstückserwerbs i.S.v. § 16 Abs. 1 und 2 GrEStG und somit die Nichtfestsetzung oder Aufhebung einer Grunderwerbsteuerfestsetzung möglich ist, führt aufgrund der hohen Praxisrelevanz immer wieder zu Streitigkeiten vor den Finanzgerichten. Grundsätzlich setzt die Anwendung des § 16 Abs. 1 und 2 GrEStG eine tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts voraus. Laut ständiger Rechtsprechung ist hierfür neben der zivilrechtlichen Aufhebung die Wiederherstellung der ursprünglichen Rechtspositionen der Vertragsparteien erforderlich. Dies beinhaltet notwendigerweise die gegenseitige Rückgewähr der ausgetauschten Leistungen und damit u.a. die Löschung einer zugunsten des Ersterwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung.
Im konkreten Streitfall war der Grundstückskauf einer GmbH durch notariell beurkundeten Aufhebungsvertrag rückgängig gemacht und für die zu Gunsten der GmbH eingetragene Auflassungsvormerkung eine Löschungsbewilligung erteilt worden. Das Notariat wurde beauftragt, den Aufhebungsvertrag dem Grundbuchamt bei Nachweis der Rückzahlung des Kaufpreises an die GmbH vorzulegen. Nachfolgend wurden die Grundstücke an die Geschäftsführer der GmbH als Zweiterwerber veräußert. Da die Zahlung des Kaufpreises durch die Zweiterwerber an die GmbH als Ersterwerberin im Wege des abgekürzten Zahlungsweges erfolgte, wurde die Löschung der Auflassungsvormerkung für die GmbH aus dem Ersterwerb erst zu diesem Zeitpunkt beantragt.
Mit Urteil vom 25.04.2023 (II R 38/20) hat der BFH nun erneut betont, dass die Anwendung von § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ausgeschlossen sei, sofern trotz Vertragsaufhebung weiterhin die Möglichkeit zur Einflussnahme durch den Ersterwerber auf das Grundstück bestehe. Daher sei es im Fall der Weiterveräußerung des Grundstücks durch den Veräußerer an einen Zweiterwerber insbesondere schädlich, wenn der Ersterwerber seine Rechtsposition oder zumindest den Anschein einer Rechtsposition noch innehabe und von dieser im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung tatsächlich zumindest auch in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse Gebrauch mache. Im Streitfall vermittelte die noch im Grundbuch eingetragene Auflassungsvormerkung zumindest den Rechtsschein, dass der Klägerin weiterhin ein Übereignungsanspruch zustand. Damit habe die GmbH nach Auffassung des BFH Einfluss auf die Weiterveräußerung nehmen können.
Ob der Ersterwerber auch im eigenen Interesse handelt, ist laut BFH je nach Einzelfall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zu beurteilen. So liege insbesondere eine Verwertung im eigenen wirtschaftlichen Interesse vor, wenn die Aufhebung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs im Interesse des Geschäftsführers der Kapitalgesellschaft erfolgt. Im Streitfall waren die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung für den Grundstückserwerb durch die GmbH als Ersterwerberin demnach nicht erfüllt.
In der Praxis ist für Zwecke der zeitlichen Umsetzungsabfolge dringend zu beachten, dass der Notar die erforderliche Löschungsbewilligung für die Auflassungsvormerkung dem Grundbuchamt in der Regel erst dann vorlegt, wenn der Kaufpreis zurückgezahlt wurde. Aus der steuerlichen Praxissicht sollte die zeitliche Abfolge einer Transaktion im Allgemeinen sorgfältig abgestimmt und entsprechend umgesetzt werden, wenn die Rückgängigmachung eines Grundstückserwerbs und/oder eines Share Deals in Bezug auf grundbesitzende Gesellschaften absehbar ist.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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