Das BMF hat die Neufassung eines Merkblatts zu den sog. sonstigen Formen der Verwaltungszusammenarbeit in Folge der national im Gesetz verankerten Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie veröffentlicht. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Verfahren für die Praxis entfaltet das Merkblatt Relevanz für alle grenzüberschreitend tätigen Unternehmen.
Vergangenes Jahr hat der Gesetzgeber mit dem Wachstumschancengesetz (BGBl. 2024 I Nr. 108) hinsichtlich der Durchführung der gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen die Vorgaben der DAC7-Richtlinie (Änderung der EU-Amtshilferichtlinie) zu sog. Joint Audits („gemeinsame Prüfungen“) in einem neu eingefügten § 12a EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) umgesetzt und die bereits bestehende Regelung des § 12 EUAHiG über die gleichzeitige Prüfung neugefasst. Zudem wurde mit einem neu eingefügten § 117e AO für die Finanzbehörden ein Rechtsrahmen zur Inanspruchnahme und Leistung besonderer Formen der Amtshilfe (u.a. gleichzeitige und gemeinsame Prüfungen) im Verhältnis zu Drittstaaten geschaffen.
Zu der gemeinsamen Prüfung, der gleichzeitigen Prüfung und der Anwesenheit von Bediensteten anderer Staaten oder Gebiete im Inland und Anwesenheit von inländischen Bediensteten im Ausland (sog. sonstige Formen der Verwaltungszusammenarbeit) hat sich nun das BMF mit einer Neufassung seines Merkblatts positioniert (BMF-Schreiben vom 15.05.2025). Teil I des Merkblatts vermittelt einen Überblick über die sonstigen Formen der Verwaltungszusammenarbeit sowie über deren rechtliche Grundlagen, wohingegen der zweite Teil als Leitfaden für die praktische Durchführung der Verwaltungszusammenarbeit dient. Die sonstigen Formen der Verwaltungszusammenarbeit sind laut Merkblatt abzugrenzen von den internationalen Vorabverständigungs-, Risikobewertungs-, und Streitbeilegungsverfahren. Hervorzuheben sind u.a. die Ausführungen des BMF zur Anhörung und des gemeinsamen Prüfungsberichts im Falle von gemeinsamen Prüfungen.
Das BMF weist darauf hin, dass bei gemeinsamen oder gleichzeitigen Prüfungen mit EU-Mitgliedstaaten eine vorherige Anhörung der Beteiligten gem. § 117 Abs. 4 Satz 3 AO entsprechend der DAC7-Richtlinie nicht mehr erforderlich ist. Steuerpflichtige werden nunmehr lediglich noch per Informationsschreiben über die Entscheidung der Staaten, eine gemeinsame oder gleichzeitige Prüfung durchzuführen, informiert. Dies soll nur dann gelten, wenn bei den prüfenden Behörden im In- und Ausland keine Einwände gegen die Information des Steuerpflichtigen bestehen. Die Entscheidung, ob der Steuerpflichtige über die Durchführung der Prüfung informiert wird, trifft gemäß BMF das Zentrale Verbindungsbüro des BZSt nach Interessenabwägung im eigenen Ermessen. Bei gemeinsamen und gleichzeitigen Prüfungen mit Drittstaaten soll eine vorherige Anhörung der Steuerpflichtigen im Gegensatz zu EU-Fällen regelmäßig erfolgen.
Die Information über die Durchführung einer gemeinsamen oder gleichzeitigen Prüfung soll kein Verwaltungsakt sein, d.h. der Steuerpflichtige kann sich nach Auffassung des BMF gegen die Durchführung einer gemeinsamen oder gleichzeitigen Prüfung rechtlich nicht zur Wehr setzen.
Die Feststellungen, über die in einer gemeinsamen Prüfung Einigung erzielt worden ist, sind laut Merkblatt in einem gemeinsamen Prüfungsbericht festzuhalten. Ein Muster eines Prüfungsberichts findet sich zur Orientierung als Anlage zum Merkblatt. Der Bericht ist in der Sprache zu verfassen, auf den sich die Beteiligten in der zwischenstaatlichen Vereinbarung über die Einzelheiten einer gemeinsamen Prüfung geeinigt haben. Der Steuerpflichtige wird laut Merkblatt innerhalb von 60 Tagen nach der Erstellung des gemeinsamen Prüfungsberichtes über das Ergebnis der gemeinsamen Prüfung unterrichtet. Der Unterrichtung ist zudem eine Kopie des gemeinsamen Prüfungsberichtes beizufügen.
Das neue Merkblatt ersetzt das Merkblatt über die koordinierte steuerliche Außenprüfung mit Steuerverwaltungen anderer Staaten und Gebiete (BMF-Schreiben vom 09.01.2017) und ergänzt das Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen (BMF-Schreiben vom 29.05.2019).
Wie erwartet und in Übereinstimmung mit der DAC7-Richtlinie führt das BMF-Schreiben nicht zu einer Verbesserung der rechtlichen Position des Steuerpflichtigen im Rahmen von Betriebsprüfungen über die Grenze. Insbesondere können Steuerpflichtigen sich nicht sicher sein, überhaupt von der Durchführung einer solchen Prüfung zu erfahren. Auch die Rechtsposition des Steuerpflichtigen im Verfahren überzeugt gemessen an den nationalen Verfahrensnormen für Betriebsprüfungen nicht. Steuerpflichtigen kann nur geraten werden, wachsam zu sein. Die Warnleuchten sollten insbesondere dann angehen, wenn Betriebsprüfungen zeitgleich in mehreren EU-Mitgliedstaaten mit ähnlichen Prüfungsschwerpunkten anfangen. Immerhin soll der Steuerpflichtige die Durchführung einer gemeinsamen oder gleichzeitigen Prüfung auch selbst anregen können. Dies kann durchaus sinnvoll sein, wenn bereits klar ist, dass der Sachverhalt zu einem Disput zwischen den Staaten über das Steuersubstrat führt, z.B. im Fall von IP-Verlagerungen über die Grenze. Ein Antragsrecht auf Durchführung einer gemeinsamen oder gleichzeitigen Prüfung hat der Steuerpflichtige aber nicht.
Der Volltext des Schreibens steht Ihnen auf der Internetseite des BMF zur Verfügung.
Direkt zum BMF-Schreiben kommen Sie hier.