Quellenbesteuerung von Dividenden im Fokus des Unionsrechts

Der EuGH äußert sich in zwei Urteilen zur Quellenbesteuerung von Dividenden. Er befasst sich mit der Erstattung von Quellensteuern auf Dividenden im Falle einer Verlustsituation des Empfängers im Ansässigkeitsstaat. In einem weiteren Urteil stellt der EuGH erneut klar, dass eine Bruttobesteuerung von Dividenden gegen Unionsrecht verstößt. Die Urteilsgrundsätze beider Entscheidungen sollten über den Einzelfall hinaus auch für deutsche Inbound-Sachverhalte Relevanz entfalten in welchen die Dividenden bei einem vergleichbaren inländischen Investor als voll steuerpflichtig zu behandeln wären bzw. bei sonstigen kapitalertragsteuerpflichtigen Erträgen.  

Unionsrecht gebietet Erstattung von Quellensteuern bei Verlustsituation des Dividendenempfängers im Ansässigkeitsstaat 

Im Urteilsfall (C-601/23) empfing eine im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (UK) ansässige Gesellschaft (Ltd.) von einer spanischen Gesellschaft (autonome Provinz Bizkaia) im Jahr 2017 eine Dividende, die in Spanien dem Quellensteuerabzug unterlag. Dabei erzielte die Ltd. in UK im gleichen Jahr Verluste. Eine vollumfängliche Erstattung der Quellensteuer auf Grundlage des DBA Spanien-UK (Reststeuersatz: 10%) war nicht möglich, der Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie war nicht eröffnet.  

Der EuGH sah in dem Quellensteuereinbehalt mit Abgeltungswirkung trotz Verlustsituation im Ansässigkeitsstaat einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (EuGH-Urteil vom 19.12.2024, C-601/23, Rs. Credit Suisse Securities (Europe) Ltd). Folglich sei die Quellensteuer zu erstatten. Zwar unterliegen auch im Inlandsfall (spanische) Dividenden einer Quellensteuer, jedoch handele es sich dabei um Vorauszahlungen auf die (spanische) Körperschaftsteuer. Erleidet eine spanische Muttergesellschaft Verluste, wird die als Vorauszahlung auf die Dividende erhobene Quellensteuer erstattet. Der Ltd. war es aufgrund der Ansässigkeit im Ausland (UK) im Verlustjahr nicht möglich, die Quellensteuer erstatten zu lassen, so dass die Quellensteuer eine Definitivbelastung darstellte (abgeltende Wirkung des Quellensteuereinbehaltes). Darin liegt laut EuGH ein nicht gerechtfertigter Eingriff in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit. Insbesondere bedeute die Erstattung der Quellensteuer laut EuGH nicht, dass Spanien auf sein Quellenbesteuerungsrecht verzichten müsse. Die ausgeschütteten Dividenden würden nämlich besteuert, sobald die gebietsfremde Gesellschaft in späteren Geschäftsjahren Gewinne erzielt.  

Die Entscheidung steht im Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung in der Rs. Sofina (EuGH-Urteil vom 22.11.2018, u.a. C-575/17, Rs. Sofina). Hier hatte der EuGH erstmalig die sofortige Erhebung einer finalen Quellensteuer als unionsrechtswidrig angesehen, wenn sich der ausländische Dividendenempfänger nachweislich in einer Verlustsituation befindet.  

Die Urteilsgrundsätze sollten auch auf die deutsche Rechtslage übertragbar sein. Die deutsche Quellensteuer (Kapitalertragsteuer bzw. Steuerabzug gem. § 50a EStG) entfaltet für beschränkt Steuerpflichtige ebenfalls abgeltende Wirkung. Das bedeutet, dass beschränkt Steuerpflichtige, die in Deutschland Einkünfte wie Dividenden, Lizenzen und Zinsen erzielen und nicht bereits aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens oder einer EU-Richtlinie (Mutter-Tochter-Richtlinie oder Zins- und Lizenzrichtlinie) eine vollständige Erstattung erhalten, Anspruch auf eine vollständige Erstattung der Quellensteuer haben können, wenn sie in ihrem Ansässigkeitsstaat Verluste erzielen. Allerdings ist die Entscheidung des EuGH wohl so zu verstehen, dass es im Falle von Gewinnen in späteren Jahren zu einer Nachversteuerung kommen sollte.  

Quellenbesteuerung auf Bruttobasis unionsrechtswidrig  

In einem weiteren Urteil bejahte der EuGH ebenfalls einen Verstoß gegen das Unionsrecht, wenn Dividenden an gebietsfremde Gesellschaften aufgrund der Bruttobesteuerung weniger günstig behandelt werden als Dividenden an gebietsansässige Gesellschaften (EuGH-Urteil vom 07.11.2024, C-782/22, Rs. XX). Damit bestätigt der EuGH einmal mehr, dass die abgeltende Quellenbesteuerung auf Bruttobasis bei beschränkt Steuerpflichtigen mit den unionsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten unvereinbar ist. Auch diese Entscheidung ist für den deutschen Rechtskreis relevant: Während im reinen Inlandsfall bei steuerpflichtigen Dividendenerträgen (bzw. anderen quellensteuerpflichtigen Vergütungen) im Veranlagungsverfahren mit Anrechnung der Kapitalertragsteuer die Nettodividende besteuert wird, verbleibt es bei Ausschüttungen an ausländische Gesellschafter beim Kapitalertragsteuerabzug auf die Bruttodividende. Demnach kann es in Abhängigkeit des Einzelfalls geboten sein, - ebenso wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen - mit den Dividenden im Zusammenhang stehende Betriebsausgaben im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs zu berücksichtigen.  

Die Volltexte der Urteile stehen Ihnen auf der Internetseite des EuGH zur Verfügung. 

Direkt zum EuGH-Urteil vom 07.11.2024 (C-782/22) kommen Sie hier.

Direkt zum EuGH-Urteil vom 19.12.2024 (C-601/23) kommen Sie hier.